Gummifetischismus – Eine (Liebes-)Erklärung

von
Armin A. Alexander

Einleitung

 

Sexueller Material-Fetischismus – dieser Text bezieht sich ausschließlich auf diese Variante des Fetischismus – der wohl die harmloseste und unschuldigste sexuelle Vorliebe überhaupt sein dürfte und der seinen Grund höchst wahrscheinlich in der stark optischen und haptischen orientierten Wahrnehmung des Menschen hat, ist vermutlich so alt wie die Menschheit. Die auf Gummi bezogene Variante ist notwendigerweise an die Erfindung des Materials gebunden und zählt daher zu den noch relativ jungen Material-Fetischen. Jünger ist die Variante für PVC und vergleichbare Kunststoffe, die in ihrer Form Überschneidungen zum Gummifetischismus aufweist und so mancher Gummifetischist, mich eingeschlossen, kann auch dem PVC beziehungsweise mit PVC beschichteten Geweben, wie sie vor allem bei Regenbekleidung sowie bei Lack und ähnlich glänzenden Stoffen Verwendung finden, einen erotischen Reiz abgewinnen. PVC erscheint vielen allerdings als weniger ›edel‹, was nicht zwingend sein muß, denn hochwertige Regenbekleidung ist nicht wirklich preiswert und optisch sehr ansprechend. Hier jedoch ist in erster Linie der Fetischismus für Gummi das Thema.

Wenngleich die meisten Gummifetischisten, mich eingeschlossen, dem Gummi aus Naturkautschuk den Vorzug geben, so kann ich, wie viele andere auch dem synthetischen einiges abgewinnen, schließlich besitzt dieser vergleichbare haptische und optische Eigenschaften, mit dem Vorteil, daß er für Menschen mit einer Latexallergie eine gute Alternative darstellt, Gummifetischismus ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausleben zu können.

Gummi ist durch seine Beschaffenheit ein besonderer Werkstoff. Seine haptischen Eigenschaften ähneln der der Haut. Seine Elastizität und Weiche lassen den Kontakt mit der Haut zu einem besonderen Erlebnis werden, es verdient berechtigterweise das Attribut ›Hautschmeichler‹. Dazu ist Gummi nicht nur wasserundurchlässig, sondern auch unempfindlich gegenüber Körperflüssigkeiten, letztlich gegen alle Körperausscheidungen und leicht zu reinigen, während gerade bei sexuellen Aktivitäten getragene Kleidung aus Stoff aber auch Leder, die in Kontakt mit diversen Körperflüssigkeiten kommt, mehr oder minder aufwendig gereinigt werden muß oder im schlimmsten Fall gar ›ruiniert‹ ist, so daß sie letztlich nur noch im sexuellen Kontext weitere Verwendung finden kann, wenn man sie nicht entsorgen will und sich an sichtbaren Flecken nicht stört, wobei diese natürlich auch einen besonderen sexuellen Reiz darstellen können. Die unproblematische Reinigung dürfte vielleicht auch mit ein Grund sein, weshalb Gummifetischisten nicht selten Spiele mit Urin mögen, wobei aus meiner Sicht die haptischen Eigenschaften, die nasses Gummi besitzt, nochmals eine ganz andere haptische und erotische Qualität erzeugen, für diese Affinität sowie die starke sexuelle Konnotation ausschlaggebend sein dürfte, gegen die ich persönlich nichts einzuwenden habe Gummi und Sexualität sind außerhalb der technischen Anwendung von Gummi als Werkstoff, fast schon Synonyme geworden. Inwiefern dies mitverantwortlich dafür ist, daß Gummi, anders als Leder, bisher keine weitere Verbreitung als ›Alltagskleidung‹ gefunden hat, trotz immer wieder rühriger Bemühungen einzelner Designer aus dem Fetischbereich, ist schwer zu sagen, zumal Gummi, wird es nicht wie bei Fetischisten heutzutage üblich mit Silikonöl auf Hochglanz poliert, sich für das ungeübte Augen nur schwer von besonders weichem und glattem Leder unterscheiden läßt. Ausschlaggebender dürfte schon eher die schwierigere Verarbeitung gegenüber Stoff und Leder und die kaum vorhandene Wasserdampfdurchlässigkeit sein, die dafür verantwortlich ist, daß Schweiß sich darunter sammelt und somit der Eindruck entsteht, daß unter Gummi stärker geschwitzt wird. Zwar mögen nicht wenige Gummifetischisten dieses Gefühl, doch ist es im Alltag verständlicherweise eher unerwünscht.

