Kurzes #71 – Der Fetischist

von
Armin A. Alexander

Der folgende Text ist die Fortsetzung und der Schluß von Evamarias Gummiregenmantel.

 

Evamaria besaß die beiden Gummiregenmäntel vielleicht zwei Wochen.

Es nieselte seit dem Morgen ohne Unterbrechung. Evamaria stand wie üblich bei dieser Witterung allein in der Gasse. Sie schlenderte auf ihrem Platz auf und ab, die Hände in den Manteltaschen geschoben, lauschte auf das Klacken ihrer hohen Absätze auf dem ausgetretenen Pflaster, schritt genüßlich durch die beiden kleinen Pfützen vor der Einfahrt, genoß das Gefühl wie ihre Schuhe und Strümpfe sich mit dem Regenwasser vollsogen, sowie das leise monotone Trommeln des Regens auf der Kapuze und hing ihren Gedanken nach, weshalb sie den Mann nicht kommen gesehen hatte. Sie bemerkte ihn erst, als er sie ansprach und sich nach ihrem Preis erkundigte. Sie konnte nicht sagen, wie lange er sie beobachtet haben könnte.

Mit einem geschäftsmäßig freundlichen Lächeln, das dennoch liebenswürdig war, nannte sie ihren Tarif, der bei allen Frauen in dieser Gasse derselbe war.

»Was tust du dafür?« fragte er leise, fast schüchtern, obwohl niemand in der Nähe war, der sie hätte belauschen können. Selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte sich keiner daran gestört.

Sie sah ihn mit leicht schiefgelegtem Kopf und einem freundlichen Lächeln um die Mundwinkel an. Sie hatte ihn hier noch nie gesehen. Er schien nicht unsympathisch, wirkte fast etwas schüchtern als sei es das erste Mal, daß er zu einer wie ihr ging. Er war relativ groß, schlank, doch nicht hager, wirkte irgendwie ›besser gestellt‹, sah insgesamt nicht schlecht aus. Er hielt seinen Schirm fest in der Hand, fast als wollte er sich daran festhalten. Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig. In ihren Augen ein eher untypisches Alter, um das erste Mal zu einer Hure zu gehen. Aber das bedeutete letztlich nichts.

»Das übliche halt. Vaginal, einen herunterholen oder Blasen oder dir beim Abwichsen zusehen«, entgegnete sie freundlich als plauderten sie über Belangloses. »Doch alles nur mit Gummi«, fügte sie entschieden hinzu.

Er nickte derart zustimmend, als könne er sich selbst nichts anderes vorstellen.

»Und darüber hinaus?« stockte er leicht bei dieser Frage.

Seine Schüchternheit rührte sie innerlich. Bisher kannte sie so etwas nur von kaum Zwanzigjährigen.

»Kommt darauf an. Wenn es nicht zu ungewöhnlich ist«, sie vermied bewußt ›abartig‹ zu sagen, denn in ihren Augen gab es nichts ›Abartiges‹. Solange sie nicht zu etwas überredet werden sollte, das auf irgendeine Weise ein gesundheitliches Risiko in sich barg, ob für ihren Kunden oder sie selbst, störte sie sich nicht daran. Sie verlangte auch keine übertriebenen Preise dafür, wie es andere ihres Berufstandes gerne taten, sollten sie etwas machen, das vom sogenannten ›allgemein Üblichen‹ – das wahrscheinlich deutlich weniger umfaßte, als tatsächlich verbreitet war – abwich. »Oder es nicht zu ›eklig‹ ist. Gerade bei letzterem sind die hier im Hotel sehr eigen. Wenn überhaupt, gingen solche Dinge nur im einzigen Zimmer mit Bad, des Saubermachens wegen.«

Er nickte, schien sofort zu verstehen, was sie meinte, aber so, als ob das für ihn ohnehin nicht in Frage käme, wenn es ihn auch positiv berührte, daß sie prinzipiell nichts dagegen zu haben schien.

