Kurzes #105 – Ein sonntäglicher Regenspaziergang

von
Armin A. Alexander

Die Fortsetzung von: Der Einzug, Die ›Schöne Künstlerin‹, Der schöne Jüngling, Bettina, Ein Wochenende mit Bettina, Begegnung im Mondschein, Die ›Schöne Üppige‹, Viviane, Erinnerungen an Swaantje und Eine Session mit Viviane

 

Am frühen Morgen erwachte er, ohne sogleich wieder einschlafen zu können. Er warf einen Blick neben sich. Viviane schlief tief und fest, halb auf der Seite, die Beine leicht angewinkelt, den rechten Arm auf seiner nackten Brust. Sie war das einzige, was in diesem Moment für ihn real war, abgesehen von diesem Zimmer. Ihr gemeinsamer Sex vom zurückliegenden Abend war sehr ausgiebig gewesen. Ihm schmerzten derzeit die Hoden mehr als sein Hintern. Ansonsten verlor sich alles im Nebel von Imagination. Er befand sich in einer merkwürdigen, beinahe elysischen Stimmung. Das Handtuch, auf dem er zur Schonung des Lakens lag, zierte einige blasse Blutflecke.

Draußen war es noch still. Es war der Augenblick vor der eigentlichen Morgendämmerung. Jeden Augenblick konnten die ersten Vögel mit ihrem Konzert beginnen. Zu keinem Zeitpunkt des Tages war es so still wie jetzt.

Viviane grunzte zufrieden im Schlaf, streckte das rechte Bein aus, als setze sie zu einem kräftigen Tritt an, den sie irgend jemanden versetzen wollte. Dann lag sie wieder still.

Im Osten dämmerte es. Fahles Licht drang bereits ins Schlafzimmer, das schon mehr als nur Konturen erkennen ließ. Viviane schnurrte wie eine zufriedene Katze. Ihre Haare bedeckten einen Teil ihres Gesichts, das auch ungeschminkt nichts von seiner Schönheit verlor. Sie hatte eine Strähne im Mundwinkel und wie üblich die Decke von den Unterschenkeln gestreift.

Dieser nur wenige Minuten dauernde Moment der absoluten Stille vor der Dämmerung, des tiefen Atemholens, um den neu anbrechenden Tag würdig zu begrüßen, war vorbei. Die ersten Vogelstimmen erschollen vereinzelt noch, doch bald gesellten sich weitere Sänger hinzu. Mit ihnen verschwand auch sein Gefühl von einem Nebel der Imagination umfangen zu sein.

Durch das leicht geöffnete Fenster drang ein leichter Luftzug und blähte kurz die Gardine auf.

Da er so schnell nicht wieder einzuschlafen würde und die schöne Schläferin neben sich nicht mit seinem Wachsein stören wollte, nahm er vorsichtig ihren Arm von sich und stand so behutsam auf, als befürchtete er schlimmste Folgen durch eine unachtsame Bewegung. Viviane, die eigentlich einen tiefen Schlaf hatte, schnaufte lediglich kurz – was mochte sie wohl träumen? –, er verließ das Schlafzimmer auf leisen Sohlen.

Nach einem kurzen Abstecher ins Bad, einen Blick in den Spiegel, um seinen Hintern zu prüfen, der bereits in allen Farben des Regenbogens schillerte, aber keine blutigen Striemen mehr zeigten, ging er hinunter ins Wohnzimmer.

Ein Nachtfalter flatterte aufgeregt unterhalb der Decke vor der gekippten Terrassentür. Er mußte zwar den Weg durch den schmalen Spalt gefunden haben, aber fand ihn jetzt nicht mehr zurück nach draußen. Noch war es dunkel genug für ihn, den Weg zu einem Ruheplatz zu finden.

Er zog die Gardine zurück und öffnete die Terrassentür.

»Na, los, ab in die Freiheit«, rief er ihm leise zu.

