Kurzes #68 – Lediglich aus Liebe?
Donnerstag, den 10. November 2016 von: Armin A. Alexander
»Ich bin auch davon überzeugt, daß die meisten Frauen das mehr ihrem Partner zuliebe machen als wirklich aus eigener Neigung«, sagte Britta in einem Tonfall, der keinen Raum für Zweifel ließ. Wie um das zu unterstreichen, schob sie sich ein dickes Stück Schwarzwälderkirsch in den Mund und zeigte dabei demonstrativ die gepflegten Zähne als wollte sie zusätzlich zum Stück Kuchen auch noch jedem Gegenargument den Garaus machen.
Lisa fragte sich, über was sie sich mehr wundern sollte, über Brittas unumstößliche Überzeugungen oder darüber, daß sie trotz ihres reichhaltigen Konsums an Süßem kein Gramm zunahm. Im Büro knabberte sie den ganzen Tag irgendeinen Schokoriegel oder vergleichbares. Sie war zwar keine zarte Elfe, eher reichlich üppig, doch waren bei ihr alle Rundungen an den richtigen Stellen. Sie wußte das und unterstrich das narzißtisch mit körperbetont geschnittener Kleidung. Während manch schlankere in einem engen Kleid leicht wie die Wurst in der Pelle wirkte, war Brittas Erscheinung weit davon entfernt. Ihre Dekolletés überließen nur sehr wenig der Phantasie. Lisa hatte in den mittlerweile fünf Jahren, in denen sie sich ein Büro teilten, nicht herausfinden können, ob das Blond ihrer seidigen Haare echt war. Sie wußte nicht, warum sie sich geärgert hatte, als Harmut euphorisch meinte, daß Britta verdammt tolle Beine hat. Sie fand ihre ja auch nicht schlecht und er ließ keine Gelegenheit aus, ihr deswegen Komplimente zu machen. Sie hatte sich bereits mehr als einmal gefragt, warum sie in Britta eine Rivalin sah, wofür es keinen Grund gab: hübsch, groß, schlank, mit langem dichten Haar, dessen Schwarz echt war. Außerdem traute ihr Lisa nicht genug Hinterhältigkeit zu, um einer anderen den Mann abspenstig zu machen, und – was Lisa allein schon beruhigen mußte – gehörte er just zu jenen Männern, über Britta gerade ihre ›Weisheiten‹ ausbreitete, die sie in irgendeiner obskuren Kolumne irgendeiner der zahlreichen Frauenzeitschriften beim Friseur oder auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn gelesen hatte. Britta verschlang genüßlich diese Presseerzeugnisse. Besonders jene, in denen über Männer auf eine Art und Weise hergezogen wurde, daß einem Mann, käme er auch nur im Ansatz auf den Gedanken, sich vergleichbar über Frauen zu äußeren, Frauenfeindlichkeit vorgeworfen würde – und das zu Recht. Ob die Autorinnen diese Artikel aus persönlicher Abrechnung oder weil sich mit dergleichen vorzüglich Kasse machen ließ, verfaßten, war nur selten eindeutig nachzuvollziehen. Weiter brachte es die Gesellschaft in keinem Fall. Niemand leugnete, daß es unzählige Arschlöcher unter den Männern gab, Lisa war selbst oft genug einem von diesen Exemplaren begegnet, am besten ignorierte frau die, dann starben die mit der Zeit von allein aus – hoffte sie jedenfalls. (mehr …)