»Was machst du grundsätzlich nicht?« Seine Stimme zitterte nun spürbar, als fürchtete er, daß sein Wunsch darunterfiel. Außerdem schien es ihm nicht leicht zu fallen, sie zu duzen, da er das Du stets so aussprach, als habe er zuerst das Sie herunterschlucken müssen, damit es ihm nicht ungewollt über die Lippen kam.

»Alles was mit einem unwägbaren gesundheitlichen Risiko verbunden ist.«

Er nickte erneut, als wäre ihm gerade ihre Versicherung besonders wichtig.

Evamaria sah ihn interessiert mit leicht schiefgelegtem Kopf und einem leisen Lächeln um die Mundwinkel an. Er hatte sie neugierig gemacht. Sie versuchte einzuschätzen, ob er mehr ein Fetischist oder ein Devoter war. Ein ›Normaler‹ schien er jedenfalls nicht zu sein. Die interessierte meist nur, ob Blasen deutlich teurer als Vaginal oder Abwichsen war.

»Machst du es auch – angezogen?« Hier glaubte sie ihn ein wenig schwerer atmen zu hören.

»Angezogen, ausgezogen, kommt darauf an«, sie sagte es zwar von einem leichten Achselzucken begleitet, aber er hätte schon arg unsensibel sein müssen, um nicht herauszuhören, daß sie es bevorzugte, angezogen zu bleiben. »Ich trage jedenfalls kein Höschen, nie, es ist praktischer, aber dafür altmodische Strumpfhalter.«

Er nickte wieder, schien zu überlegen.

Sie ließ ihm Zeit. Ein anderer Freier war ja nicht in Sicht und letztlich war der Kunde auch König.

»Gut, einverstanden«, sagte er als wäre ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen.

Sie ging die wenigen Schritte zum Hotel voraus, wobei sie kokett die Hüften wiegte und nicht nur, um ihm eine Freude zu machen und zu zeigen, daß er einiges von ihr für sein Geld erwarten durfte. Bevor er das Hotel betrat, schloß er penibel den Schirm.

»Mit Bad«, fragte sie freundlich, sich in einer Eingebung an ihn wendend, bevor sie sich einen Zimmerschlüssel geben ließ.

Er schüttelte entschieden den Kopf. Das hatte er nun wirklich nicht mit seiner Frage gemeint.

Sie zuckte kaum merklich mit den Achseln. Der ihr aktive Teil bei feuchten Spielen machte ihr mitunter wirklich Spaß. Es kam einzig auf den Mann an.

Sie ging vor ihm die schmale ausgetretene Holztreppe hinauf, die vernehmlich unter jedem Schritt knarrte. Ganz gleich zu welcher Tages- oder Jahreszeit es war immer dämmrig auf der Treppe und in den Fluren. Einzig der Eingangsbereich war einigermaßen gut beleuchtet.

Die Zimmer gingen entweder nach hinten, auf einen kleinen Hof in dem eine Gruppe uralter Linden wuchs, oder nach vorne zur Gasse hinaus. Evamaria hatte den Schlüssel für ein Zimmer im zweiten Stock zum Hof hinaus bekommen. Sie bevorzugte die Zimmer zum Hof hinaus. Bevor sie nach getaner Arbeit wieder nach unten ging, warf sie gerne einen Blick auf die drei alten Linden, die dort wuchsen und mit ihrem ausladenden Geäst diesen wie ein grünes Dach bedeckten.

Evamaria und ihre Kolleginnen hatten keine festen Zimmer. Welches gerade frei war, wurde genommen. Das Zimmer mit Bad wurde nur selten verlangt. Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann sie es das letzte Mal benutzt hatte.

Sie ließ den Mann zuerst eintreten, schloß die Tür und steckte den Schlüssel von innen ins Schloß.

Er ließ den Blick durch das kleine, relativ adrette, wenn auch sichtlich verwohnte Zimmer wandern. Ihm schien es zuzusagen.

»Und?« fragte sie und schlug die Kapuze zurück.

Er sah sie fragend an.