Der Nachtfalter verharrte einen Augenblick, es schien ihm, als wolle er ihm still dafür danken, daß er ihm den Weg in die Freiheit geebnet hatte, und verschwand durch die offene Terrassentür in der Morgendämmerung.

Er schloß sie nicht sogleich, sondern trat hinaus. Die Platten fühlten sich kühl und ein wenig feucht unter den nackten Füßen an. Das morgendliche Konzert der Vögel war im vollen Gange. Einige mußten im Wipfel des Baumes vor der Terrasse sein, doch konnte er sie durch das Dämmerlicht und das dichte Laub hindurch nicht entdecken. Es war fast windstill. Die fortschreitende Dämmerung ließ immer mehr Details zwischen den Konturen erkennen. Es war nicht sehr warm, aber für einige Minuten konnte man es ohne Kleidung aushalten. Tief atmete er die frische wohlriechende Morgenluft ein, in die sich das Aroma der Pflanzen so intensiv mischte wie nur um diese Zeit des Tages und zu dieser Jahreszeit. Nur wenig von ihm entfernt flog ein Vogel dicht über dem Rasen, um dann steil aufzusteigen und im Geäst eines Baumes zu verschwinden. In der Ferne zogen Regenwolken auf. Er bekam Lust auf einen Regenspaziergang in Latex und Gummistiefel mit Viviane. Ihr war es gelungen, in ihm die Freude wiederzuerwecken, die er dabei stets mit Swaantje empfunden hatte. Für einen Moment überlegte er, ob er nicht ein paar Schritte hinaus in den Garten gehen sollte. Die frische Luft tat seinem geschundenen Hintern gut.

»Ach, hier bist du«, hörte er Viviane verschlafen und erleichtert hinter sich.

Er hatte sie nicht kommen gehört.

Er wandte sich um. Sie stand im Türrahmen, sah verschlafen aus, das schöne Haar struppig, aber nichtsdestoweniger begehrenswert. Sie hatte ihren Kleppermantel übergezogen.

»Ich habe dich vermißt«, fügte sie mit einem Augenaufschlag hinzu, der ihn ein wenig an ein kleines Mädchen erinnerte, was diametral entgegen der unbarmherzigen Domina stand, als die sie sich ihm vor wenigen Stunden gezeigt hatte.

Das war für ihn eines der schönsten Komplimente, das sie ihm machen konnte. Sie ging zu ihm und lehnte sich zärtlich an ihn. Er legte einen Arm um ihre Taille. Es gefiel ihm, ihren bettwarmen Körper durch den leichten gummierten Stoff des Kleppermantels hindurch an seinem zu spüren. Als Folge bekam er sogleich eine Erektion.

»Ich bin immer noch erstaunt, wieviel du aushalten kannst. Das hätte ich nicht von dir gedacht. Ich war gestern mehrfach überzeugt, daß du abbrechen würdest. Mancher Mann, der sich mir gegenüber als Extrem-Maso ausgegeben hat, hat nicht annähernd soviel einstecken können wie du und nur wenige haben soviel geschafft oder sogar noch etwas mehr.«

»Ich hätte vermutlich noch mehr ausgehalten. Das liegt aber nur an dir.«

»Das wäre von meiner Seite nur noch grausam gewesen. Es geht nicht um höher, schneller, weiter, das weißt du mindestens so gut wie ich. Weil ich gespürt habe, daß du noch mehr ausgehalten hättest, habe ich aufgehört.«

»Ich habe nicht abgebrochen, da ich dir vertraue.«

Als Antwort gab sie ihm einen liebevollen Kuß auf die Wange.

»Hättest du mir in den Mund geschissen, ich hätte es geschluckt, selbst wenn mir dabei speiübel geworden wäre«, flüsterte er ihr kaum wahrnehmbar ins Ohr, worauf er einen weiteren Kuß dieser Art erhielt, was ihn unsagbar glücklich machte.