Gummi lädt aus den weiter oben aufgeführten Gründen geradezu zum lustvollen Herumferkeln mit diversen (Körper-)Flüssigkeiten ein, wobei bei Gummi aus Naturkautschuk unbedingt ölhaltige Flüssigkeiten, wie beispielsweise Massageöle zu meiden sind, da Öle den Naturkautschuk in seiner Struktur zerstören. Jeder sollte eigentlich durch Handhabung von Kondome wissen, die in der Regel ja auch aus Naturkautschuk sind, daß ölhaltige Gleitmitteln zu vermeiden sind. Synthetischer Kautschuk dagegen ist grundsätzlich widerstandsfähig gegenüber Öle und Fette und vielen Chemikalien.

Ein bißchen Historie

 

Zwar ist Naturkautschuk schon länger bekannt, doch war er, bis zur Erfindung der Vulkanisierung durch Charles Goodyear 1839, nicht nur als Material für Bekleidung völlig ungeeignet. Goodyear fand heraus, daß aus dem Rohkautschuk, der Latexmilch, durch einer definierten Beimengung von Schwefel unter Wärme der Werkstoff Gummi erzeugt werden kann, wie wir ihn heute kennen. Die Herstellung des ersten wirklich nutzbaren Gummis aus synthetischem Kautschuk gelang erst 1929 den deutschen Chemikern Walter Bock und Eduard Tschunkur.

Gummi als Werkstoff für Bekleidung fand 1843 zum ersten Mal als Beschichtung für Regenmäntel, den mittlerweile legendären Mackintoshes, Verwendung. Mackintosh, kürzer Mack, wurden in England schnell zum Synonym für Gummimäntel.

Im Laufe des 19ten Jahrhunderts wurden mehr und mehr Produkte aus Gummi hergestellt, neben solchen für den technischen Bedarf – Dichtungen, Schläuche – vor allem für den medizinischen Bereich – Schläuche, mit Gummi beschichte Laken, sogenannter Bettstoff. Gummihandschuhe als Hygieneschutz wurden erstaunlicherweise erst gegen Ende des 19ten Jahrhunderts zum ersten Mal hergestellt – und natürlich Kondome. Gummi als Bekleidungsmaterial fand lange Zeit so gut wie ausschließlich bei Regenbekleidung, Stiefel, etc. Verwendung. 1920 wurde in Deutschland der Kleppermantel entwickelt, der aus einem besonders leichten gummierten Gewebe besteht und sich bis heute bei Gummifetischisten besonderer Beliebtheit erfreut. Da er bereits seit Jahrzehnten nicht mehr produziert wird, erzielt er unter Liebhabern hohe Preise. Während der gute alte Mackintosh aus SBR (Shiny Black Rubber) in England bis heute produziert wird. Charles Goodyear soll bei dem, was mit Gummi möglich ist, daraus auch Kleidung im Blick gehabt haben, da diese am Abend gewaschen, am Morgen bereits trocken sei und wieder getragen werden könne.

England steht im Ruf, den Gummifetischismus ›erfunden‹ zu haben und – angeblich – gibt es dort noch immer die meisten Gummifetischisten. Ersteres erscheint wahrscheinlich, da in England die ersten Produkte aus Gummi gefertigt wurden, schließlich hatte es durch seine Kolonien privilegierten Zugriff auf den Rohstoff. Das zweite dürfte sich, zumindest in Mitteleuropa längst relativiert haben. Betrachtet man die Entwicklung von Publikationen, die sich explizit mit Gummifetischismus beschäftigen – in England besonders Atomage, später Rubberist, ein Wort, das sich ins Deutsche halbwegs adäquat mit ›passionierter Gummiliebhaber‹ übersetzen läßt, ohne die selbstbewußte und prägnante Aussage des Originals zu erreichen, wobei es zu bedauern ist, daß es im Deutschen kein wirkliches Äquivalent dafür gibt – so steht Deutschland mit dem mittlerweile berühmten Gummimodenheft der Firma Kunzmann (1961) da nicht so wirklich hinten an. Bereits in den 1950er Jahre wurde in Deutschland diverse Gummibekleidung für die damals sogenannte verklausulierte Ehehygiene angeboten, auch über Kunzmann, und gegen Ende der 1950er Jahre vertrieb Kunzmann die erste an Fetischisten gerichtete Gummibekleidung, wenn diese offiziell natürlich nicht so bezeichnet werden durfte, in der Regel als ›Schlankheitswäsche‹, die eine gute Figur machen sollte, etikettiert, um der prüden Moral ein Schnippchen zu schlagen.