»Für was hast du dich entschieden?« Ihr Lächeln war freundlich.

Trotz der langen Zeit, die sie dieses Gewerbe bereits ausübte, war sie noch immer neugierig darauf, was ein Kunde von ihr verlangen würde.

»Würde es dir etwas ausmachen, deinen Gummiregenmantel anzubehalten?« fragte er leicht unsicher und ließ die Blicke an ihrem Körper entlangwandern. Es war der Blick eines Bewunderers und eines Menschen, der sich endlich am Ziel seiner Wünsche glaubt.

»Nein, warum sollte es mir etwas ausmachen? Du bist der Kunde und du bestimmst, was ich an- oder ausziehe.« Sie mußte an den Grund denken, warum sich ihre Tante die beiden Gummiregenmäntel angeschafft hatte. Sie hätte nicht gedacht, daß so schnell ein Kunde von ihr verlangen würde, daß sie ihn ›dabei‹ trug.

Abgesehen davon war das in ihren Augen nun wirklich nichts, was irgendwie ungewöhnlich war. Es gab genug Kunden, die sie lieber angezogen wollten, das verstärkte wohl in ihren Augen das ›Verrufene‹ am Sex mit einer Prostituierten und schließlich blieb sie ja selbst gerne beim Sex angezogen, und nicht nur, weil sie sich so das ›lästige‹ Aus- und Anziehen ersparte.

»Ich meine, würdest du nur ihn anbehalten, nackt darunter?« präzisierte er mit einem leichten Kratzen in der Stimme.

»Ja, natürlich.«

Sie hatte kaum den Gummiregenmantel geöffnet, wollte ihn schon ausziehen, da sagte er schnell: »Du kannst den Mantel wieder schließen. Ich wußte ja nicht, daß du einen Lederrock darunter trägst.«

»Ich trage immer Lederröcke«, erklärte sie freundlich und in einem Tonfall, als müsse das jedem bekannt sein, der zu ihr käme.

Er lächelte leicht verlegen und legte endlich seinen Schirm auf die Fensterbank, den er bisher nervös in den Händen gedreht hatte.

»Würdest du auch die Kapuze überziehen und den Gürtel so eng schnüren, wie es geht, ohne daß es dir unangenehm ist?« Er war jetzt forscher und betrachtete sie zum ersten Mal wirklich begehrend, doch nicht herablassend aufdringlich.

Sie kam seinem Wunsch nach. Durch den enggeschnürten Gürtel, der ihr leicht ins Fleisch schnitt – sie hatte etwas übertrieben, wollte sich aber vor ihm keine Blöße geben –, wurden ihre ohnehin üppigen Brüste zusätzlich betont.

An seinem Blick sah sie, daß er zufrieden war. Was würde jetzt kommen? Trotz aller Erfahrung war das für sie eine neue Situation.

»Gefalle ich dir so?« Sie fragte nicht nur geschäftsmäßig zuvorkommend.

»Ja, sehr«, er klang fast überschwenglich. »Du hast sehr schöne Brüste und Beine. Ich mag es, wenn eine Frau üppiger ist. Ich mag die asketischen Typen nicht, die allgemein als schön gelten. Die verstehen nicht zu genießen. Wie auch, wer jede Kalorie zählt, der nimmt sich auch bei anderen Genüssen zurück!«

Sie mußte grinsen; wie recht er damit hatte, wenn er auch ein wenig verallgemeinerte, und sie wurde für einen Moment verlegen, denn sie spürte, daß er es ernst meinte.

»Und weiter?« fragte sie, nachdem er die Jacke ausgezogen und an den Haken neben der Tür gehangen hatte. »Was willst du nun mit mir machen?«

»Frauen mit einem so herrlichen femininen Körper wie du, sind verehrungswürdig. Sie bekennen sich zu ihrem Frausein«, fuhr er im Ton verhaltener Begeisterung fort und kniete sich zu ihren Füßen.

Also doch ein Devoter, dachte sie auf eine gewisse Weise angetan, denn sie hatte in ihm bisher mehr einen Fetischisten gesehen. Was er wohl weiter tun würde?