Nur an einem frühen Sommermorgen ließen sich solche Dinge sagen, ohne daß sie allzu manieriert wirkten.

Sie hatten den Kopf auf seine Schulter gelegt. Eine Weile sahen sie schweigend in den Garten hinaus.

Er spürte ihre Rechte an seinem Steifen.

»Nenne mich schwanzfixiert, aber ich halte deinen einfach zu gerne in der Hand.«

Er nickte, das war nun wirklich nichts Neues von ihr. Allerdings spürte er nur zu gerne die Hand einer Frau dort.

»Ich bin zwar alles andere als ein Frühaufsteher, aber der frühe Morgen hat gerade um diese Jahreszeit seinen besonderen Reiz«, sagte sie, als spräche sie mehr zu sich selbst.

Sie löste sich aus seiner Umarmung und ging einige Schritte in den Garten hinaus. Wie Eva im Paradies, dachte er spontan, eine barocke Eva im leichten Kleppermantel, somit das gummifetischistische Ideal einer Eva. Sie blieb einige Schritte von der Terrasse entfernt mitten auf dem taufeuchten Rasen stehen, sah ihn an und breitete die Arme aus. Sie wirkte gar nicht mehr müde.

»Weißt du wozu ich jetzt Lust hätte«, fragte sie lachend.

Er ging zum Rand der Terrasse und schüttelte den Kopf, wenngleich er sich vorstellen konnte, was sie sagen würde, schließlich kannte er sie lang genug.

»Jetzt, hier, mitten im Garten auf dem taufeuchten Rasen zu vögeln, zumal ich dir für deinen arg geschundenen Arsch noch jede Menge Sex schulde«, sagte sie, was bei ihr eine Ankündigung und keine Wunschäußerung war.

Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern lief auf ihn zu, nahm ihn an der Hand und zog ihn ein gutes Stück mit sich in den Garten hinaus.

Als sie wieder im Bett lagen, war es zwar noch früher Morgen, aber schon taghell. Trotz spontaner Erektion hatte er sich nicht mehr zu einem Orgasmus imstande gefühlt, dafür ihr einen bereitet. Sie hatte sich zufrieden und dicht an ihn gekuschelt und war fast unmittelbar darauf eingeschlafen. Ihm muß es nicht anders ergangen sein, denn als er wieder erwachte, war es später Vormittag und der Regen rauschte nieder. Die Gardine wehte leicht vorm offenen Fenster und der Raum war fast vollständig vom Duft frischfallenden Sommerregens erfüllt. Die schöne Schläferin an seiner Seite erwachte langsam, blinzelte kurz, orientierte sich erstaunlich schnell und meinte dann:

»Sommerregen macht mich immer so sinnlich.« Dabei räkelte sie sich derart lasziv, daß er nicht einen Augenblick an ihren Worten zweifelte. »Ob wir es mal draußen im Regen machen sollten, ohne Regenmantel, Latex und Gummistiefel?«

»Du bist wirklich dauergeil«, meinte er zärtlich lachend.

»Das sagt der richtige. Du würdest doch am liebsten den ganzen lieben langen Tag mit einer schönen dicken Frau vögeln, hättest du die Gelegenheit dazu«, erwiderte sie ebenso liebevoll. »Früher hast du öfter meine schöne Dicke zu mir gesagt.«

»Habe ich das?«

»Ja, hast du.«

»Du bist ja auch eine wunderschöne dicke Frau.«

»Danke. Ich mag aber auch jedes Kilo an mir.«

»Mich erregt auch jedes Kilo sexuell stark an dir.«

»Ich bin zwar geil, aber ich fühle mich ein wenig wund an der rechten Schamlippe. Wir sollten erst mal duschen und frühstücken. Mein Magen hat sich gerade gemeldet. Anschließend machen wir einen Spaziergang im Regen. Im Gummimantel, Latex und Gummistiefel ist Sex im Regen doch schöner. Du ziehst deine Watstiefel an, in denen du übrigens sehr sexy aussiehst. Wie ein ›richtiger‹ Gummifetischist eben. Da macht mich geil.«

Es wurde ein opulentes Frühstück, das zugleich nicht nur zeitlich das Mittagessen vorwegnahm.

