Kurzes #88 – Regenspaziergang

von
Armin A. Alexander

Fortsetzung von »Der entscheidende Schritt«, »Die letzte Session mit Daphne?«, »Der erste gemeinsame Abend«, »Gespräch im Café«, »Gero und Daphne«, »Daphne« und »Die neue Zimmerwirtin«.

 

Gero fühlte ein leicht schmerzhaftes Ziehen in den Hoden. Er lag auf der Seite. Simone hatte sich mit dem Rücken an ihn geschmiegt. Er spürte ihren festen Po an seinem Schoß. Er hatte den linken Arm unterhalb ihrer schweren Brüste liegen. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, kaum wahrnehmbar. Sie lagen in seinem Bett. Sie wollte unbedingt in seinem Bett schlafen. Dort fühlte sie sich ihm näher. Wiewohl er ganz schön müde war, konnte er nicht einschlafen. Zuviel hatte sich an diesem Abend für ihn ereignet, wenn auch alles andere als aus heiterem Himmel. Er konnte nicht einmal sagen, wie oft sie miteinander gevögelt hatten – Simone benutzte lieber das in ihren Augen weitaus lautmalerische ›Ficken‹, wie sie ihm in einer Pause zwischen zwei ›Ficks‹ ausführlich dargelegt hatte, wie sie ihm überhaupt einen ausführlichen Vortrag über lautmalerische Worte in bezug auf alles Sexuelle gehalten hatte. Sie hatte offensichtlich nicht genug bekommen können. Ihm war es aber auch nicht anders ergangen. Es war einfach unglaublich schön mit ihr und hatte sich während der vergangenen Wochen nicht genug bei ihnen aufgestaut? War er wirklich insgesamt fünfmal gekommen? Sie war angezogen geblieben, wie es ihr am liebsten war, lediglich ihre Bluse hatte sie fast bis zum Rockbund aufgeknöpft, damit er die vorne an ihrem langen hautfarbenen BH angebrachten Schließen soweit öffnen konnte, um ihre Brüste mit den handtellergroßen und ungewöhnlich rosigen Warzenvorhöfen daraus zu befreien. Sie gaben mehr der Schwerkraft als Daphnes nach und erinnerten ihn – für einen Dichter reichlich prosaisch – mehr an gut gefüllte große Beutel, denn an pralle Halbkugeln, was ihren Reiz in seinen Augen keinen Abbruch tat, sondern erhöhten für ihn diesen nur. Sie fühlten sich angenehm weich in den Händen an und luden zur Massage ein. Sie liebte es ohnehin, wurde sich ihren Brüsten ausgiebig mit den Händen und dem Mund gewidmet, wobei die Massage ruhig auch kräftiger ausfallen konnte und sogar mittelstarke Bisse in die Nippel sie lustvoll aufstöhnen ließen. Ja, eine ausgiebige Massage und der richtige Einsatz von Zähne und Lippen an den Nippeln konnten sie sogar bis zum Orgasmus bringen, wie er gleichfalls erfahren durfte.

»Nein, ich möchte ohne. Ich weiß, man sollte nicht mit jemanden ohne Kondom ficken, den man noch nicht wirklich kennt, aber ich vertraue dir und ich hoffe, daß du mir auch vertraust. Ich hatte seit mehr als fünfzehn Jahren nur mit meinem Mann und seit seinem Tod mit niemandem mehr Sex gehabt, wie schon gesagt. Ansonsten habe ich nie aufgehört, hormonell zu verhüten.«

Sie hatte sehr entschlossen geklungen und irgendwo war es ihm auch ganz lieb so. Wobei er keinerlei Probleme damit hatte, Kondome zu benutzen. Mit Daphne hatte es eine ganze Weile gedauert, bis sie ihm angeboten hatte, darauf zu verzichten. Laut ihrer Aussage war er seit langem der einzige Mann, bei dem sie darauf verzichtete, und somit ihrer Lust nachgeben konnte, Sperma in und auf ihrer Möse zu spüren.

»Ja, ich vertraue dir auch und ich würde mein Sperma zu gerne in dich verspritzen.«

»Auf meiner Möse habe ich Sperma manchmal sogar noch lieber.«

Es war schließlich für ihn ein sehr schönes Gefühl gewesen, ohne Kondom in Simone zu kommen.