Er blickte sie von unten mehr mit dem Blick des Bewunderers als mit dem eines Devoten an, was ihr ein wohliges Kribbeln über den Rücken laufen ließ. Dann schlang er ihr plötzlich und impulsiv die Arme um die Schenkel und vergrub das Gesicht in ihrem Schoß. Für einen Moment erschrak sie, denn sie hatte nicht damit gerechnet. Leicht rieb er das Gesicht an ihrem noch regenfeuchten Gummiregenmantel. Weil er ihr dabei auch leicht den Lederrock am nackten Schoß rieb, spürte sie, wie sie ein wenig feucht wurde.

»Wenn du mir wirklich deine Verehrung zeigen willst, dann küßt du mir jetzt meine regennassen Schuhe«, entfuhr es ihr spontan.

Ohne zu zögern löste er seine Umarmung, beugte sich zum Boden hinunter und berührte mit den Lippen das Oberleder erst ihres linken und dann des rechten Schuhs.

Sie durchströmte ein beinahe rauschhaftes Gefühl, denn sie erkannte, daß er bereit war, ihr sehr weit entgegenzukommen und vermutlich gar nicht mehr daran dachte, daß er sie ja bezahlte.

»So ist gut«, lobte sie ihn. »Du kannst dich wieder aufrichten. Und jetzt ziehst du dich aus!«

Er kam ihrer Aufforderung bereitwillig nach und hängte seine Kleider ordentlich über die Lehne eines Stuhls. Es war für sie nichts Neues, vor allem biedere Familienväter verhielten sich so.

Erst als er nackt vor ihr kniete, den Hintern auf den Fersen ruhend, fiel ihr auf, daß sein Körper zwar drahtig, aber muskulös war. Sie berührte seinen Schwanz mit der rechten Schuhspitze, der fast sofort zur vollen Größe anschwoll. Sie war von ihm sichtlich angetan. Ob er wußte, daß er einen schönen großen geraden dicken Schwanz hatte, den eine Frau ebenso gerne in sich wie in der Hand oder im Mund hätte? Sie betrachtete ihn, der mit gesengtem Blick auf ihren Fuß sah, mit dem sie ihn leicht massierte.

Nein, sie glaubte nicht, daß er das wußte. Es würde sie nicht wundern, wenn ihm das noch keine Frau gesagt hätte. Überhaupt schien er bisher nicht viele Frauen in seinem Leben gehabt zu haben. Ob er verheiratet war? Aber was ging das sie an! Er bezahlte sie dafür, daß sie ihm sexuelle Entspannung verschaffte.

Sie nahm den Fuß aus seinem Schoß, nicht zuletzt weil ihr das Stehen auf einem Bein zu anstrengend wurde.

»Ja, das gefällt dir, wenn dir eine Frau mit ihren High Heels den Schwanz berührt«, meinte sie mit allzu gespielter Geringschätzigkeit, was er ihr aber nachzusehen schien.

Geringschätzigkeit anderen gegenüber war nicht ihre Sache, daher gelang es ihr nie, auch nur halbwegs überzeugend zu wirken, was ihr ihre Kunden aber immer nachgesehen hatten, es genügte ihnen, daß sie überhaupt einmal ihre Wünsche erfüllt bekamen.

Er senkte beschämt den Blick, was nur zum Teil gespielt war.

Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich vor ihn darauf, schlug die Beine übereinander und wippte leicht mit dem freien Fuß, lenkte damit seinen Blick auf ihn. Sie drapierte den Gummiregenmantel so, daß er ihre Knie bedeckte.

»Dich erregen meine Schuhe und meine Beine nicht nur meine weichen weiblichen Formen, meine großen schweren Titten. Aber auch mein Gummiregenmantel und mein alter speckiger Lederrock machen dich scharf, wie nicht zu übersehen ist.«

Er nickte unmerklich und weiterhin leicht beschämt. Offenbar schien ihm noch keine Frau seinen Fetischismus ›vorgehalten‹ zu haben.