»So ein verregneter Sonntag im Sommer besitzt seinen besonderen Reiz. Es ist, als würde die Zeit stillstehen oder nur zäh dahin fließen. Alles scheint zu erlahmen. Niemand scheint sich hinauszutrauen, der nicht muß.«

»Ich habe dich selten in derart poetischer Anwandlung erlebt«, sagte er ohne jede Ironie.

»Manchmal überkommt es auch mich. Wenn wir zu Ende gefrühstückt haben, gehen wir spazieren. Ich habe Lust einen langen Spaziergang zu machen. Vielleicht ohne daß wir unterwegs vögeln. Ich muß Dir sagen, daß ich mich an der rechten Schamlippe doch wunder fühle, als ich gedacht habe. Wir hätten heute früh nicht noch einmal vögeln sollen. Du bist ja auch nicht mehr gekommen. Ich habe es erst nach meinem Orgasmus wirklich bemerkt. Es ist aber auch gleich. Es war sehr schön und intensiv gestern. So wie dein Hintern Ruhe braucht, so brauchen unsere Geschlechtsteile auch einmal etwas Ruhe.«

»Ich habe auch ein leicht ziehendes Gefühl bei der Eichel und der Vorhaut«, gab er ehrlich zu.«

Eine halbe Stunde später verließen sie das Haus. Sie trugen Latex unter ihren Regenmänteln und er seine Watstiefel.

»Deine lange englische Regenjacke sieht chic aus, ich kann es nur immer wieder betonen. Ich frage mich, warum du sie im Schrank gelassen hast, seit du nicht mehr mit Swaantje zusammen bist. Vergleichbares gilt für alle deine Latexsachen. Mir kam die Tage der Gedanke, daß du selbst eine offene Leidenschaft für Latex gepflegt hast, als du mit ihr zusammen warst. Aber auch Birgit hatte eine Zeitlang einen dementsprechenden Einfluß auf dich, wie ich mich noch gut erinnern kann, als du sie regelmäßig auf Parties begleitet hast und eine Zeitlang habt ihr ja auch miteinander gevögelt.«

»Gevögelt im eigentlichen Sinn haben wir nie. Wir haben eine Zeitlang gemeinsam in Latex onaniert und uns gegenseitig mit der Hand befriedigt, was ihr mehr Spaß macht, als vögeln an sich.«

»Jetzt lasse mal die Sophisterei. Das erinnert an jenen amerikanischen Präsidenten mit der berühmtesten aller Praktikantinnen, nachdem oraler Sex kein Fremdgehen ist. Oder der besonders früher beliebte Analkoitus zwischen Unverheirateten, weil die Frau ja so Jungfrau blieb. Ich weiß, daß es für Birgit am schönsten ist, wenn sie mit gummibehandschuhten Händen zum Höhepunkt gebracht wird und am liebsten einen Mann mit gummibehandschuhten Händen zum Höhepunkt bringt, wie sie auch eine begeisterte Spermaschluckerin ist. Für mich und viele andere Frauen ist es halt sehr schön, hin und wieder einen Schwanz in sich zu haben und den Mann, wenn möglich in sich kommen zu lassen.«

»Ist ja schon gut«, bremste er sie lachend. »Du hast ja recht. Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt.«

»Das halte ich dir mal zugute, aber dennoch differenzierst du unterschwellig.«

»So Unrecht hast du damit nicht, wenngleich für mich in gewisser Weise Vögeln ein Synonym für Koitus und Geschlechtsverkehr ist.«

»Vögeln ist aber grundsätzlich ein Synonym für Sex haben und Sex ist ja weitaus mehr als ›nur‹ Geschlechtsverkehr. ›Ficken‹ und ›bumsen‹ sind Synonyme für Koitus, allein schon lautmalerisch«, beharrte sie schulmeisterlich.