Leise hatte sie ihm ins Ohr betont lasziv geraunt: »Sage mir, daß ich eine perverse Sau bin, eine notgeile, nur mit ihrer Fotze denkende Schlampe, eine alte Gummifotze, eine fette geile Sau. Du darfst mich ruhig dick und fett nennen. Sage mir in möglichst derben Worten alle die zutiefst demütigenden Dinge, die man einer Frau nicht nur nicht sagen, sondern noch nicht einmal denken sollte. Es erregt mich, das alles von dem Mann zu hören, dem ich mich freiwillig unterworfen habe, für den ich reines Objekt seiner sexuellen Begierden bin. Ich liebe die Vorstellung, eine Nutte zu sein, die jeder für Geld haben kann und die für Geld die abartigsten Dinge macht, die andere nicht einmal zu denken wagen, wenn sie überhaupt eine Vorstellung davon haben und die auch nur noch durch diese Dinge zum Orgasmus kommen kann.«

Sie wurde zwischenzeitlich konkreter im Schildern ihrer Phantasien diesbezüglich und er mußte feststellen, daß ihn einiges davon ebenso erhitzte, unter teilweise sogar leicht zum Erröten brachte, als hätte er sich gar nicht vorstellen können, daß eine Frau wie sie derartige ›wilde‹ Phantasien besaß, wenngleich er wußte, daß Frauen kaum weniger ›abgründige‹ Phantasien als Männer besaßen.

Eine Frau, die einen Mann dazu bringen kann, daß er innerhalb weniger Stunden fünfmal kommt, ist auf jeden Fall etwas Besonders, war er zufrieden.

Wie ruhig sie an ihn geschmiegt lag. Sie besaß im Augenblick etwas sehr liebens- und auch beschützenswertes. Er lag jetzt sicherlich mehr als eine Stunde wach. Für jemanden wie ihn, der es gewohnt war, allein zu schlafen, und der sich nur schwer daran gewöhnte, neben jemandem zu schlafen, erschien sie ihm dagegen so vertraut, als hätten sie bereits unzählige Nächte gemeinsam verbracht. Was war nur mit dieser Frau? War sie ihm zu Anfang nur darum ›lästig‹ erschienen, weil er sich zu sehr von ihr angezogen gefühlt hatte? Weil die Wahrscheinlichkeit hoch war, mit ihr eine Beziehung haben zu können und er somit seine ›Unabhängigkeit‹ als Junggeselle ›gefährdet‹ sah? Er hatte sich ja längst mit einer gewissen Behaglichkeit in seinem Singledasein eingerichtet.

Wie schön doch ihr üppiger Körper nackt anzusehen war, trotz oder vielleicht gerade wegen der diversen kleinen Hautfalten und der schweren Brüste, die nur soweit der Schwerkraft trotzen, wie es nötig war, den Schein zu wahren, um nicht als künstlich zu gelten.

Er lag letztlich nicht wach neben ihr, weil er nicht einschlafen konnte, sondern um ihre Nähe auskosten zu können. Letztlich forderte die Müdigkeit doch ihren Tribut.

Als er erwachte, schien die Morgensonne ins Zimmer. Die durch das leicht geöffnete Fenster ins Zimmer strömende Luft spielte mit der Gardine. Er lag auf dem Rücken. Simone lag mit dem Kopf, ihm das Gesicht zugewandt, in seiner Armbeuge und blickte ihm lächelnd an. Sie hatte das rechte Beine zwischen seinen Schenkeln liegen und den rechten Arm um ihn gelegt. Ihm wurde bewußt, was ein mollig warmes weiches Bett in der Gesellschaft einer üppigen Frau bedeuten konnte.

»Guten Morgen«, wünschte sie ihm.

Sie gab ihm kaum Gelegenheit, einigermaßen wach zu werden, da spürte er schon ihre Rechte an seinem Schoß. Im nächsten Moment erkannte er, daß er mit einer prächtigen Erektion erwacht war. Allerdings hatte er bereits gestern festgestellt, daß sie nur die Hand in seinen Schoß zu legen brauchte, damit er eine Erektion bekam.

Er drehte sie sanft aber bestimmt auf den Rücken und drang kurzerhand in sie ein. Sein Verlangen nach ihr erschien ihm so groß, als hätte er seit vielen Jahren keine Frau mehr gehabt.

»Hast du für heute irgendwelche Verpflichtungen?«

Sie saßen beim gemeinsamen Frühstück, das durch die fortgeschrittene Tageszeit und seiner Reichhaltigkeit mehr einem verfrühten Mittagessen gleichkam.