»Weißt du, daß schon viele meiner Freier meinen in den Lederrock gehüllten Hintern abgeküßt und abgeleckt haben und nicht wenige haben heftig darauf abgespritzt und ihr Sperma anschließend dort eingerieben. Du siehst, es gibt viele Männer, die ähnlich ›bizarre‹ Neigungen haben, die erst dann wirklich können, wenn eine Frau etwas ganz Bestimmtes trägt.«

Wieder nickte er und diesmal schien seine Beschämung echt zu sein, obwohl sie es mit nicht zu überhörender Wärme gesagt hatte.

Bevor er jedoch ein echtes Schuldgefühl entwickeln konnte, fuhr sie fort:

»Das sollte eigentlich etwas sein, über das sich niemand Gedanken machen sollte, weil es im Grunde ein vollkommen harmloses Vergnügen darstellt. Mir gefällt es sogar sehr, wenn Männer so etwas mögen, mir gefällt es, wenn Männer scharf werden, wenn sie meinen üppigen Hintern in Leder gepackt sehen, es gefällt mir, wenn sie über meinen Lederhintern abspritzen. Ich werde sogar naß dabei. – Warum siehst du mich nicht an, wenn ich mit dir rede«, fragte sie mit freundlicher Strenge, denn es störte sie wirklich, daß er sie nicht ansah, und berührte mit der Schuhspitze sanft sein Kinn, worauf er den Blick hob und sie mit leuchtenden Augen ansah.

»So ist es besser. Ich mag es nicht, wenn man meinem Blick ausweicht, außer ich verbiete, daß man mich ansieht.«

Sie stellte ihm beide Füße in den Schoß.

»Du massierst mit jetzt die Füße. Die brennen mir nämlich vom langen Stehen draußen auf dem Pflaster. Bei dem Wetter kommt nicht oft ein Freier vorbei, wie du dir sicherlich denken kannst.«

Er nickte bereitwillig und nahm ihren rechten Fuß in die Hand. Er zog ihr den Schuh aus und für einen Moment war er ein wenig sprachlos. Er hatte noch nie so schöne Füße gesehen. Perlmutten schimmerten die blutrot lackierten Fußnägel durch den nassen Stoff der Strümpfe. Es waren einfache, aber das betonte ihre Schönheit beinahe mehr als trüge sie teure Nahtnylons, die in der Tat ein Traum von ihr waren, den sie sich bisher nicht gewagt hatte zu erfüllen.

Als er sich von dieser angenehmen Überraschung erholt hatte, massierte er ihr umso eifriger die Füße, was er zu ihrer Freude meisterlich beherrschte, weshalb sie sich zurücklehnte und seine Fußmassage genoß.

Nachdem er ihr für ihren Geschmack genug die Füße massiert hatte, massierte sie ihm ein wenig mit den Füßen den Schwanz. Er atmete mehrmals tief durch. Es schien für ihn das erste Mal zu sein, daß das eine Frau bei ihm machte.

Für einen Augenblick fürchtete sie, daß er bald kommen könnte. Aber so leicht erregbar schien er nun doch nicht zu sein. Es war mehr die angenehme Überraschung, die ihm ihre Geste bereitet hatte.

Behutsam nahm sie die Füße aus seinem Schoß.

»Du kannst mir die Schuhe wieder anziehen.«

Als sie ihre Schuhe wieder an den Füßen hatte, stand sie mit einer fließenden Bewegung auf, schob die Hände lässig in die Manteltaschen, schritt vor ihm auf und ab und wiegte betont lasziv die Hüften. Der Gummregenmantel warf sich in betörende Falten, raschelte leise und erotisierend bei jedem Schritt, das Licht brach sich auf besondere Weise in der seidigglatten Oberfläche. Hin und wieder blieb sie stehen, verlegte das Gewicht auf den Absatz und drehte den Fuß leicht hin und her. Dann ging sie wieder einige Schritte bis sie erneut stehen blieb und mit dem anderen Fuß dasselbe machte. Oder sie warf einen Blick auf ihre Beine als suche sie eine Laufmasche in den Strümpfen. Oder sie strich lustvoll mit den Händen über den mittlerweile getrockneten Gummiregenmantel als streichle sie die Haut eines Geliebten. Bei allem tat sie, als sei sie allein und geschehe alles nur zu ihrem ureigensten Vergnügen.