Er seufzte, da brach bei ihr die promovierte Germanistin vollständig durch, was in Verbindung mit ihrer dominanten Neigung gelegentlich zu der Erbsenzählerei führte, die sie anderen gerne vorwarf.

»Manchmal onanieren Birgit und ich heute noch gemeinsam«, bemühte er sich, zum eigentlichen Thema zurückzukehren.

»Ja?« war sie sogleich interessiert.

Er grinste in sich hinein. Sie redete nun einmal sehr gerne über Sex, so daß sie den richtigen Gebrauch der Synonyme für sexuelle Handlungen durchzuführen schnell vergaß.

»Hin und wieder wenn wir miteinander telefonieren, fragt sie mich, ob ich immer noch so gerne beim Onanieren Gummihandschuhe trage. Du weißt ja, daß ich seinerzeit gesagt habe, daß ich sie am liebsten dabei trage. Zum einem hat sie mir gerne dabei zugesehen, zum anderen mußte ich ihr oft Fotos schicken, auf denen zu sehen ist, wie ich mit Gummihandschuhen onaniere. Sie hat mir natürlich auch Fotos von sich beim Onanieren geschickt. Es bereitet ihr Lust, daß andere beim Anblick ihrer Fotos onanieren.«

»Und? Trägst noch immer Gummihandschuhe beim Onanieren?«

»Hin und wieder.«

»Schickst du auch noch Fotos davon?«

»Hin und wieder.«

»Da fällt mir ein, warum hast du mir noch nie solche Fotos von dir geschickt?«

»Weil du nicht danach gefragt hast.«

Und weil ich nicht wußte, ob es dir recht ist, wenn du nichts von dir hören läßt und dich in einer glücklichen Beziehung glaubst, fügte er in Gedanken hinzu.

»Stimmt auch wieder. Eine dominante Frau wünscht eigentlich keine unaufgeforderten Onaniefotos zugesendet zu bekommen.«

»Eben darum habe ich es unterlassen.«

»Dann fordere ich dich hiermit auf, mir in Zukunft welche zu schicken.«

»Ja, meine schöne dicke Herrin.«

Er erhielt einen freundschaftlichen aber dennoch schmerzhaften Knuff in die Seite. Außerhalb ihrer Sessions mochte sie es überhaupt nicht, eine unterwürfige Antwort zu erhalten. Er nahm den Knuff mit stoischem Gleichmut hin.

»Du hast mit Birgit tatsächlich nie gevögelt?« Es klang sehr ungläubig.

»Ich bin nie mit dem Schwanz in sie eingedrungen, weder vaginal noch anal. Es ist überhaupt nicht so ihr Ding, nicht nur bei mir ist das so.«

»Interessant«, meinte sie ein wenig geistesabwesend.

Sie hatten den Waldrand erreicht. Die bereits abgeernteten Felder wirkten vor dem Hintergrund des intensiv fallenden Regens und den tief grauen Himmels ein wenig trostlos. Sie gingen einige Schritten schweigend in den Wald hinein.

»Ich bemerke immer wieder, wie wichtig mir ein klassischer Koitus doch ist, und wie ungewöhnlich es mir erscheint, wenn jemand viel lieber auf andere Weise zum Orgasmus kommt oder gebracht werden will. Ich hatte schon Spielpartner, die lieber onanierten oder sich von einer Frau mit der Hand, am liebsten ihrer Domse zum Höhepunkt bringen ließen oder auf ihren Befehl onanieren. Dabei empfinde ich solches Verhalten als gar nicht so ungewöhnlich und unangenehm. Du weißt ja, daß ich nur sehr selten mit einem Spielpartner Geschlechtsverkehr habe. Allenfalls darf er mir seine Leckkünste demonstrieren, wenn ich bei der Session selbst zu geil geworden bin. Da bin ich ganz klassische Domina.«

»Das ehrt mich, daß ich bei dir mehr darf.«

Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. Die Gefahr, daß sie ihn falsch verstand, war einfach zu groß.