Sie hatte ihren knielangen weiten Hausmantel aus dunkelblauem Satin mit selbstbewußter Nachlässigkeit gegürtet, so daß er ihren mütterlichen Busen nur halb bedeckte. Scheinbar gedankenverloren spielte sie mit dem nackten rechten Fuß an seiner linken Wade. Gero hatte lediglich eine Sporthose und ein älteres weites T-Shirts übergezogen, das er gewöhnlich zum Schlafen anzog. Ungeschminkt und mit nachlässig gekämmtem Haar war sie für ihn nicht weniger reizvoll.

»Nein, allenfalls müßte ich mich später für zwei Stunden oder so an den Rechner setzen, um die beiden Essays, die gestern unterbringen konnte, weitgehend fertigzustellen.«

»Schön, dann haben wir Zeit für uns. Ich würde gerne mehr über dich erfahren, vor allem wie du deinen SM entdeckt hast. Von meinem habe ich dir ja bereits ausführlich erzählt.«

Er lächelte verlegen. Seines Erachtens gab es hierzu nicht viel zu erzählen, im Grunde war es Daphne, die diesen für ihn ›entdeckt‹ hat. Er war im Zweifel, ob er ihr ausführlicher von Daphne erzählen sollte.

»So viel gibt es nicht zu erzählen, solange weiß ich ja noch nicht davon. Ich habe es eigentlich durch eine sehr gute Freundin, die ich vor einigen Jahren durch Wolf kennengelernt habe. Sie weiß allerdings schon lange von ihren Neigungen und lebt sie ebenso lange. Sie ist ausschließlich dominant.«

Er sah zum Küchenfenster. Die Küche lag nach vorne hinaus, ein gepflegter kleiner Vorgarten trennte das Haus von der Straße, einer Sackgasse. War gestern noch ein sonniger Tag gewesen, so war heute alles Grau in Grau. Ein leichter Landregen ging seit den frühen Morgenstunden nieder.

»Ich mag den Regen«, sagte sie in leicht schwärmerischen Tonfall. »Dann kann ich in Gummistiefeln und meine schicken Regensachen aus PVC und ähnlichen Materialien spazieren führen. Mir macht es Spaß, wie ein kleines Mädchen mitten durch tiefe Pfützen zu stapfen. Ich liebe es, wenn der Regen auf die Kapuze trommelt. Ich würde das Wetter gerne für einen Spaziergang nutzen.«

Regenspaziergänge waren nicht seine Sache, andererseits strahlte sie derart viel Vorfreude aus, daß er sich einerseits schäbig vorgekommen wäre, würde er ihrem Wunsch nicht entsprechen, andererseits gelang es gerade Frauen, zu denen er sich hingezogen fühlte, ihn mit ihrer Begeisterung für eine bestimmte Sache anzustecken.

Als er wenig später, nachdem er sich angezogen hatte, mit leichter wetterfester Jacke – trotz des Regens war es warmer Tag – und Schirm wieder herunterkam, erwartete Simone ihn bereits in einer engen Hose und einem ärmellosen hochgeschlossenen Oberteil aus dunkelblauem Kunstleder und dunkelblauen, hochwertigen Gummistiefel, soviel erkannte selbst er. Sie hatte das Haar nachlässig im Nacken zusammengebunden und einen dezenten erdfarbenen Lippenstift aufgelegt.

»Ich vermute, daß du keine Gummistiefel besitzt. Das macht aber nichts. Ich besorge dir welche. Es ist besser, welche zu haben, wenn wir mal bei Regen im Wald abseits der Hauptwege spazieren gehen wollen.«

Sie zog eine lange weite Regenjacke aus leuchtend blauer glänzender PVC-Folie außen und gelber glänzender innen an, schloß den Reizverschluß und zog die Kapuze über. Er konnte sich nicht helfen, sie sah darin irgendwie sexy aus, zumal sie sich unübersehbar wohl darin fühlte.

»Können wir?« Sie lächelte erwartungsvoll.

Er nickte zustimmend.

Sie gingen ein Stück schweigend nebeneinander. Er fühlte ein besonderes Glücksgefühl an ihrer Seite. Sie gingen den Weg zum Ende der Straße, wo am Scheitelpunkt des Wendehammers ein schmaler Weg der, an einer Reihe Schrebergärten vorbei, zu einem an die Siedlung grenzendes Naherholungsgebiet mit einem großzügig angelegten Weiher führte.

»Deine Regenjacke sieht chic aus«, bemerkte er, als sie beinahe an den Schrebergärten vorbei waren.

