Kategorie-Archiv »Der besondere Buch-Tip«

Wolfgang Borchert »Schischyphusch«

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Ein kleiner Junge, zugleich der Erzähler, geht mit seiner jungen Mutter und seinem Onkel an einem heißen Sommersonntagnachmittag in ein Gartenlokal. Der Onkel hat im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren und durch eine ebenfalls dort erhaltene Schußverletzung an der Zunge lispelt er. Ansonsten ist der Onkel ein großer breitschultriger lebensfroher Mensch, eine imposante Erscheinung. Einer der Kellner des Gartenlokals ist das genaue Gegenteil; klein, unscheinbar, verschüchtert, mußte in seinem Leben unzählige Demütigungen hinnehmen und erfährt Mißachtung weiterhin Tag für Tag. Doch haben er und der Onkel eines gemeinsam: Das Lispeln. (mehr …)

Charles Dickens »Ein Weihnachtslied /-abend«

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Ein Heiligabend in London Mitte des 19. Jhd. Es ist frostig und neblig. Auf den Tag genau vor sieben Jahren verstarb Jakob Marley, der Kompagnon des alten Ebenezer Scrooge. Scrooge ist ein ebenso erfolgreicher wie unerbittlicher Geschäftsmann, dessen einziger Lebensinhalt die Mehrung seines Reichtum ist. Menschen, die dies nicht schaffen oder – schlimmer noch – für die andere Dinge wichtig sind, verachtet er. Was er seinem einzigen Angestellten Robert Cratchit bezahlt, reicht für ihn und dessen Familie kaum zum Leben, nicht einmal für einen wärmenden Mantel oder neue Kleider für sich und seine Familie. Seinen Neffen, der in bescheidenen Verhältnissen lebt, und der seinem Onkel trotz allem freundlich gesinnt ist, weist Scrooge die Tür als dieser ihn zum Weihnachtsessen bei sich und seiner jungen Frau einladen will. Zwei Herren, die für wohltätige Zwecke sammeln und ihn um eine Spende für die Ärmsten bitten, brüskiert er. Er gibt ihnen zu verstehen, daß er Gefängnisse und Armenhäuser für sinnvolle Einrichtungen hält, außerdem unterstütze er bereits diese Institution und »[–] wem es schlecht geht, der mag sich dorthin [in die Armenhäuser Anm. d. A.] begeben![–]«. Auf die Entgegnung eines der beiden Herrn, daß viele lieber streben würden, als dorthin zu gehen, erwidert Scrooge kalt, stürben sie, dann würden sie die überflüssige Bevölkerung vermindern. Darauf erkennen die beiden Herrn die Vergeblichkeit ihrer Bemühungen und gehen. (mehr …)

Wolfgang Borchert »Stimmen sind da – in der Luft – in der Nacht«

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Ein grauer trüber nebliger Novembernachmittag. Fünf Leute, ein alter Mann, eine alte Frau, zwei junge Frauen und ein blasser junger Mann sind die einzigen Fahrgäste in einer Straßenbahn. Jeder sitzt für sich, der Schaffner malt scheinbar geistesabwesend Gesichter auf die beschlagenen Scheiben. Der alte Mann beginnt von Stimmen zu sprechen, die immerzu des Nachts zu hören sind und die ihn nicht schlafen lassen. (mehr …)

Wolfgang Borchert »Dann gibt es nur eins!«

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Dieser Beitrag ist, nach der kurzen Vorstellung von Wolfgang Borcherts Gesamtwerk – zu lesen hier – der Anfang einer kleiner Reihe in der in loser Folge bekannte und weniger bekannte Texte von Wolfgang Borchert kurz vorgestellt werden.

 

Wolfgang Borcherts leidenschaftliches und eindrucksvolles Plädoyer gegen den Krieg ist zweigeteilt. Es beginnt mit einer Reihe suggestiver Appelle, die sich zwar zuvorderst an bestimmte Berufs- und Bevölkerungsgruppen richtet, doch dadurch, daß jeder Appell nicht nur auf das Gewissen zielt, sondern jeweils mit den Personalpronomen DU beginnt, gefolgt von einem Punkt, kann der Leser gar nicht anders als sich ebenso persönlich angesprochen fühlen als spräche Borchert ihm mit seinem Namen an. (mehr …)

Wolfgang Borchert »Das Gesamtwerk«

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Sicherlich werden sich viele aus dem Schulunterricht – je nach Generation – noch an die Kurzgeschichten »Nachts schlafen die Ratten doch«, »Stimmen sind da – in der Luft – in der Nacht« oder vielleicht auch an das Drama »Draußen vor der Tür« erinnern. Gehören doch die Texte von Wolfgang Borchert bereits seit einigen Jahrzehnten zum Standardkanon der Literatur nach 1945 im Deutschunterricht. Vermutlich werden die meisten sie eher als lästige Pflichtübung angesehen haben, weil es ihnen schwerfiel, sich in die Welt die Autor beschreibt hineinzuversetzen. Für Jugendliche, die in der Geborgenheit eines demokratischen Rechtsstaats aufgewachsen sind, muß die Lebenswirklichkeit mit der Wolfgang Borchert sich auseinanderzusetzen hatte, schier unglaublich erscheinen. (mehr …)

Karl Mays »Waldröschen« – mehr als nur ein Kolportageroman

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Von den südlichen Ausläufern der Pyrenäen her trabte ein Reiter auf die altberühmte Stadt Manresa zu. Er ritt ein ungewöhnlich starkes Maulthier, und dies hatte seinen guten Grund, denn er selbst war von hoher, mächtiger Gestalt, und wer nur einen einzigen Blick auf ihn warf, der sah sofort, daß dieser riesige Reitersmann eine ganz ungewöhnliche Körperkraft besitzen müßte. Und wie man die Erfahrung macht, daß gerade solche Kraftgestalten das frömmste und friedfertigste Gemüth besitzen, so lag auch auf dem offenen und vertrauenerweckenden Gesichte, und in den treuen, grauen Augen dieses Mannes ein Ausdruck, der keinen Glauben an den Mißbrauch so außerordentlicher Körperstärke aufkommen ließ.

 

Mit dieser Charakterisierung einer der Hauptpersonen, des Doktor Sternau, beginnt der erfolgreichste deutsche Kolportageroman des 19. Jhd. Erschienen in 109 Lieferungen auf 2612 Druckseiten vom 2.12.1882–16.08.1884. Übersetzt unter anderem ins Englische, Tschechische, Niederländische, Italienische, Slowenische und Polnische. (mehr …)

Emmanuí¨le Bernheim »Die Andere«

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Der jungen Ärztin Claire wird die Handtasche gestohlen. Kurz darauf taucht ein Fremder in ihrer Praxis auf, der mit Sicherheit kein Patient. Doch entgegen ihrer ersten Annahme ist er nicht der Dieb sondern der ehrliche Finder. Bevor sie ihn zur Rede stellen kann, verschwindet er. Der Dieb hat nur das Geld und die Kreditkarte entwendet. (mehr …)

Franz Kafka »Ein Hungerkünstler«

Der »Hungerkünstler« war lange Zeit die Jahrmarktsattraktion schlechthin. Sobald er in eine neue Stadt kam war er das Gespräch schlechthin. Jeder wollte ihn zumindest einmal am Tag sehen, während er in seinem Käfig vor sich hungerte. Das Publikum wählte Wächter, die in Dreiergruppen Tag und Nacht darauf achteten, daß er auch tatsächlich hungerte und nicht heimlich etwas aß oder ihm Essen von mitleidigen Seelen zugesteckt wurde. Der Hungerkünstler empfand es Affront, (mehr …)