»Du bist schließlich mehr als eine Spielbeziehung für mich. Du bist im Grunde meine beste Freundin. Wenn wir beide miteinander spielen, ist das etwas ganz anderes. Du bist auch der einzige Mann, der mich grundsätzlich ohne Kondom vögeln darf. Selbst meinen Beziehungen erlaube ich das erst nach einer bestimmten Zeit, wenn ich mir ihrer sicher sein kann.«

Er seufzte innerlich erleichtert auf, sie hatte es als das Fischen nach Komplimenten interpretiert.

»Ich habe den klassischen Koitus bei Birgit überhaupt nicht vermißt, wenngleich ich auch gerne in einer Frau bin.«

»Ich kenne dich nun schon sehr lange, fast solange wie dich Bettina kennt, wenn auch noch nicht solange wie Saskia, und weiß daher, daß du auf Grund deiner devoten Neigungen, deine Bedürfnisse stark nach deiner Partnerin ausrichtest, du schließlich deine Lust daraus ziehst. Darum warst du bei Swaantje auch so begeistert von Latex und gefällt dir bei Birgit das gegenseitige Befriedigen mit den Händen, während du bei mir am liebsten den ganzen Tag deinen Schwanz in mir hättest.«

»Wenn ich es recht bedenke, hast du recht.«

»Wäre Swaantje dominant, ich bin mir sicher, ihr wäret noch zusammen. Du stehst schließlich auf den schönen bäuerlichen Typ mit breiten Hüften und üppigem Busen.«

»Das ist mir klar. Ich war einfach unzufrieden darüber, daß wir zwar wundervollen Sex in Latex und Gummi hatten, aber es ihr unmöglich war, mich zu dominieren. Da wurde mir erst bewußt, wie wichtig es mir ist, eine Beziehung zu einer dominanten Frau zu haben.«

»Du brauchst letztlich eine dominante Gummifetischistin.«

»Vermutlich, aber wie kommst du darauf?«

»Zum einen auf Grund der Art und Weise, wie du über ihren Fetischismus gesprochen hast, wie du von dem Fetischismus deiner Nachbarin gesprochen hast, die ich übrigens noch gar nicht so recht zu sehen bekommen habe, seit ich hier bin, wenngleich es nicht so aussieht, als wäre sie wieder verreist. Allerdings habe ich bisher auch nicht daran gedacht, von deinem Arbeitszimmer aus zu ihr hinüberzusehen. Was aber auch nicht wichtig ist. Dann wieviel Spaß es dir bereitet hat, als Bettina kürzlich übers Wochenende bei dir war, ihr die Fetischparty besucht und das ganze Wochenende praktisch in Latex verbracht habt. Ich konnte selbst beobachten, wie sehr es dich sexuell erregt, Latex zu tragen und wie du mich anschaust, wenn ich ab und an einmal Latex trage, so wie jetzt unter meinen Sachen. Oder wie schnell du heute Morgen einen Ständer bekommen hast, nachdem ich mich in meinem Kleppermantel an dich geschmiegt habe. So schnell bekommst du keinen, wenn ich mich nackt an dich schmiege. Du magst selbst keinen Unterschied fühlen, aber du vögelst mich auf eine andere Weise, sobald ich Latex oder meinen Kleppermantel trage, als würde es dich aufputschen. Eine Frau fühlt das gleich. Ich bin sicher, Bettina würde es unterschreiben.«

Ihre Aussage war nicht von der Hand zu weisen, in der Tat hatte er Bettina auf andere Weise begehrt, während sie Latex getragen hatte.