Er folgte ihr mit begehrlichen Blicken, wagte aber nicht etwas zu sagen. Sie spürte, daß sie ihn damit noch mehr erregte als mit ihrer Fußmassage.

Sie konnte nicht anders, sie mußte sich eingestehen, daß es ihr Spaß machte, ihn nur mit ihrem Herumgehen im Zimmer, dem lüsternen Wiegen ihrer Hüften zu erregen, während er geduldig abwartend auf dem alten rauhen verschossenen Teppichboden kniete. Aber sie spürte auch, wie es sie selbst erregte.

Weil sie es nicht ewig in die Länge ziehen wollte und auch konnte, blieb sie leicht breitbeinig vor ihm stehen, die Hände in den Manteltaschen vergraben.

»Du streichelst mir jetzt die Waden, aber wehe du faßt mir unter den Rock!«

Er schluckte kurz, denn wie gerne würde er es tun. Er rutschte auf den Knien das Stück zu ihr hin und streichelte ihr genüßlich die Waden, fühlte den zarten Stoff unter den Fingerspitzen leise knistern. Sie schloß die Augen. Wohlige Wärme stieg von ihren Waden aufwärts. Zwar sollte er sich nur um ihre Waden kümmern aber er widmete sich auch mit Eifer ihren Fesseln.

»Genug«, fuhr sie ihn fast an, denn es wurde ihr selbst ein wenig zu angenehm. »Weil du bisher so brav alles gemacht hast, was ich von dir verlangt habe, hast du nun einen Wunsch frei«, verkündete sie mit Großmut, doch vor allem deshalb, weil ihr vorerst nichts mehr einfiel, das sie mit machen konnte, zudem fand sie, daß er für sein Geld etwas mehr erwarten konnte.

»Ich würde mich gerne auf dich legen und mich an dir reiben bis ich komme«, brachte er schüchtern mit leichtem Stottern hervor.

»Also doch vaginal.« Sie war ein wenig enttäuscht, hatte sich mehr erhofft.

Er schüttelte entschieden den Kopf.

»Du sollst mit geschlossenem Mantel daliegen. Ich will mich an deinem Gummiregenmantel reiben.«

»Gut«, war sie erleichtert, daß sie ihn mißverstanden hatte, das könnte interessant werden, dachte sie, legte sich rücklings aufs Bett, die Beine leicht gespreizt, und strich den Mantel glatt.

Er stand auf und betrachtete sie. Er schien sich nicht schlüssig zu sein, ob er es tatsächlich wagen könnte.

»Was ist?« fragte sie mit spürbarer Schärfe. »Ich habe nicht ewig Zeit.«

Ein wenig linkisch legte er sich so auf sie, daß er mit seinem Schoß über ihrem lag und vergrub das Gesicht in ihrer Schulter. Sie legte die Arme um ihn und drückte ihn auf sich. Er rieb den Schoß intensiv an ihrem Gummiregenmantel. Daß sein Reiben sie auch erregte, wunderte sie nicht wirklich.

Es ging dann doch schneller als sie erwartet hatte. Er stöhnte leise auf, es war fast ein Wimmern, als er sich auf ihrem Gummiregenmantel entleerte. Die Berührung seines Körpers mit ihrem Gummiregenmantel mußte seine Erregung sehr beschleunigt haben. Was in ihr die Erkenntnis festigte, daß er ein Fetischist war, der ihre ›Demütigen‹ nur hingenommen hatte, um seinen Fetisch erfüllt zu bekommen. Aber das war nicht das schlechteste, wie sie fand – ein Kompromiß nach ihrem Geschmack.