»Das freut mich, daß sie dir gefällt. Ich mag das Farbenfrohe, vor allem die Kontrastfarben innen und außen. Sie läßt sich problemlos wenden, wobei mir das Blau außen besser gefällt, die gelbe Seite erinnert mich zu sehr an die guten alten Friesennerze, die nicht unbedingt ein Beispiel für Chic sind. Was jetzt nicht bedeutet, daß ich ihnen nichts abgewinnen kann. Ich besitze zwei, da sie als fetischistisches Objekt ihren Reiz besitzen, und trage sie auch hin und wieder. Aber sie sind einfach besser für Wanderungen im Watt, in den Wäldern, fürs Land geeignet, nicht wirklich fürs Städtische, wo doch der Chic an erster Stelle stehen sollte. Ich besitze noch einen langen Regenmantel und eine Art Wickeljacke in der Machart dieser Regenjacke, letztere in den Farben Schwarz und Rot. – Wie findest du meine Gummistiefel?«

Er wußte nicht so recht, was darauf erwidern sollte, chic wäre nicht das richtige Wort gewesen. Sie war sich bewußt, daß er nicht wußte, was er darauf erwidern sollte, darum erwartete sie auch keine Antwort von ihm.

»Ich weiß, chic ist etwas anderes, das meine ich aber nicht so sehr. Die Marke, eine nicht ganz billige englische, ist bei Gummifetischisten sehr beliebt. Ich habe mehrere Paare in verschiedenen Farben, einige sogar mit modischen Block- und Keilabsatz. Letztere trage ich eigentlich nur im Haus zu meinen Gummi- und Latexsachen oder auf Fetischparties.«

»Demnach trägst du sie auch beim Vögeln«, die Erkenntnis ließ ihn ihre Gummistiefel plötzlich mit anderen Augen sehen.

»Beim Ficken habe ich schon alle meine Gummistiefel getragen, auch diese.«

Er versucht sich vorzustellen, wie sie statt eleganter hochhackiger Stiefel aus weichem Leder, diese Gummistiefel trug. So richtig gelang es ihm nicht. Andererseits in Verbindung mit dieser knallengen Kunstlederhose – ja, das hatte aus fetischistischer Sicht schon etwas, das ließ sich nicht leugnen.

»Vermutlich trägst du deine Regensachen auch beim Vögeln.«

Im normalen Gespräch war ihm ›vögeln‹ doch lieber.

»Natürlich. Mein Fetischismus ist schließlich stark sexuell orientiert. Ich glaube, ich habe das schon einmal beiläufig erwähnt.«

Er überging ihren sanften Spott oder er war ihm nicht bewußt.

»Gibt es den denn auch anders?« Er war ehrlich erstaunt.

»Ja, gibt es den auch anders. Auf Fetischparties sind stets genug Leute, die Latex und Gummi in erster Linie tragen, um darin gesehen zu werden, weil es sehr chic und extravagant ist. Manch einer tut, als wäre ein Fetisch und Sexualität etwas, was eigentlich nicht zusammengehört. Die schwärmen einem stundenlang von allen möglichen Outfits, den Vor- und Nachteilen aller möglichen Materialvarianten und -stärken und Bezugsquellen vor, so daß man ihnen mitunter zurufen will, man kann darin auch Sex haben, und nicht wenige haben diese Sachen tatsächlich in erster Linie, um darin Sex zu haben, weil es sie sexuell unglaublich stark erregt. Einige sind sogar ehrlich schockiert – ich meine das jetzt nicht ironisch – wenn Leute auf einer Fetischparty irgendwo Sex miteinander haben und solche Parties auch dazu dienen, Sex miteinander zu haben. Die Zahl der SMer unter den Fetischisten ist nicht sonderlich groß. Es gibt Schnittmengen, aber im Grunde sind es zwei verschiedene Welten, auch wenn Fetischisten in der allgemeinen Wahrnehmung immer noch den SMern zugeordnet werden. Fetischismus ist sowieso die harmloseste sexuelle Neigung, die man sich nur denken kann, Urolagnie zieht meines Erachtens damit gleich. Jedoch wird mittlerweile unter der Rubrik Fetischismus sehr viel mehr als nur eine besondere Vorliebe für bestimmte Materialien oder Objekte eingeordnet. Allerdings handelt es sich dabei oft mehr um Praktiken als um echte Fetische. Vom ursprünglichen Begriff her ist mit Fetischismus ja auch die sexuelle Hingezogenheit zu Objekten beziehungsweise Materialien gemeint. Vorliebe für bestimmte Körperteile, große Brüste und üppige Frauen wie bei dir und große Schwänze wie bei mir unter anderem, aber auch Füße, langes Haar und so weiter, fallen auch unter die Rubrik Fetische, obwohl es eindeutig Eigenschaften sind, die einem bei einem anderen Menschen besonders wichtig sind für die eigene sexuelle Erregung. Einer Frau nur zu gerne die Füße zu massieren und zu pflegen, hat weitaus mehr mir Ehrerbietung zu tun als mit Fetischismus, zumal die Männer, die das so gerne machen, daß es eine eindeutige sexuelle Komponente besitzt, in der Regel devot.«