»Warum lasse ich meine Latexsachen dann solange im Schrank und habe kein Bedürfnis danach, wenn eine Frau nicht von sich aus Latex dabei tragen will«, war ihm ihre Offenlegung nicht wirklich angenehm, zumal er sich in keiner Weise als Fetischist sah, wenn er ihre Beobachtung auch nicht wirklich widerlegen konnte.

»Das habe ich, glaube ich, vorhin bereits gesagt, weil es von deiner Partnerin abhängig ist, wohin das Pendel bei dir ausschlägt. Wohl auch, weil du mit einer Gummifetischistin eine sehr schöne Zeit verbracht hast und dich Latex, würdest du es für dich allein tragen, dich nur wehmütig daran erinnern und dir den Spaß daran verderben könnte. Du bist schließlich ein unglaublicher Romantiker und sehr einfühlsam. Andernfalls hättest du nicht so viele Freundinnen. Mit Freundin meine ich jetzt keine oberflächliche Geliebte, sondern Freundschaften, bei denen hin und wieder auch Sex eine Rolle spielt. Freundschaften mit Bonus, wie man so schön sagt.«

Er seufzte tief. Sie lag trotz alledem weitgehend richtig.

»Was rätst du?«

»Abgesehen davon zu versuchen, eine dominante Gummifetischistin zu finden? Hin und wieder nur für dich Latex anzuziehen und es dir vielleicht für dich allein darin schön zu machen, schließlich onanieren wir alle wahnsinnig gerne. Andere können das auch, ohne gleich an eine Verflossene zu denken. Wenn du dich dabei unbedingt an eine Frau erinnern willst, erinnere dich doch an Bettina, mit der du ein lustvolles Wochenende darin verbracht hast, oder an mich, oder an Birgit. – Laß uns einen Moment auf die Bank dort setzen.«

Sie saßen eine Zeitlang schweigend nebeneinander, den strömenden Regen, das Prasseln auf ihren Kapuzen zu genießen.

Viviane hatte ihm einiges zum Nachdenken gegeben, wenngleich manches ihm bereits bewußt und er zu einer vergleichbaren Erkenntnis gekommen war. Aber er konnte ihr nicht sagen, daß sie die Frau war, mit der er am liebsten all das hätte, wenn er auch die Trennung von Swaantje mittlerweile mehr bedauerte als von Caroline. Die Beziehung mit Caroline hatte letztlich ihr ›natürliches‹ Ende gefunden.

So treffend Viviane die Situation anderer erkannte und durchaus sinnvolle Ratschläge erteilen konnte, so wenig gelang es ihr, in ihrem eigenen Leben konsequent zu sein.

»Deine Geschichte, in der du über Gummifetischismus schreiben wolltest, worum geht es da? Du hast dich nie über den Inhalt geäußert. Ich das kürzlich angesprochen, aber wir waren wie üblich schnell abgeschweift.«

»Ich dachte, das hätte ich«, war er froh, daß sie zu einem weniger persönlichen Thema wechselte.

»Nein, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.«

»Ich weiß nicht einmal, ob ich überhaupt jemandem mehr als daß ich eine solche in Planung habe, erzählt habe. Ich bin letztlich nie über einen groben Entwurf hinausgekommen. Mir ist einfach nichts eingefallen, was über eine rein erotische Erzählung hinausging oder mehr oder weniger ein reiner Essay zum Thema wäre.«

»Bezüglich SM hattest du nie diese Probleme.«

»Irgendwie bietet SM andere Anknüpfungspunkte.«

»Auch Gummifetischismus bietet diese Anknüpfungspunkte, vor allem weil er die harmloseste sexuelle Neigung ist, die man sich überhaupt vorstellen, was für den sexuellen Fetischismus generell gilt, in meinen Augen noch harmloser als SM.«

»Wenn meine jetzige Erzählung abgabereif ist, kann ich mich wieder daran versuchen.«

»Freut mich, aber ich weiß immer noch nicht, worum es in dem Entwurf geht.«

»Um eine hübsche Biologin, die zwar nicht Vögel, sondern andere Wassertiere, Fischotter, Biber und so erforscht und daher in der Regel in Watstiefel und Wathosen –«

»Also Swaantje als Vorbild«, fiel ihm Viviane lachend ins Wort.