Sie hielt ihn noch einen Augenblick umarmt, ließ ihn seinen Orgasmus genießen. Dann löste sie die Umarmung. Er verstand und stand auf. Ein wenig verlegen wich er ihrem Blick aus, doch betrachtete er fasziniert und auch ein wenig ungläubig – wie ihr schien – die Lache seines Spermas auf dem Gummiregenmantel.

Der Anblick der Spermalache entlockte aber auch ihr ein Lächeln. Es war kein unangenehmes Gefühl zu wissen, daß ein Mann sich über ihrem Gummiregenmantel entleert hatte, daß das Reiben an diesem allein genügte, um ihn zum Orgasmus zu bringen.

Sie richtete sich vorsichtig auf, damit sein Sperma nicht von ihrem Mantel aufs Bett lief, sondern in ihrem Schoß blieb.

Er begann sich wieder anzuziehen, wich dabei ihrem Blick aus.

»Was schulde ich dir?«

Erst seine Frage machte ihr bewußt, daß sie sich von ihm entgegen ihrer Gepflogenheit nicht vorher hatte bezahlen lassen.

Sie nannte einen Preis, den sie in der Regel für ganz gewöhnlichen Vaginalverkehr nahm, was ihr aber erst auffiel, als er bereits gegangen war.

Er gab ihr das Geld, das sie achtlos in ihre rechte Manteltasche schob, und schien sich keine Gedanken darüber zu machen, daß es eigentlich für das, was er mit ihr gemacht hatte, zu wenig war, was in ihr noch mehr die Überzeugung festigte, daß er bisher nur sehr selten zu einer wie ihr gegangen war.

Interessiert fragte sie ihn dann doch, wie er gerade auf sie aufmerksam geworden war. Er antwortete spürbar weniger verlegen:

»Vor einigen Tagen war ich in der Schreinerei, um einen Auftrag zu erteilen. Da habe ich dich in deinem Gummiregenmantel neben der Einfahrt stehen sehen. Da du mir gleich gefallen hast und ich mich von Gummiregenmäntel sexuell stark angezogen fühle, aber nur wenn eine Frau sie trägt, ist der Wunsch in mir gereift. Zumal der Schreiner mir sagte, was für einen Beruf du hast«, er lächelte wieder ein wenig verlegen. »Außerdem habe ich es schon sehr lange nicht mehr auf diese Weise mit einer Frau gemacht«, fügte er beinahe entschuldigend hinzu.

»Ist schon in Ordnung«, meinte sie fast mütterlich nachsichtig.

Sie hatte den Eindruck als sei er unschlüssig, ob er noch gerne ein wenig ihre Gegenwart haben wollte oder so schnell als möglich gehen sollte. Sie nahm ihm die Entscheidung ab.

»Bis zum nächsten Mal«, sagte sie mit geschäftsmäßiger Freundlichkeit, daß er den Hinauswurf nicht überhören konnte.

Höflich und dankbar, daß sie ihm die Entscheidung abgenommen hatte, verabschiedete er sich.

Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, griff sie nach einer Schachtel Papiertücher, wie sie in jedem Zimmer auf dem Nachttisch standen, holte eines heraus und wischte sich das Sperma vom Gummiregenmantel, damit nichts hinunter auf den alten Teppichboden lief, sobald sie aufstand.

Als sie wieder auf ihrem Platz stand, dachte sie noch immer angetan an ihn.

Doch bereits am nächsten Tage hatte sie ihn vergessen. Erst als er gut eine Woche später erneut vor ihr stand, abermals an einem Regentag, erinnerte sie sich wieder an ihn.

»Dasselbe wie letztes Mal«, fragte sie nicht nur mit geschäftsmäßiger Freundlichkeit.

Sie hatte nichts dagegen, wenn er beabsichtigte Stammkunde zu werden. Er schien einer von der angenehmen Sorte zu sein.

»So ähnlich«, nickte er ein wenig sicherer als beim letzten Mal und folgte ihr ins Hotel.

