Kurzes #53 – Begegnung im Auwald
von
Armin A. Alexander
Ein Spaziergang im Auwald bringt eine unerwartete Begegnung.
Im Tal war schon immer äußerst regenreich gewesen. Durch die besondere geographische Lage – das Tal war von einem Mittelgebirgszug umgeben – waren die Winter mild und trocken, die Sommer zwar nicht allzu warm, dafür die Temperaturen bereits Ende März angenehm. Erst zu Beginn des Novembers wurde es kühler, zugleich mit dem Nachlassen der Niederschläge. Diese gingen die meiste Zeit des Jahres als anhaltender Nieselregen oder ergiebiger Landregen nieder. Richtig heftige Güsse gab es, wenn überhaupt lediglich in den Sommermonaten nach eher seltenen längeren, regenfreien und sonnigen Perioden. Dichte Wälder und üppige Weiden durchzogen das Tal, nebst einem größeren Fluß und vielen kleineren Bäche. Das Tal war schon immer relativ dünn besiedelt gewesen, da die Feuchtigkeit nur bestimmte Formen der Landwirtschaft ermöglichte. Zwar waren die meistens durchweichten Ackerböden sehr fruchtbar, aber sie ließen sich nur schlecht bearbeiten.
Die überwiegend nasse Witterung machte regenfeste Kleidung unentbehrlich, weshalb die Bewohner wohl mehr Regenbekleidung aus Gummi und PVC beschichtetem Gewebe und Gummistiefel besaßen als andere Sachen. Nicht wenige hatten dazu ein fetischistisches Verhältnis entwickelt.
In diesem Frühsommer hatte es selbst für hiesige Verhältnisse viel geregnet. Darum interessierte ihn, wie weit der große Auwald überflutet war. Die Bewohner entwickelten in dieser Gegend zwangsläufig eine Vorliebe für Regenspaziergänge, wollten sie nicht die meiste Zeit des Jahres zu Hause verbringen, abgesehen davon ermöglichte es ihnen ihren Fetischismus auch außerhalb des Hauses zu leben. Da es ungewöhnlich warm war, zog er die olivgrüne Regenhose, den grauen Gummiregenmantel und die schwarzen Gummiwatstiefel auf der nackten Haut an, was seinem Fetischismus entgegen kam.
An seinem Haus grenzte auf der Rückseite eine große Wiese, die wiederum an ein Waldstück grenzte, das nahtlos in den Auwald überging. Die Wiese wurde im Spätsommer als Schafweide benutzt, weshalb der Untergrund relativ fest war und auch bei starken Regenfälle kaum aufweichte, dafür blieb in den Vertiefungen lange das Wasser stehen.
Als er das Haus verließ, ging ein leichter Nieselregen nieder. Sofort legte sich der feine Wasserfilm auf seinen Gummiregenmantel und ließ ihn glänzen. Zugleich erfüllte ihn ein leichtes Wohlgefühl, ganz gleich wie heftig es regnete, unter der wasserundurchlässigen gummierten Außenseite seines Mantels blieb ich stets trocken.
Die Hände lässig in den Taschen des Gummiregenmantels vergraben, schritt er gemächlich aus und stapfte genüßlich durch jede erreichbare Pfütze, in denen das Wasser klar und in manchen sogar wadentief stand. Nicht nur Kinder stapften gerne in Gummistiefeln durch jede erreichbare Pfütze und wateten im tiefen Morast.
Er erreichte den Wald relativ schnell. Ein breiter fester Kiesweg führte ihn in leichten Mäandern zum Auwald. Er begegnete auf dem ganzen Weg niemanden. Neben dem leisen gleichmäßigen Rauschen des Regens war das einzige begleitende Geräusch das melodische Gezwitscher der Vögel.
Er war wohl eine halbe Stunde unterwegs, als er eine einsame Hütte erreichte. Sie war nicht sehr groß und mehr ein solider windgeschützter Unterstand als eine wirkliche Hütte. Der eigentlich Auwald war nicht mehr weit.
Er hatte die Hütte fast passiert, als er ein Stück von ihr entfernt eine Frau bei einem Baum hocken sah. Sie blickte gedankenverloren zu Boden, so daß sie ihn nicht gleich sehen konnte. Er hielt mich im Sichtschutz der Hütte.
Die Frau war ihm bekannt. Sie wohnte am anderen Ende seiner Straße. Sie begegneten sich gelegentlich beim Einkaufen. Sie war eine hübsche Frau in den Vierzigern mit mittellangen rotbraunen Haaren, etwas mollig, was ihr aber sehr gut stand. Bisher hatten sie kaum mehr als ein paar allgemeine Worte miteinander gewechselt.
Sie trug einen schwarzen Gummiregenmantel, der sich über ihren üppigen Brüsten spannte und dadurch wirkte, als sei er ihr ein wenig zu klein, und olivgrüne Gummiwatstiefel. Ein leises Prasseln auf dem Waldboden verriet unverkennbar, was sie gerade tat.
Es dauerte ein wenig, bis das Prasseln verstummte. Dabei umspielten ihre vollen weichen Lippen ein genüßlich Lächeln.
Er sah gerne einer Frau beim Pinkeln zu. In diesem Moment war er allerdings mehr damit beschäftigt zu verhindern, daß sie ihn entdeckte, obwohl sie nicht einen Augenblick in seine Richtung sah, sich offensichtlich allein glaubte.
Kaum war sie fertig, stand sie auf, sah aber zum Glück immer noch nicht in seine Richtung. Während sie den Gummimantel richtete, glaubte er für einen Augenblick zu erkennen, daß sie ebenso wie er nichts darunter trug. Warum auch sollte sie anders bei diesem warmen Wetter handeln als er?