»Das ist auch der Grund, warum ich das bisher nicht weiterverfolgt habe. Die Biologin hat zuviel Ähnlichkeit mit Swaantje und ich weiß nicht, ob Swaantje das recht wäre. Abgesehen davon trägt meine Biologin ebenso gerne aus Spaß ihre Watstiefel und ihre Wathosen und stimuliert sich mit einem Massagestab durch ihre Wathosen hindurch, wie sie auch gerne Latex an sich trägt. Für sie ist das derart selbstverständlich, daß sie keinen Augenblick daran denkt, daß sie Fetischistin ist, bis sie einem Gummifetischisten durch Zufall begegnet. Sie genügt sich selbst, sie geht ganz in ihrer Arbeit auf, hat selten Sex mit einem Mann, fast immer sind es flüchtige Bekanntschaften, bei denen sie aber nicht auf den Gedanken verfällt, ihre Vorliebe für Gummi vorzubringen.«

»Hast du nicht vor fünfzehn Jahren eine ähnliche Erzählung über eine Frau, die Fesselspiele und leichte Schläge liebt und einen SMer kennenlernt, verfaßt? Sie sagt, sie könne ja gar nichts mit SM anfangen und ist sehr erstaunt, als der Mann ihr sagt, daß sich fesseln lassen und ein kräftiger Klaps auf den Po beim Sex bereits SM ist, und sie dabei wie aus allen Wolken fällt.«

»Ja, so ähnlich dachte ich auch die Fetischismus-Geschichte anzulegen.«

»Ich finde, du solltest mindestens versuchen, diese Geschichte zu schreiben. Vielleicht suchst du für deine Protagonistin einen anderen Beruf. Sie kann ja eine Fischzucht betreiben, die sie von ihrem Vater übernommen hat. Da ist es auch nicht ungewöhnlich Wathosen zu tragen. Sie könnte von ihrem Vater schon als Kind als zukünftige Firmenerbin in die Arbeit eingespannt worden sein und somit mit Wathosen und Watstiefel in Kontakt gekommen sein und eine erotische Beziehung dazu aufgebaut haben. Birgits Erfahrung durch ihren angelnden Vater könnte dir als Basis dienen, zumal sie gerne davon spricht, wie sie über Watstiefel ihre Vorliebe für Gummi an sich entdeckte. Meines Erachtens kann gar nicht genug betont werden, wie harmlos und im besten Sinn unschuldig Gummifetischismus, sexueller Fetischismus überhaupt ist. Vielleicht baust du auch die Vorurteile ein, die manche Menschen noch besitzen, in dem du sie an einen Mann mit diesen Vorurteilen ›geraten‹ läßt. Nicht wenige von uns durften sich schon von potentiellen Partner anhören, daß wir ›krank‹ seien. Das könnte sie zu der Erkenntnis bringen, wie wichtig es ist, sich einen Partner mit gleichen Interessen zu suchen, über Vorurteile überhaupt nachzudenken und wer die eigentlichen Probleme hat. Lasse sie ruhig diese Erfahrungen mit zwanzig machen. Lasse sie zuvor mit einem netten Jungen vögeln, dem ihr Fetischismus nichts ausmacht, so daß sie die Harmlosigkeit ihrer Vorliebe noch stärker verinnerlicht. Wenn es dir gefällt, kann sie äußerlich ja Swaantje ähnlich sehen, zumal ein bäuerlicher Typ gut zu ihrer Umgebung paßt.«

»Das stimmt, warum habe ich nicht gleich daran gedacht.«

»Weil du vermutlich, als du den Entwurf erstellt hast, noch zu sehr deiner Swaantje nachgetrauert hast.«

Wie recht sie doch mit ihrer Aussage hatte.

 

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