Kurzes #107 – Die ›Aufforderung‹

von
Armin A. Alexander

Die Fortsetzung und das Ende von: Der Einzug, Die ›Schöne Künstlerin‹, Der schöne Jüngling, Bettina, Ein Wochenende mit Bettina, Begegnung im Mondschein, Die ›Schöne Üppige‹, Viviane, Erinnerungen an Swaantje, Eine Session mit Viviane, Ein sonntäglicher Regenspaziergang und Wieder allein

 

Der große Umschlag ohne Absender, nur mit seinem Namen in Druckbuchstaben, wenn auch in geschickter Typographie, erregte sofort seine Aufmerksamkeit. Nach dem Öffnen war er mehr als überrascht, als eine Rötelzeichnung zum Vorschein kam. Es war nicht die meisterliche Zeichnung an sich, die ihn so erstaunte, es war das, was sie zeigte; ihn am Fenster seines Arbeitszimmers stehend und hinaussehend. Er konnte den Grund nicht benennen, aber für einen kurzen Augenblick hatte er Maria als Absender im Verdacht. Doch noch im selben Moment verwarf er diese Vermutung als abwegig. Er kannte Marias Stil bestens. Ihre Strichführung war fast weich, doch nicht weniger ausdrucksstark. Diese Zeichnung war in einem ganz anderen gehalten; kraftvoll, sicher. Mit wenigen Strich hatte es der Künstler verstanden, das Wesentliche zu erfassen. Ganz abgesehen von der Signatur, ›JT‹, beide Buchstaben ineinanderverschlungen. Maria dagegen signierte mit einem einfachen nüchternen ›M‹ ohne jeden Schnörkel.

Am unteren Rand war ein Datum vermerkt und einige Worte in einer kraftvollen, schön geschwungenen Handschrift geschrieben. Das Datum war jenes, an dem er das erste Mal zu der ›Schönen Künstlerin‹ hinübergesehen hatte, wie sie sich auf das Geländer vor ihrem Schlafzimmerfenster stützte und scheinbar verträumt in den Garten hinuntersah.

Ich erwarte Dich ausschließlich in Deiner schicken Latexjeans und einem Latex-Shirt.

Er mußte die Worte mehrmals lesen, ehe ihm bewußt wurde, daß nur eine Person, allein auf Grund Perspektive, diese Zeichnung angefertigt haben konnte; die ›Schöne Künstlerin‹. Demnach hatte sie ihn gesehen. Sie muß demnach von Anfang an gewußt haben, daß er sie beobachtete, ebenso wie er ihr beim Liebesspiel mit dem schönen Jüngling oder der ›Schönen Üppigen‹ zugesehen hatte.

Schuldgefühle nahmen von ihm Besitz. Die Handflächen wurden ihm feucht und die Hände zitterten leicht. Er fühlte sich wie ein ertappter Bösewicht, der sich stets unbeobachtet geglaubt hatte und nun seinen fatalen Irrtum erkennen mußte.

Er mußte sich setzten. Er legte die Zeichnung auf den Schreibtisch. Er sah durch das halboffene Fenster auf die Villa gegenüber. Herbstlaub wehte von den Bäumen herab.

Dort waren in Anbetracht des schönen Herbsttages alle Fenster wie auch die Terrassentür geöffnet. Die Gardinen spielten im Wind. Doch nirgends zeigte sich seine Nachbarin, was ihm im Augenblick ganz recht war.

Der erste Schock legte sich und er las erneut die kurze Botschaft. »Ich erwartete Dich ausschließlich in Deiner schicken Latexjeans und einem Latex-Shirt« klang wenig nach der Absicht einem die Leviten zu lesen, zu tun, zumindest nicht wie es gewöhnlich verstanden wird.

Sich selbst einen Hasenfuß schimpfend, weil mal wieder die Phantasie mit ihm durchgegangen war, als Folge einer Überraschung, lehnte er sich zurück und dachte nach.

Eigentlich gab es nur eins, was er tun konnte; der Einladung Folge leisten. Tat er es nicht, würde er sich tatsächlich als vulgärer Spanner entlarven. Was sie dann unternehmen würde, wagte er nicht, sich auszumalen. Mit der Gewißheit keine Alternative zu haben und auch keine haben zu wollen, sollte er ehrlich sein, stand er auf und ging ins Bad, um sich ein wenig frisch zu machen und das von ihr gewünschte anzuziehen.