Da sie nebeneinander gingen und er den Schirm ein wenig schräg hielt, konnte sie nicht sehen, wie er der Erwähnung seiner Vorliebe für große Brüste und die ihre für ansehnliche männliche Genitalien ungewollt leicht erröten ließ, schließlich war es offensichtlich, daß sie sich damit bewußt auf die Abmessungen seines primären Geschlechtsteils bezog.

»Ich habe selbst bisher geglaubt, daß SM immer irgendwie auch mit Fetischismus zusammengeht.«

»Zwar sind Leder, Lack und Latex bei SMern relativ weit verbreitet, aber nicht wirklich im fetischistischen Sinn. Es gibt unter den SMerinnen weitaus mehr Korsettliebhaberinnen, als Liebhaberinnen von Leder, Lack und Latex. Bei Gummi und Latex kommt hinzu, daß sie zu den Materialfetischen zählen, die sich im Alltag weniger gut ausleben lassen. Zum einem, weil sie stark sexuell konnotiert sind, deshalb auch immer die Gleichsetzung mit SM, und zum anderen einige praktische Nachteile haben. Zum einen sind sie in der Regel empfindlicher als Kleidung aus Stoff oder gar Leder, zum anderen sind sie nichts für kalte Tage, da sie faktisch nicht wärmen. Wenn es sehr warm ist, schwitzt man relativ stark darunter, vor allem, weil der Schweiß nicht so leicht verdunsten kann. Auf der einen Seite schwitze ich nur wirklich darunter, sobald es sehr warm ist, auf der anderen mag ich es durchaus, darunter zu schwitzen bis mir der Schweiß in den Strümpfen und Handschuhen steht, vorausgesetzt, es ist wiederum nicht so warm, daß einem bereits der Schweiß ausbricht, sobald man nur an Bewegung denkt. Leder ist weitaus unproblematischer im Alltag, da wird man höchstens als mehr oder weniger extravagant angesehen. Frauen, die einen Fetisch für Nylons, schicke Dessous und High-Heels und Stiefel haben, werden allenfalls als betont weiblich empfunden, also als recht ›normal‹. Fetisch ist hier immer als etwas zu sehen, daß die betreffende Person beim Tragen sexuell anspricht, beziehungsweise deren sexuelle Erregung durch das Tragen bestimmter Materialien gesteigert wird, oder gar erst möglich ist. Wobei es absolut unerheblich ist, selbst wenn jemand etwas bestimmtes tragen muß, um überhaupt sexuell agieren zu können. Wenn er oder sie ihren Spaß und ihre Erfüllung dabei findet, finde ich, geht das niemandem etwas an. Allenfalls kann es beim Partner das ästhetische Empfinden tangieren, insbesondere wenn der Partner auf Heavy Rubber steht, also am liebsten so richtig schön in dickem Gummi mit Watstiefeln und Gasmaske ›verpackt‹ ist. Allerdings sollte man dann auch überlegen, ob man sich nicht einen Partner sucht, der in diesem Bereich mit einem weitgehend kompatibel ist. Um deine Frage vorweg zu nehmen, ja, Heavy Rubber ist auch mein Ding, darum erwähne ich es ja auch. Ich habe eine ganze Sammlung mit Schläuchen, Masken und allem was dazu gehört. Selbst mein Mann, für den das alles nun wirklich nichts Neues gewesen war, hat eine Zeitlang benötigt, bis er sich daran gewöhnt hatte, daß ich es brauche, obgleich ihn meine Neigung auf eine besondere Weise fasziniert hatte. Er war darin ein typischer SMer ohne eigene Fetischneigung. Allerdings hat er es verstanden, mir bezüglich meines Fetischs manche schöne Stunde zu bereiten. Bin ich ganz in dickes Gummi verpackt mit Gasmaske und Schläuchen und dergleichen, einem Atemreduktionsstück an den Schläuchen, bin ich nicht selten für eine ganze Weile wie in einer anderen Welt und tief in mir selbst. Da vergesse ich alles um mich herum. Dann ist es gut und wichtig jemanden bei sich zu haben, der auf einen achtet, wobei es an sich ungefährlich ist, denn die Reduktionsstücke lassen immer noch mehr als genug Luft zum Atmen durch, ohne daß man Gefahr läuft, ohnmächtig zu werden, wobei ich dabei stets auf dem Bett liege, unter mir ein Laken aus dem gleichen dicken Gummi wie mein Ganzanzug. Ist man bei solchen Sachen allein, sollte immer darauf achten, daß man stets genug Luft bekommt. Wobei ich für mich festgestellt habe, daß ich bei der Atemreduktion nur dann wirklich fallen lassen kann, wenn ich jemanden in meiner Nähe weiß, auf den ich mich verlassen kann.«