Vermutlich läßt sich vergleichbares auch zu den Niederlanden und Skandinavien sagen. Insgesamt Länder mit einer regenreichen geographischen Lage, die entsprechende Kleidung notwendig werden ließ und läßt und somit eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Leuten mit Gummi als Bekleidungsmaterial in Kontakt gekommen sind. In Skandinavien scheinen auch die meisten Hersteller hochwertiger und modisch ansprechender Regenbekleidung aus mit PVC und PU beschichteten Geweben ansässig zu sein, deren fetischistische Ausrichtung manchmal an der Eigendarstellung nicht zu übersehen ist.

Bekleidung aus Gummi explizit für den sexuell motivierten Fetischismus hergestellt, läßt sich im Laufe der 1950er Jahre beobachten – Kunzmann in Deutschland, Sealwear ab ca. 1959 in England, um nur zwei heute noch existierende Unternehmen mit teils wechselvoller Geschichte zu nennen.

Wird die Anzahl der Online-Shops und Hersteller von Gummibekleidung zum Maßstab genommen, scheint Gummifetischismus relativ weit verbreitet zu sein, was letztlich nicht verwundern dürfte. Nicht wenige dürften ihren Gummifetischismus immer noch durch Regenbekleidung und vor allem Gummihandschuhen für die Haus- und sonstige Arbeit entdeckt haben.

Interessant wäre zu wissen, ab wann sich Gummifetischismus in mehr oder minder breiter Front entwickelt hat, ob schon im Verlauf des späten 19ten Jahrhunderts, aber ganz sicher jedoch im frühen 20ten Jahrhundert.

Regenbekleidung

 

Noch um 1970 war wasserfeste Regenbekleidung oft mit richtigem Gummi beschichtet.


Aus Bizarre Nr. 12, 1953, (Taschen-Reprint 1995), ein klassischer Mackintosh

In Bizarre, einem der ersten Fetischmagazine, herausgegeben von John Willie – von 1946 bis 1958 in 26 Ausgaben in den USA erschienen und gegen Ende der 1990er Jahre vom Taschenverlag in Köln als Reprint herausgegeben – finden sich nicht wenige Fotos von Gummifetischisten in Regenbekleidung. Gummifetischismus war seinerzeit weitgehend nur über Regenbekleidung aus Gummi und Dingen, die im Alltag aus Gummi waren, wie Handschuhe, mit Gummi beschichtete Laken fürs Bett – gibt’s auch heute noch unter dem Begriff Bettstoff, meist als Meterware mit einer Breite von ca. 90 cm – oder Schürzen aus Gummi bzw. gummiertem Stoff, Stiefel, etc. auslebbar, oder es wurde aus Laken für den hygienischen und medizinischen Bereich Kleidung selbstgeschneidert. Auch in dem ab 1951 in den USA erschienen Fetisch- und SM-erotischen Magazin Exotique sind verschiedentlich Fotos von Gummiliebhabern in Regenbekleidung aus Gummi und ähnlichem zu sehen. Zeitgleich mit dem Reprint von Bizarre erschien auch einer der Exotique-Ausgaben der Jahre 1951–1959, der Blütezeit des Magazins, bis diese in der damaligen Offenheit als Folge der neuen Prüderie der McCarthy-Ära gegen Ende der 1950er Jahre gezwungenermaßen endete. Die Ausgaben beider Magazine sind nach wie vor lesenswert. Vor allem die abdruckten Kurzgeschichten zeigen, daß die Verfasser schreiben konnten und es sich wahrscheinlich nur in wenigen Fällen um echte Leserbeiträge handelten. Das Layout besticht bei Exotique mit seinem eigenen Charme – mit Schreibmaschine geschriebene und vervielfältigte Texte. Bizarre dagegen ist professionell im Bleisatz layoutet.