Er verließ das Haus, zog die Tür leise hinter sich ins Schloß.

Ein wenig nervös, fast wie ein Pennäler vor seinem ersten Rendezvous, stand er vor ihrem Gartentor. Beim Öffnen quietschte es unnatürlich laut. Er schritt über den breiten Kiesweg auf die Terrasse zu.

Niemand zeigte sich, weder auf der Terrasse noch oben an einem der Fenster. Er ging ungewöhnlich langsam, fast zögerlich auf das Haus zu. Sein Herz schlug schneller.

Bevor er durch die offene Terrassentür trat, er war überzeugt, daß sie seinetwegen geöffnet war und daß ihm, hätte er an der Eingangstür geklingelt, nicht geöffnet worden wäre, blieb er am Rand der Terrasse stehen und sah an der Fassade hinauf.

Über ihm befand sich das Schlafzimmerfenster. Die Gardine war halb zugezogen und wehte leicht im Luftzug. Natürlich stand niemand am Fenster und doch hatte er das Gefühl, schon mehr die Gewißheit, daß jeder seiner Schritte beobachtet wurde.

Er gab sich einen Ruck und trat durch die Terrassentür ins Haus. Er hatte das Gefühl, daß seine Schritte unnatürlich laut auf dem hellen Parkett hallten. Er sah sich kurz um. Die Einrichtung war tatsächlich so geschmackvoll, wie sie aus der Entfernung erschien. Das Wohnzimmer war lediglich mit dem wesentlichen möbliert und somit von einer wohltuenden Luftigkeit. An den Wänden hingen gerahmte Zeichnungen und einige Ölbilder. Er nahm sich nicht die Zeit, sie näher in Augenschein zu nehmen, dafür fehlte ihm derzeit die Ruhe. Er erkannte nur, daß sie figurativ und mit hoher Wahrscheinlich ausnahmslos von ihr waren.

Die Tür zum geräumigen Flur stand offen. Er setzte seinen Weg fort.

Der Flur war im Schachbrettmuster gefliest. Die Steinstufen der Treppe waren leicht ausgetreten. Eine Tür war angelehnt. Sie führte in die Küche. Er warf einen kurzen Blick hinein. Ein altmodischer blankgeputzter Herd, der mehr der Zierde diente, denn ein moderner Gasherd stand nahe dem Fenster, das nach hinten hinaussah, beherrschte den Raum. Die Küche war sauber und nur die ganz alltägliche Unordnung zeugte davon, daß hier jemand wohnte.

Er hielt sich lediglich einen Augenblick hier auf. Die Türen der übrigen Zimmer im Erdgeschoß waren geschlossen. Die Villa schien geräumiger zu sein, als von seinem Haus aus zu erkennen war. Da er überzeugt war, hier unten niemanden anzutreffen, ging er die Treppe hinauf.

Oben waren weniger Zimmer, schließlich nahm das Atelier die halbe Etage ein. Außer dem zu seinem Haus hinausliegenden Schlaf- und Badezimmer, gab es noch zwei andere, in die er einen kurzen Blick warf. Das eine war offensichtlich das Gästezimmer, das andere, das größere diente als Archiv. Regale, in denen Mappen mit Zeichnungen lagen, große Schachteln, die vermutlich Ähnliches enthielten, ein Sortiment neuer Pinsel und unangebrochene Kartons mit Zeichenkohle, Aquarell- und Ölfarben und ähnliches und auf Keilrahmen aufgespannte und in Luftpolsterfolie eingeschlagene fertige Bilder.

Ein kurzer Blick durch die offen stehende Schlafzimmertür überzeugte ihn, daß auch hier niemand war. Dennoch verweilte er einen Augenblick im Türrahmen stehend.