Von nun an kam er einmal wöchentlich zu ihr. Bald legten sie einen bestimmten Wochentag fest, an dem er zu ihr kam. War das Wetter zu schön um ihren Gummiregenmantel zu tragen, deponierte sie ihn beim Portier des Hotels.

Mit der Zeit wurden sie vertrauter miteinander und weiteten ihr Spiel aus, das stets eine Mischung aus Fetisch und devoter Hingabe von seiner Seit war. Sie behandelte ihn mehr und mehr als ihren persönlichen ›Lustknaben‹, dem sie erlaubte, als Belohnung für seine ausgezeichneten Dienste, sich an ihr zu reiben bis er sich auf ihrem Gummiregenmantel entleerte. Nicht einmal kam er anders als durch Reiben an ihrem Gummiregenmantel.

Mit der Zeit jedoch mußte sie feststellen, daß nicht mehr sie ihm einen sexuellen Dienst erwies, sondern sich von ihm verwöhnen ließ, sich ausgiebig seinen ausgezeichneten linguistischen Fähigkeiten und seinen geschickten Händen hingab, und sie nicht mehr wußte, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte längst mehr von ihren Begegnungen als er. Eigentlich müßte es nun an ihr sein ihn zu bezahlen. Es war eine verrückte Situation im Wortsinn. Doch er zahlte stets, obwohl sie immer öfter ehrlich vergaß, von ihm Geld zu nehmen. Doch warum sollte sie einen guten Stammkunden vor den Kopf stoßen, in dem sie ihn auf einige scheinbare Widersprüche aufmerksam machte und sie selbst mehr als befriedigt wurde?

Er kam annähernd ein halbes Jahr zu ihr.

Bereits seit einiger Zeit spürte sie, wie eine Veränderung mit ihm vorging, daß ihn etwas zu beschäftigen schien. Obwohl er sich ihr stets mit der gleichen Aufmerksamkeit widmete, schien er mit einem Teil der Gedanken anderswo zu sein. Mit einem leicht wehmütigen Seufzer sagte sie sich, daß sie wohl bald einen guten Stammkunden verlieren würde.

Auf welche Weise er schließlich die ›Geschäftsbeziehung‹ zwischen ihnen beendete, hätte sie niemals erwartet. Doch hätte ihr die Tante als Beispiel dienen sollen.

Relativ nüchtern für ein derartiges Vorhaben, erklärte er ihr, daß er nun in einem Alter sei, in dem er an eine feste Partnerschaft, eine Heirat nicht mehr länger aufschieben könnte. Er brachte zahlreiche Argumente vor, die teils Allgemeinplätze waren, teils aus einem inneren Bedürfnis heraus kamen, die sie ein wenig irritierten, weil sie nicht wußte, worauf er letztlich hinauswollte, was sie beide betraf, bis er endlich die Katze aus dem Sack ließ. Kurz gesagt, würde er es gerne sehen, wenn sie den Platz der Frau an seiner Seite einnehme – er sagte es tatsächlich derart geschraubt.

Sie erkannte sofort, daß es ihm Ernst war und er sie um ihrer selbst wollte und nicht aus irgendeiner Sozialromantik heraus. Daß sie nicht nur die gleichen Fetische verbanden, sondern insgesamt eine Seelenverwandtschaft zwischen ihnen bestand, wie sie sich schlußendlich eingestand. Sie überlegte nicht lange, nahm sich die Tante zum Vorbild und willigte ein.

 

So wie sie von einem Tag auf den anderen in dieser Gasse aufgetaucht war, so verschwand sie von einem Tag auf den anderen aus dieser Gasse. Keiner erfuhr von ihr den Grund. Keiner dachte sich etwas dabei. Ebensowenig wie sich Gedanken darüber gemacht worden war, warum sie gerade in dieser Gasse anschaffen gegangen war, wurde sich darüber Gedanken gemacht, warum sie es nun nicht mehr tat.

Eine Zeitlang war ihr Platz neben der Schreinerei verwaist, bis eines Tages eine andere junge Frau ihn wie selbstverständlich in Besitz nahm.

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