»Machst du es denn auf diese Weise alleine?«

»Ja, hin und wieder, das letzte Mal vor einigen Tagen. Ich benutzte dabei ein Atemreduktionsstück mit einer derart großen Öffnung, daß ich sie im Grund gleich ganz weglassen könnte, wäre nicht die erregende Vorstellung, daß da überhaupt ein solches Stück an den Schlauch geschraubt ist. Onaniere ich in dieser Situation mit meinem leistungsfähigen Massagestab, den ich durch meinen Ganzanzug hindurch ansetze, ejakuliere ich meist ziemlich heftig. Seit dem Tod meines Mannes hatte ich ja niemanden mehr, der dabei in meiner Nähe war, insofern konnte ich auch eines der stärker reduzierenden Stücke nicht verwenden.«

»Du würdest mal wieder gerne ein solches benutzen und es würde dich freuen, wenn ich dabei wäre.«

»Ja, du würdest mir eine große Freude bereiten. Am liebsten wäre es mir, wenn du mich dabei ans Bett fesseln und mit der Hand in mich eindringen würdest, am liebsten mit einem dicken Gummihandschuh, ich weiß ja, wie geschickt zu mit den Fingern bist. Der dicke Gummihandschuh dabei vermittelt mir das Gefühl, bloßes Objekt zu sein. Und anschließend mußt du mich durchficken, aber bitte so, wie es ausschließlich für dich am schönsten ist. Auf mich darfst du keinerlei Rücksicht nehmen, zumal ich ja bereits meinen Orgasmus hatte.«

»Ich denke, das läßt sich machen.« Irgendwie war er neugierig darauf, wobei er ihr ohnehin nichts abschlagen konnte, woran ihr besonders lag.

»Du solltest es selbst einmal auf diese Weise versuchen. Ich bin überzeugt, daß dir das gefallen würde. Ich habe sogenannte Riechdildos. Sie sind innen hohl mit Löchern und werden an einen Gasmaskenschlauch geschraubt. Ich bin mir sicher, daß es dich richtig kirre macht, wenn ich diesen in meine nasse Fotze einführe und du somit mein Aroma tief in die Nase einziehen kannst. Da ich auch T-Stücke besitze, können wir sogar beide gemeinsam mein Aroma einziehen. Stelle dir vor, ich habe den Dildo in der Fotze, während du mir den Arsch fickst. Wie geil das für uns beide wäre!«

Er blickte sie von der Seite an, das Leuchten in ihren Augen verriet ihm, daß sie das wirklich einmal versuchen wollte. Ihm war das bereits einen Schritt zu weit, obschon das mit einer Frau wie ihr sicherlich seinen besonderen Reiz haben würde. Man würde sehen.

»Mir ist nicht entgangen, wie genüßlich du an meiner Fotze gerochen hast.«

»Du riechst da ja auch gut, irgendwie lieblich, wenn ich das mal so sagen darf. Ich habe ohnehin den Eindruck, daß jede Frau dort anders riecht, selbst wenn sie sich frisch gewaschen hat.«

»Es sollte verwundern, wenn alle Frauen gleich riechen würden, schließlich schmeckt ein Schwanz auch nicht bei jedem Mann gleich. Manche Männer mögen es durchaus, wenn eine Frau sich zwei Tage nicht gewaschen hat, oder wenn sie den ganzen Tag ein Latexhöschen trägt, das sie beim Pinkeln nicht auszieht, sondern es seitlich hinauslaufen läßt, oder die Nacht über eine Latexwindelhose trägt oder womöglich noch hineingepinkelt hat. Du weißt doch, wie wichtig Gerüche sind und nicht immer sind es die vermeintlichen Wohlgerüche, die besonders verlockend erscheinen.«