Das Schlafzimmer war größer als er vermutet hatte. Trotz der beiden, es erhellenden Fenster hatte er nur einen kleinen Teil einsehen können. Dafür war der Spiegelschrank etwas kleiner. Er mußte schmunzeln, als er das große rote Latexlaken auf dem Bett sah, das zu beiden Seiten bis fast auf den Boden hinunter reichte, und die beiden mit blauem Latex bezogenen Kopfkissen darauf, wodurch das Zimmer von einem leichten Latexaroma erfüllt wurde. Über dem Bett hingen drei gerahmte erotische Kohlezeichnungen, die Paare beim Liebesspiel auf eine sinnlich verträumte Weise zeigten. Diese waren eindeutig nicht von der ›Schönen Künstlerin‹. Die Signatur war eine andere. Auch der Stil der Frisuren und der Kleidung oder das wenige, was sie trugen, ließen auf eine Entstehung während der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts schließen.

Er verließ das Schlafzimmer und ging ins Atelier. Auch hier war niemand. Ein Geruch nach Ölfarben, Kohlestiften und Zitrusterpentin schlug ihm entgegen. Das längst fertige Bild der ›Schönen Üppigen‹ stand auf der Staffelei, das Pendant, den Jüngling, konnte er nirgends entdecken. Vermutlich war es bei den anderen, die mit dem Gesicht zur Wand auf dem Boden standen.

Er konnte nicht anders, das Bild der ›Schönen Üppigen‹ zog ihn an. Er betrachtete es ausgiebig, fuhr mit den Blicken an jeder Linie entlang. Je mehr er sich in die Betrachtung vertiefte, desto mehr hatte er den Eindruck, als stiege diese faszinierend schöne barocke Venus gleich zu ihm herab. Er benötigte einen Moment, bis er begriff, das etwas an diesem Bild anders war, als er es im Gedächtnis hatte, schließlich hatte er dessen Entstehung vor mehr als drei Monaten beobachten können. Dann erkannte er schlagartig den Unterschied. Er konnte den Grund nicht nennen, weshalb es ihm nicht sogleich aufgefallen war. Vielleicht lag es daran, daß er überzeugt war, es handelte sich um das Bild der ›Schönen Üppigen‹, so daß er auf das Gesicht der Dargestellten nicht so recht geachtet, sondern sich ausschließlich ihrem Körper gewidmet hatte. Das Bild zeigte aber nicht die ›Schöne Üppige‹, sondern Viviane, wenngleich es nicht eins zu eins Vivianes Körper darstellte, nicht so, als hätte Viviane der Malerin persönlich Modell gestanden. Allerdings hatte die ›Schöne Künstlerin‹ über drei Monate hinweg Zeit gehabt, Viviane zu beobachten, zumal sie ja oft an warmen Tagen nackt auf seiner Terrasse auf einer Liege geruht hatte, die problemlos von der Villa aus einzusehen war.

Im Haus herrschte Stille. Seine Atemzüge schienen die einzigen Geräusche sein. Von draußen drang nur das leise Rauschen des Laubes herein, untermalt vom schwachen Brummen eines Traktors aus der Ferne. Ein leichter hereinkommender Windstoß ließ Papier rascheln und lenkte seine Aufmerksamkeit von dem Bild ab und zum Zeichentisch hin.

Erst jetzt nahm er die vielen, in drei Gruppen geordneten Zeichnungen wahr, die dort lagen. Neugierig ging er zum Zeichentisch.

Die erste Gruppe bestand aus datierten Zeichnungen, die ihn am Fenster stehend und zur Villa hinübersehend zeigten, wenn auch ohne Fernglas. Sofern er sich nach der inzwischen verflossenen Zeit erinnern konnte, stimmten die Daten mit den Tagen überein, an denen er lange zu ihr hinübergesehen hatte. Es gelang ihm sogar den Zeitpunkt seiner morgendlichen Beobachtungen zu bestimmen, vor allem die Tage, an dem er sie zwischen Laken aus Latex hatte schlafen sehen. Was ihn nach Vivianes Portrait nicht mehr erstaunte: sie waren in keiner Weise anklagend, sondern zeigte ihn mit dem romantisch verklärten Eindruck des zurückhaltenden Bewunderers. Es fiel ihm zunächst nicht leicht, sich darin wiederzuerkennen.

