Ein paar Gedanken über Realismus – in der Literatur

von
Armin A. Alexander

Im Prinzip scheint es einfach; auf der einen Seite die reine Fiktion und sie muß gar nicht so offensichtlich daher kommen wie im Genre des Fantasy- oder SF-Romans. Auf der andere Seite die literarischen Texte die sich – scheinbar – mit der Realität auseinandersetzen. Wenn von irgendwelchen Wesen mit übersinnlichen Kräften erzählt wird, weiß jeder; hier läßt der Autor seiner Phantasie die Zügel schießen. Aber der Umkehrschluß muß nicht zwingend auf Realismus schließen lassen. Die Geschichte eines Politikers der langsam in die Korruption abrutscht kann noch mehr ein Produkt der Phantasie des Autors sein. Auch wenn es auf den ersten Blick aussieht als würde hier ein aktuelles Tagesthema behandelt. Ob es sich – um bei diesem Beispiel zu bleiben – hierbei tatsächlich um Realismus handelt erweist sich erst im Detail. Wie glaubwürdig ist der Protagonist in seinem Denken und Handeln? Paßt die Entwicklung zur Persönlichkeit oder nicht? Stimmen die Rahmenbedingungen? Schon manche »Geschichte nach einer wahren Begebenheit« hat sich bei näherer Überprüfung als reine Fiktion entpuppt. Und nicht selten hat die vermeintlich fiktive Erzählung einen wahren Hintergrund.
Realismus bei einer Figur heißt auch nicht, daß einfach eine real existierende Person als Vorbild genommen wird. Abgesehen von den Problemen mit dem Persönlichkeitsrecht, das ein Autor auf sich lädt, nimmt er eine real existierende Person als Vorbild für seinen Protagonisten. Sondern Realismus heißt vor allem Glaubwürdigkeit. Wie glaubwürdig ist eine Geschichte, das ist die eigentliche Frage, wenn es um Realismus in der Literatur geht. Ein gern benutzter Kunstgriff nicht in nur in der Trivialliteratur – man denke dabei an das, was heute so alles unter dem Begriff »Historischer Roman« unters Volk, sprich die Leserschaft gebracht wird – rein fiktive Personen vor einem mehr oder weniger eindrucksvollen historischen Hintergrund handeln zu lassen. Wirklicher Realismus wird damit nicht erreicht.
An dieser Stelle eine kleine Abschweifung: Autoren wie Lion Feuchtwanger oder Franz Werfel beispielsweise besaßen einen anderen Begriff vom Historischen Roman. Ihnen ging es nicht einfach darum, Personen vor einer malerischen – historischen – Kulisse handeln zu lassen, sondern sie verdeutlichten damit in erster Linie Gegenwartsprobleme.
Realismus ist viel mehr eine Frage der Glaubwürdig einer Geschichte, der handelnden Personen. Was sich so einfach anhört, ist alles andere als das. Es setzt die fortwährende Überprüfung des Denkens und Handelns der Figuren voraus. Sogar eine eigentlich erfundene Geschichte, deren tatsächliches Ereignen in der Realität wenig wahrscheinlich ist, kann durchaus so glaubwürdig dargestellt sein, daß der aufmerksame Leser sie für mögliche Realität ansieht.
In diesem Kontext ist für den betreffenden Autor ein großes Lob, wenn ein Leser ihm gegenüber bemerkt, daß er im Zweifel ist, ob es sich bei den geschilderten Ereignissen um Fiktion oder um leicht verfremdete persönliche oder reale Begebenheiten handelt.

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