»Naja, ich finde, daß eine Frau, ist sie nach dem Sport so richtig schön durchgeschwitzt, besonders erregend riecht.«

»Siehst du, da hast du schon ein Beispiel. Auch Frauen mögen vom Sport durchgeschwitzte Männer, was aber wenig mit den Pheromonen zu schaffen hat, wie viele meinen, denn für die haben Menschen anders als viele Tiere gar kein Organ mehr, somit können wir die in der Form auch gar nicht wirklich wahrnehmen. Außerdem machen Stoffe, die sexuelle Paarungsbereitschaft signalisieren bei einem Lebewesen, dessen Sexualität ganzjährig ist und über das gesamte Leben reicht, ohnehin wenig Sinn. Im Normalfall, also ohne jeden Streß und ähnliche negative Einflüsse von außen und innen, ist ein Mensch permanent Paarungsbereit. Wir beide brauchen uns lediglich gegenseitig in den Schritt zu greifen, um erregt zu werden und ficken zu können. Ob es zum Fick kommt, hängt von anderen Faktoren als irgendwelche Gerüche ab, wobei die Persönlichkeit des anderen immer der ausschlaggebende Faktor ist.«

»Dem kann ich mich nur anschließend«, beeilte er sich zu versichern, obschon ihm bewußt war, daß er sich zum einen mehr als einmal mit einer Frau eingelassen hat, nur weil sie bestimmten – äußeren – Vorstellung entsprochen hatte, aber ihre Persönlichkeit bereits auf den ersten Blick nicht mit seiner harmonierte, zum anderen sich aber doch beachtlich gegen Daphne und der schönen Frau, die neben ihm ging, gewehrt hatte, nur weil sie physisch nicht seinen, sich selbst vorgeschobenen Idealvorstellung entsprachen. Vermutlich hätte er diese Selbstverleugnung noch eine geraume Weile fortgesetzt, hätte er nicht Daphne und ihre Entschlossenheit kennengelernt. Hoffentlich kam Simone nie dahinter, daß es für ihn vor noch gar nicht so langer Zeit undenkbar gewesen wäre, mit einer üppigen Frau Sex zu haben, von einer mit devoten und fetischistischen Neigungen ganz zu schweigen.

Er war längst an einem Punkt angelangt, an dem er selbst nicht mehr so recht nachvollziehen konnte, wieso er sich nicht schon früher mit üppigen oder gar dicken Frauen eingelassen hatte. Er war nicht nur in der Schule und auf der Uni einigen begegnet, deren Persönlichkeit ihn fasziniert hatte.

Marietta, die Assistentin eines seiner Professoren zum Beispiel, fiel ihm wieder ein. Er dachte zum ersten Mal seit langem wieder an sie. Mit ihr hatte er sich bestens verstanden. Durch sie verstand er zum ersten Mal, was der Begriff Seelenverwandtschaft bedeuten konnte. Es hatte ihm Freude bereitet, mit ihr über Literatur und Gott und die Welt zu diskutieren. Sie hatte einen Charme besessen, dem sich ein Mann nur schwer entziehen konnte. Auch war sie ihm gegenüber alles andere als abgeneigt gewesen. Nichtsdestoweniger hatte er verstanden, sie sich auf Distanz zu halten. Sie war ›leider‹ dick, zwar nicht klein, daher auch nicht allzu gedrungen, dennoch konnte er nicht umhin, bei ihr immer an die Protagonistin aus Maupassants Erzählung Boule de Suif (»Fettklößen« auch »Dickchen«) zu denken, wenn Marietta auch nicht ganz so rundlich war, allerdings war sie auch um einiges größer als die von Maupassant beschriebene, jedoch um einiges rundlicher als Daphne oder Simone. Hübsch und liebenswert war sie auf jeden Fall mit ihrem runden Gesicht und dem immer fröhlichen Lächeln und Auftreten. Wo sie erschien, ging im übertragenen Sinn die Sonne auf. Ihre Behendigkeit war nicht ungewöhnlich für dicke Menschen, denen im allgemeinen Trägheit und nicht Gewandtheit unterstellt wird. Sie litt in keiner Weise unter ihrem Übergewicht, sondern hatte sich damit abgefunden und verstand es, sich vorteilhafter zu kleiden, als die meisten schlanken Frauen ihrer Umgebung. Zum ersten Mal, nach all den Jahren, bedauerte er, sich seinerzeit nicht auch sexuell mit ihr eingelassen zu haben. Sie hatte nie einen Hehl daraus gemacht, daß sie gerne Sex hatte und diesen nur zu gerne auch mit ihm gehabt hätte. Sie hatte ihm ungeniert Photos von sich in verführerischen Dessous gezeigt, die ihm eigentlich Lust hätten machen müssen. Er redete sich vor sich selbst damit heraus, daß er mit einer dicken Frau und sei sie auch so attraktiv wie Marietta, einfach nicht konnte. Jedenfalls muß Mariettas Sexualleben lebendiger gewesen sein, als das vieler Kommilitoninnen. Für eine Zeitlang ging sogar das Gerücht um, daß beide miteinander liiert wären, was bei der Häufigkeit, mit der sie sich sahen und die angeregten Gespräche, die sie miteinander führten, nicht verwunderlich war. Wer weiß, vielleicht hätte sich manches anders entwickelt, wäre er damals mit ihr eine Beziehung eingegangen, vielleicht wären sie sogar heute noch ein Paar.