Die zweite Gruppe der gleichfalls datierten Zeichnungen versetzte ihm dagegen einen gelinden Schock. Sie zeigten ihn gemeinsam mit Viviane und Bettina beim Sex. Im ersten Moment glaubte er, daß sie zuvörderst nach der Phantasie gezeichnet sein mußten, denn sie besaß ja keinen Einblick in sein Schlafzimmer, das nach vorne hinauslag und nur mit Viviane hatte er auch in seinem Arbeitszimmer und früh am Morgen im Garten gevögelt. Doch dann schalt er sich für sein schlechtes Gedächtnis, schließlich hatte er auch mit Bettina im Arbeitszimmer gevögelt, als sie nach der Party im Swinger-Club nach Hause zurückgekehrt waren. Die Zeichnungen zeigten sie dabei ausschließlich in Latex. Überhaupt gelang es der ›Schönen Künstlerin‹ die besonderen haptischen und optischen Eigenschaften von Latex in das Medium der Zeichnung zu übertragen.

Doch die überwältigende Zahl der Zeichnungen zeigten Viviane und ihn. Da waren die kleinen Vögeleien in seinem Arbeitszimmer, im morgendlichen Garten, doch vor allem ihre besondere Session. Bei mancher hatte er das Gefühl, daß sie mit ihnen im Zimmer gewesen sein mußte. Es war zu sehen, wie Viviane ihn heftig geohrfeigt hatte, ihm in die Haare gefaßt, sich von ihm den Anus mit der Zunge hatte säubern lassen. Überhaupt hatte sie gerade Viviane auf eine Weise dargestellt, die nicht nur lebensecht war, sondern eine Identifikation mit ihr bedeutete. Es war offenkundig, daß die Urheberin der Zeichnungen mit Viviane nur zu gerne tauschen würde.

Er wurde sich der Ironie bewußt, daß hier der sich unentdeckt geglaubte Beobachter nicht nur von Anfang an beobachtet worden war, sondern sein Beobachter weitaus tiefer in seine Intimsphäre eingedrungen war, als er es selbst gewagt hätte, ohne es jemals zu bemerken.

Er konnte im ersten Moment nicht sagen, was ihn mehr erstaunte, daß er beim Sex und beim Spielen beobachtet worden war, oder daß eine Künstlerin dies festgehalten hatte. Er empfand das als Kompliment.

Hatte schon die zweite Gruppe Zeichnungen ihn nicht wenig irritiert, so traf es für die letzte erst recht zu. Es war nicht nur, daß diese ihn wieder beim Sex und Spielen zeigten, sondern daß sie ihn mit ihr zeigten, mit der ›Schönen Künstlerin‹. Viele der Szenen mit Viviane fanden hier eine Wiederholung, jedoch mit der ›Schönen Künstlerin‹ anstelle von Viviane, insbesondere ihrer ausführlichen Session, deren letzte Spuren erst nach fast zwei Wochen von seinem Hintern verschwunden waren. Auf einigen wenigen, die ihre Vorlagen nicht in Beobachtungen haben konnten, lag sie rücklings in einem Ganzanzug auf ihrem Bett, über den ein Laken aus Latex gebreitet war, und pinkelte genüßlich, so daß es lustvoll aufs Laken prasselte, dabei war er in Rückenansicht an den linken Rand plaziert, so daß es unzweifelhaft war, daß er ihr zusah. Das beantwortete seine Frage, ob es sie es Birgit gleichtat. Auf zwei anderen lag eindeutig er auf dem Rücken, gleichfalls in Latex, sie kniete über ihn und urinierte auf ihn, während seine Mimik unübersehbar Genuß widerspiegelte, was ihn schmunzeln ließ und ihn dabei ein wohliges Gefühl durchströmte.

Insgesamt waren diese Zeichnungen, die erotischen Phantasien einer Frau von einer faszinierenden Schönheit, etwas anderes konnte er dazu nicht sagen, wollte er ihnen gerecht werden. Sie waren ausnahmslos mit Leidenschaft gezeichnet. Manche mit schnellen Strichen, mehr Skizze als ausgearbeitete Zeichnung, mehr im Fieber der Erregung entstanden, die die abgebildete Phantasie verursacht hatte. Andere wiederum waren sorgfältig ausgeführte Federzeichnungen, oft aquarelliert, jeder Muskel, jede Falte der Latexkleidung, die sie trugen, der Laken, auf denen sie lagen. Viviane dralle Formen waren unübersehbar mit den Augen einer Liebhaberin üppiger Weiblichkeit dargestellt. Diejenigen, die die Freuden gemeinsamer Urolagnie zeigten, erschienen ihm derart lebendig, daß er sich scheute, die Blätter schräg zu halten, damit es nicht etwa auf den Tisch oder Boden lief.

