Kathy Lette »Wie man seinen Mann umbringt«
von
Armin A. Alexander
Cassandra – Cassie –, Jasmine – Jazz –, und Hannah sind Anfang vierzig und seit über zwanzig Jahren Busenfreundinnen, die miteinander durch dick und dünn gehen, wenngleich sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Hannah besitzt eine florierende Galerie für zeitgenössische Kunst und ist mit Pascal, einem Künstler, verheiratet, dessen Karriereambitionen sowie Talent als sehr bescheiden zu betrachten sind, und den sie mehr oder weniger aushält.
Jasmine, gelernte Köchin, ist mit Dr. David Studlands, einem international renommierten Chirurg, Menschenrechtler und Experten für die Weltgesundheitsorganisation WHO verheiratet, überwiegend topgestylt, die in der Rolle der Nur-Hausfrau in einer Villa wie aus einem Magazin für gehobene Innenarchitektur aufgeht.
Cassandra ist Lehrerin an einer Londoner Vorort-Grundschule, verheiratet mit dem liebenswert chaotischen Tierarzt Rory. Ihr Leben spielt sich zwischen ihrer Schule, zwei Kindern und einem Haushalt ab, in dem ständig irgendwelche vierbeinigen Patienten ihres Mannes, herumlaufen und ihre Duft-Marken hinterlassen. Sie hofft auf die vakante Stelle der Vizedirektorin ihrer Schule. Ihre Chancen würden nicht schlecht stehen, ihre, an kindliche Bedürfnisse ausgerichtete Pädagogik ist erfolgreich und hat ihr die Achtung der Schulinspektoren eingebracht, wäre nicht ihr Direktor, ein fast schon fanatisch zu nennender Anhänger des Frontalunterrichts. Perdita Pendal, ihre schärfte Konkurrentin auf den Posten, versteht es, sich durch geschicktes Intrigieren beim Direktor beliebt zu machen und jede Schwäche Cassandras für sich auszunutzen.
Als Jasmine während einer Party im eigenen Haus im Medikamentenschrank ihres Mannes ein Schmerzmittel gegen Hannahs Kopfschmerzen sucht, entdeckt sie eine angebrochene Packung Viagra. An sich nicht wirklich überraschend bei einem Mann Anfang fünfzig, wäre nicht die Tatsache, daß Jasmine und er »[–] seit einem Jahr, einem Monat, zwei Wochen, fünf Tagen –«, sie schaute auf ihre Uhr, »– und sieben Stunden, um genau zu sein.«[–]« keinen Sex mehr miteinander hatten. Sie nutzt wenig später die Gelegenheit ihm mit Cassandras Unterstützung nachzuspionieren. Sie ist entsetzt, über die Zahl seiner Affären. Als sie ihn zur Rede stellt, erklärt er ihr, »[–]dass ihn die schreckliche Realität, ständig Landminenopfer zusammenflicken zu müssen, total abstumpft. Die Kriege und die schaurigen Bilder auf seinem Operationstisch hätten sein Mitgefühl chloroformiert – und Affären hat er angeblich nur, um sich wieder lebendig zu fühlen. [–]« Sie ist so wütend und enttäuscht, daß sich Mordgedanken in ihr breit machen, da sie jedoch versucht, sein Leben zu verkürzen, in dem sie ihm besonders fettes Essen kocht, nehmen ihre Freundinnen ihre Mordpläne nicht sonderlich Ernst. Parallel entwickelt Jasmine den Ehrgeiz, mehr Affären als David zu haben, was ihr gelingt und sie aufleben läßt.
Auch bei Cassandra erreicht der Haussegen eine beachtliche Schieflage. Jasmine rät ihr und Rory zu einer Paartherapie. Statt daß diese Cassandras Ehe wieder ins Lot bringt, macht Bianca, die Therapeutin, ihr den gutaussehenden Mann abspenstig. Cassandra ist nun mit den beiden Kindern, dem Haushalt und ihrem Job, in dem alles nun schiefzugehen scheint, auf sich gestellt.
Auch Hannah bleibt von Umwälzungen in ihrem Leben nicht verschont. Sie entdeckt, daß ihr Mann eine Beziehung seit mehreren Jahren zu einer jüngeren Frau und ein Kind mit ihr hat. Sie ist entsetzt, er hat ihr gegenüber stets beteuert, keine Kinder zu wollen.
Alle drei stehen innerhalb eines Jahres vor den Trümmern ihrer Ehen. Ihre Freundschaft wird mehrmals auf eine harte Probe gestellt, insbesondere, als Hannah eine kurze Affäre mit Jasmines siebzehnjährigen Sohn beginnt.