»Hast du die Regenjacke schon einmal beim Sex getragen?« Ihr Fetischismus faszinierte ihn, je mehr sie darüber sprach, bisher mehr als ihr Sadomasochismus und er wollte unbedingt mehr darüber wissen.

»Wenn du damit meinst, ob ich darin bereits onaniert habe, dann ja. Sex mit einem Mann hatte ich darin noch nicht. Ich habe sie, wie auch den langen Mantel und den Wickelmantel erst vor etwas mehr als einem Jahr in einem Online-Shop entdeckt.«

»Ich würde dich gerne in der Regenjacke sehen, wenn du darunter nackt bist.«

»Du bist mein Dom und daher bestimmst du auch, was ich trage, wenn du deine sexuellen Bedürfnisse an mir befriedigst, und wenn ich an gestern denke, täusche ich mich sicherlich nicht darin, daß du eine ebenso starke Libido besitzt wie ich.«

Obschon es ein Kompliment war, konnte er nicht verhindern, daß er leicht errötete. Er war sich stets bewußt gewesen, daß er eine relativ starke Libido besaß, allerdings war sie ihm aus einem, für ihn nicht nachvollziehbarem Grund, immer ein wenig peinlich gewesen.

Simone schien sich überhaupt in seinen Augen seit gestern verändert zu haben, dabei hatte sie nur ihre Vorsicht abgelegt, um ihn nicht zu verschrecken. Da sie seiner nun weitgehend sicher sein konnte, konnte sie so sein, wie sie war.

»Du bist ja auch eine Frau, bei der das von allein entsteht.«

»Wie gut, daß ich Gummistiefel trage, so wie du dich bei mir einschleimst«, erwiderte sie mit warmer Ironie, die ihm bei ihr ein wenig ungewohnt war und ihm seine Äußerung peinlich werden ließ.

»Nicht, daß es mir nicht gefällt, Komplimente von dir zu hören, aber sie sollten doch einigermaßen den Tatsachen entsprechen. Zu deinen Gunsten – und so wie dich bisher kennengelernt habe – sagst du es, weil es dir aus irgendeinem Grund unangenehm ist zu hören, daß du einen starken Sexualtrieb besitzt.« An dieser Stelle wäre er beinahe erneut errötet, diesmal, weil sie ihn so leicht durchschaut hatte. »Vielleicht bist du in dem Glauben aufgewachsen, daß es einen ›normalen‹ gibt. Es mag einen durchschnittlichen geben, wenn man die statistische Häufigkeit als Basis nimmt, etwas anderes läßt sich einigermaßen seriös auch gar nicht als Bewertungsrichtlinie zugrunde legen, aber keinen ›normalen‹. Für einen jeden bedeutet ›normal‹ in diesem Kontext etwas anderes. Meine sexuelle Lust liegt auch über dem Durchschnitt, wie auch meine sexuellen Neigungen deutlich abseits vom Durchschnitt liegen. Weil ich schon immer dazu gestanden habe, habe ich auch eine andere Sicht auf die Dinge als der Durchschnitt, was dir sicher nicht entgangen sein dürfte und was dich ja auch nicht stört, da deine Neigungen schließlich auch vom Durchschnitt abweichen. – Himmel, jetzt habe ich dir an diesem schönen Tag eine Standpauke gehalten, was für eine brave Sub nicht so wirklich schicklich ist.«

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