Ohne sich umzublicken, wandte sie ihm den Rücken zu und ging den Weg von der Hütte weg entlang zum Auwald hin. Also schien sie auch sehen zu wollen, wie weit der Auwald bereits überflutet war.
Er ließ ihr einen gehörigen Vorsprung, bevor er ihr folgte. Es war zwar nicht ganz fair, jemandem zu folgen, aber er war neugierig, wohin sie gehen wollte.
Frosch schritt sie aus. Ihm gefiel ihre schöne Rückfront, insofern sich das bei einer Frau beurteilen konnte, die einen Gummiregenmantel und Gummiwatstiefel trug und die Hände in den Manteltaschen geschoben hatte. Sie wiegte die breiten Hüften auf eine durchaus betörende Weise, die mehr Sinnes- und Lebensfreude als Koketterie ausdrückte, zumal sie sich allein glaubte.
Da der Weg mäanderreicher wurde, konnte er näher aufschließen, wobei er unter seinen Regensachen langsam ins Schwitzen kam, schließlich ging sie relativ schnell.
Er war dermaßen darauf konzentriert, aufzuschließen, daß er ihr beinahe zu nahe gekommen wäre, denn kaum war er an einem großen alten Baum mit einem mächtigen Stamm vorbei, sah er sie in nur wenigen Metern am Wegrand stehen.
Kaum hatte er sich von seinem Schreck erholt, erkannte er den Grund für ihr Stehenbleiben; wenige Schritte vor ihr stand bereits das Wasser. Dabei befanden sie sich noch in den Randausläufern des eigentlich Auwaldes.
Für einen Augenblick befürchtete er bereits, das könnte ihre Neugierde befriedigt haben und sie in den Ort zurückgehen. Doch dann ging sie ebenso entschlossen wie zuvor weiter den Weg entlang.
Sie erreichte die Wasserfläche schnell. Da das Gelände sanft abfiel, dauerte es ein ganzes Stück, bis ihnen das Wasser bis zu den Knien reichte. Bis hinunter zum Flußufer würde das Wasser kaum als bis zu den Oberschenkeln reichen, nur an wenigen Stelle würde es mehr als hüfttief stehen.
Der eigentliche Weg war beinahe zu Ende, die Bäume standen dichter. Dennoch hielt er weiterhin Abstand zu ihr. Noch auf dem Hauptweg hätte er eine zufällige Begegnung vortäuschen können, hier fiel das deutlich schwerer, denn sie ging längst querfeldein, insofern sich in einem Wald von querfeldein sprechen ließ.
Das Wasser, das im übrigen klar war, reichte ihnen bereits über die Knie und berührte hin und wieder ihren Mantelsaum.
An ihrer Haltung erkannte er, daß sie dieses Umherwaten in ihren hohen Gummistiefeln mit offenkundig fetischistischem Vergnügen genoß. Manchmal hatte er sogar den Eindruck, daß sie sich einfach ins Wasser fallen lassen würde und genußvoll spüren, wie ihr das Wasser in die Watstiefel und unter den Regenmantel lief. Doch sie tat es nicht.
Ihre Lebensfreude war ansteckend und vermutlich sogar der Hauptgrund, warum er ihr folgte. Es machte einfach Freude in ihrer Nähe zu sein.
Und dann sah er sie plötzlich nicht mehr. Die Bäume standen hier besonders eng, das Laub der unteren Äste reichte fast bis auf die Wasserfläche. Er sah sich um, traute sich aber nur halbherzig, den Blickschutz seines Baumes zu verlassen. Er lauschte, ob er nicht hörte, wie sich das Wasser unter ihren Schritten teilte. Aber nur das leise Rauschen des Regens auf das dichte Blätterdach war zu vernehmen, unterbrochen vom Gesang der Vögel.
Er wartete eine Minute ab und eine weitere. Sie tauchte nirgendwo auf. Er ging einige Schritte. Auch hier war nichts zu hören und schon gar nichts zu sehen. Er wartete noch einige Augenblicke ab, dann gestand er sich ein, daß er sie verloren hatte, oder, was ihm schlimmer erschien, daß sie ihn doch bemerkt hatte und sich leise ihres unerwünschten Verfolgers entledigt hatte. Was an dieser Stelle ja nicht schwer war.
Mit einem bedauernden Achselzucken machte er sich auf den Rückweg. Lust bis hinunter zum Flußufer oder wo es üblicherweise verlief, zu gehen, hatte er nicht mehr, wenngleich er ebenfalls gerne in hohen Gummistiefeln durchs Wasser watete.
Er hatte kaum einen Baum passiert, da blieb er wie festgehalten stehen, denn sie stand vor ihm und lächelte ihn mehr als freundlich an. Sie betrachtete ihn ein wenig amüsiert, mit leicht schiefgelegtem Kopf. Dann ging sie auf ihn. Sie ergriff seine Hand und zog ihn sanft aber bestimmt mit sich.
Er war zu perplex, um etwas anderes zu tun, als sich von ihr mitreißen zu lassen.
Sie ging mit ihm zu einer Stelle, an der das Wasser nur noch knietief war. Dort lehnte sie sich mit dem Rücken an einen Baum. Sie legte ihm die Arme um den Hals und zog ihn an sich. Er spürte ihre großen weichen und schweren Brüste an seiner Brust, ihre schneller werdenden Atemzüge. Fast mechanisch legte er ihr die Hände auf die Taille, spürte ihre Wärme durch ihre Gummimäntel hindurch. Daß sie nichts darunter trug, wurde nun für ihn zur Gewißheit. Sie küßte ihn und während er ihre Zunge an seiner spürte, wurde ihm bewußt, daß an diesem Tag noch mehr geschehen würde, als durch einen überfluteten zu waten.
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