Doch ist nichts so schlimm, daß es nicht noch schlimmer kommen könnte; Jasmine wird unter Mordanklage gestellt. Ihr Mann kehrt während eines Versöhnungsurlaubs, den das Paar in Australien verbringt, von einem Schwimmausflug nicht zurück. Es wird vermutet, daß er zu weit hinausgeschwommen und ertrunken ist. Niemand zweifelt an einem traurigen Unfall, bis Billy Boston, Jasmines Ex-Liebhabers’, Ex-Krimineller und Schriftsteller, der sich wegen eines Literaturfestivals zur gleichen Zeit in Australien aufhält, die eidesstattliche Erklärung abgibt, daß Jazz ihn beauftragt hat, ihren Mann zu ermorden. Es sieht nicht gut für sie aus.
Cassandra versucht alles, damit Billy seine Aussage zurücknimmt. Am Tag der Anhörung wegen Haftverschonung erwartet alle eine doppelte Überraschung, Billy nimmt seine Aussage zurück, das Gericht erhält von den australischen Behörden die Nachricht, daß Davids sterbliche Reste in einem großen Hai gefunden worden sind. Merkwürdig scheint nur, daß in der Tasche seiner Badehose ein gebrauchter Tampon gefunden wurde, der den Hai angelockt haben muß. Doch Jasmine kann eine plausible Erklärung dafür angeben.
Auch für Cassandra entwickeln sich die Dinge auf einmal zum besten, weil sie mit einem ihrer Schüler auf dessen Mutter wartet, die sich aufgrund eines Staus verspätet, kann sie die Schule erst spät verlassen. Auf den Weg zum Ausgang kommt sie am Büro des Direktors vorbei, dabei macht sie eine Entdeckung, deren Ausnutzung ihr nicht nur die Stelle der Vizedirektorin beschert, sondern ihr die Beförderung zur Direktorin verschafft. Um das Maß vollzumachen, kehrt Rory geläutert und als perfekter Hausmann reumütig zurück.
Hannah läßt sich von ihrem Mann scheiden und zahlt ihn aus, da sie dabei ein wenig zu kreativ vorgegangen ist, sieht sie sich gezwungen, sich eine Zeitlang in die Karibik zurückzuziehen. Dort mietet sie eine Jacht, auf die sie ihre Freundinnen für einige Tage einlädt, wobei sie sich auch wieder mit Jasmine versöhnt.
Alles scheint wieder wie früher zwischen ihnen zu sein, bis Jasmine in der Euphorie des Augenblicks ein Geständnis macht und damit Cassandras Wertesystem ein weiteres Mal auf die Probe stellt.
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Kathy Lette (*1958) ist gebürtige Australierin und galt lange als Enfant terrible der englischen Literaturszene. Ihr 2006 erschienener Roman schildert mit gewohnt deftigem treffendem Humor und bisweilen wundervoll überspitzt, Stichwort Paartherapie, den Alltag dreier Freundinnen in den frühen vierzigern, zwischen persönlicher Karriere, Kinder, Ehegatte und Haushalt. Während Hannah und Jazz ein scheinbar mehr oder weniger glanzvolles Leben als Teil der Londoner Oberschicht führen, stellt Cassandra die typische Mittelschichtfrau dar, die ihr stressiges Leben zwischen bescheidener eigener Karriere als Lehrerin einer Grundschule, zwei Kindern, Haushalt und Ehemann, der mehr mit seinem Beruf verheiratet zu scheint als mit ihr und sie für ihre Fähigkeit bewundert, das alles zu schaffen, aber nicht einen Moment auf den Gedanken kommt, daß er auch seinen Beitrag leisten könnte. Allerdings sind und bleiben ihre Versuche, ihn stärker in den Haushalt einzubinden allzulange halbherzig.
Die Ereignisse überschlagen sich im Verlauf der Handlung, jede der drei Freundinnen wächst auf ihre Weise über sich hinaus, nicht immer zur Freude ihrer Ehemänner. Cassandra, aus deren Sicht in der ersten Person erzählt wird, vor allem erkennt, daß sie nicht nur die geduldige Harmoniesüchtige sein kann, sondern lernt die Chancen, die sich ihr bieten, konsequent zu nutzen, auch wenn sie nicht mit ihren moralischen Vorstellungen übereinstimmen. Am Ende steht jede der Freundinnen auf ihre Weise am Beginn eines neuen Lebens.
»Wie man seinen Mann umbringt« wurde 2011 von Alan John, Musik, und Timothy Daly, Dramaturgie, als Oper adaptiert, Premiere war in der Victorian Opera, dirigiert wurde von Richard Gill.
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