Selbst wenn sie auf allen Zeichnungen den Ton anzugeben schien, so war es doch keine egoistische Dominanz, die sie dargestellt hatte. Bisweilen war eher das Gegenteil der Fall. Auf einigen Blättern, die auf den ersten Blick Stärke suggerierten, war zugleich Verletzlichkeit zu entdecken, Labilität der Situation, die Gefahr, daß Leidenschaft schnell in Gleichgültigkeit oder gar Ablehnung umschlagen konnte.

Doch sollten die Zeichnungen nicht allein erotische Szenen zwischen ihr und ihm zeigen, sondern waren eindeutige Hinweise, was ihr gefiel, was sie mochte.

Je intensiver und faszinierter er diese Zeichnungen betrachtete, desto lebendiger schien ihm die Gegenwart der ›Schönen Künstlerin‹ zu werden, meinte er sie in seiner Nähe zu spüren.

Ein erneuter Windstoß ließ einige der Zeichnungen auf dem Tisch rascheln. Er sah auf. Sein Blick fiel auf sein Haus. Für den Augenblick glaubte er, sie am Fenster seines Arbeitszimmers stehen zu sehen. Aber es war nur die Gardine, die sich im Wind bewegte. Er hatte vergessen, das Fenster zu schließen.

Dieser Luftzug hatte einen neuen Duft hereingetragen, einen, der sich von den typischen Ateliergerüchen abhob. Ein fruchtiges herbes Aroma, das intensiver wurde und mit körperwarmen Latex vermischt war. Aber nicht nur der Geruch hatte sich verändert, auch hatte er das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, obwohl er keinerlei Schritte vernommen hatte. Doch war er derart in die Betrachtung der Zeichnungen vertieft, daß er nicht darauf geachtet hatte.

Dieses Gefühl der Gegenwart eines anderen Menschen wurde körperlich spürbar. Er scheute sich für einen Moment, sich umzuwenden, aber er war nicht Orpheus, würde er sich zu früh umdrehen, verblieb seine Eurydike nicht im Reich der Toten, derart dramatisch ging es nur in der antiken Sagenwelt zu.

Er drehte sich um. Sie stand hinter ihm, vielleicht drei Schritte von ihm entfernt, im Ganzanzug aus ihrem geliebten metallicblauem Latex, mit neuen ACQUO-Boots in der größten Schaftlänge, das lange dichte Haar streng im Nacken zusammengebunden und verführerisch geschminkt. Aus der Nähe wirkte sie ein wenig älter, aber auf vorteilhafte Weise. Sie lächelte ihn an. Ihre Blicke trafen sich. Niemand sagte ein Wort. Er hätte auch nicht gewußt, was er sagen sollte. Er versuchte seine innere Verlegenheit nicht nach außen dringen zu lassen. Er befürchtete sogar, daß jede Äußerung die zwischen ihnen bestehende Stimmung zerstören könnte.

Sie kam auf ihn zu. Sie war fast so groß wie er. Sie nahm ihm die Zeichnungen aus der Hand und legte sie auf den Tisch. Dann faßte sie ihm in den Schritt und brachte ihn mit geschicktem Druck dazu, vor ihr in die Knie zu gehen. Sie lächelte zufrieden, weil er im selben Moment eine Erektion bekam. Kaum kniete er vor ihr, beugte sie sich hinunter, packte ihn in den Nacken und drückte ihn soweit hinunter, bis er mit dem Gesicht ihren rechten Fuß berührte. Für einen Moment behielt sie den Druck aufrecht. Dann löste sie ihn und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, daß er sich wieder aufrichten sollte. Er hielt in demutsvoller Haltung den Blick gesenkt. Er hörte ihr zufriedenes Lachen. Er hatte sich ihr unterworfen und hat ihre Zustimmung erhalten. Die Rollen waren festgelegt. Das war alles an Unterwerfung, was sie von ihm für heute verlangte. Sie ging mit ihm ins Schlafzimmer.

Als sie später auf dem nun nassen Laken aus rotem Latex lagen, während der Wind mit der Gardine spielte, dachte er, daß sie jetzt gut von seinem Fenster aus beobachtet werden konnten. Aber das war ihm gleich.

 

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