Die entsprechenden Fotos und begleitenden Artikel und Leserzuschriften lassen vermuten, daß nicht wenige der Regenmäntel aus Gummi, Gummistiefel und Gummihandschuhe nicht als Witterungsschutz, sondern primär aus sexuellem Antrieb erworben worden waren. Es wäre durchaus interessant zu wissen, wie viele Regenmäntel und Jacken aus mit Gummi beschichtetem Gewebe (Klepper, Mackintosh und Verwandte) überhaupt in den 1950er und 1960er und natürlich seit es diese Gewebe gibt, aus sexuellen Gründen gekauft worden sind und wie viele (Ehe-)Paare diese häufiger bei sexuellen Handlungen und autoerotischen Betätigungen, denn als Regenschutz getragen haben, schließlich hat es immer Menschen mit SM- und Fetischneigung gegeben, die ihre Neigung trotz aller moralischen Restriktion gelebt haben. Restriktion läßt den Wunsch nach Freiheit im Privaten oft nur größer werden – aber das ist ein anderes Thema.

Zwar besitzt die Vorstellung, zumindest für mich, seinen Gummifetischismus nur mit Regenbekleidung aus Gummi im Schutz des Privaten ausleben zu können, einen besonderen Reiz, doch nur solange, wie man die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die dafür herrschen müssen, außen vor läßt, andererseits bekommt das Ausleben von Gummifetischismus dann auch etwas Subversives, die Rebellion gegen die gesellschaftlichen Normen im Privaten ohne daß es die Gesellschaft mitbekommt. Aber das ist ein Thema für einen eigenen Essay.

Bereits in den 1960er Jahren wurde Gummi allmählich durch PVC als Beschichtung von wasserfester Regenbekleidung abgelöst, wobei auch die ursprünglichen gelben Friesennerze mit Gummi beschichtet waren.

Daß Regenbekleidung aus Gummi heute ohne Bedeutung ist – sieht man einmal von den noch immer in England hergestellten SBR-Mackintoshes ab, die ein eindeutiges Nischendasein führen und nicht aufgrund des relativ hohen Preises – liegt an Alternativmaterialien, die auf der einen Seite billiger sind, PVC zum Beispiel und neuerdings auch PU, auf der anderen Seite praktische Vorteile haben, Stichwort Mikrofasern, die anders als Gummi PVC und PU, wasserdampfdurchlässig sind, somit der Schweiß – teilweise – verdunsten kann. Mikrofasern sind zudem leicht, was sie wiederum mit dem guten alten Kleppermantel gemeinsam haben. Zumindest was das optische und auch haptische von Regenbekleidung aus Gummi betrifft, so läßt sich auf hochwertige mit PVC und PU beschichtete Regenbekleidung zurückgreifen, die es auch mit glänzender Oberfläche gibt, zumal bei wirklich starken Regenfällen Mikrofasern schnell an ihre technischen Grenzen geraten.

Fetischbekleidung

 

In den 1950er Jahren noch weitgehend ›zaghaft‹ unter dem moralischen Deckmäntelchen der Schlankheits- und Saunawäsche, in den 1960er Jahren peu í  peu offensiver und begleitet von einem neuen und bejahenden Verständnis von Sexualität – Stichwort sexuelle Revolution, die Möglichkeit der Verhütung mittels ›Pille‹, die Frauen eine bisher nicht gekannte Sicherheit gegenüber ungewollter Schwangerschaft bot und ihnen somit kompromißlose sexuelle Selbstbestimmung ermöglichte – entwickelte sich ein Markt für Fetischbekleidung aus Leder, Gummi und Lack, durch erfolgreiche Fernsehserien (The Avengers (1961–1969) dt.: Mit Schirm, Charme und Melone), die das Thema Fetisch aufgriffen und die Modewelt, die sich gleichfalls der klassischen Fetischmaterialien wie Leder und Lack annahm, ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Bei Regenbekleidung stand nicht mehr das praktische, sondern der Chic im Vordergrund, mit schwarzem oder rotem, glänzendem Lack als bevorzugtem Material. Zu immer kürzer werdenden Röcken gesellten sich oberschenkellange Stiefel aus Lack- und Stretchleder mit halbhohen Blockabsätzen. Auch Gummistiefel wurden modischer, besonderen Ruf erlangten in den 1970er Jahre die aus Schweden stammenden ACQUO-Boots, die seit einigen Jahren in verschiedenen Schafthöhen wahlweise mit flachem oder halbhohem Blockabsatz wieder verfügbar sind und sich offensichtlich großer Beliebtheit erfreuen.

Gummi hielt jedoch weniger Einzug in die offizielle Mode, dafür entwickelte sich im Fetischbereich eine bunte Modewelt in mehrfacher Hinsicht, die kaum noch an die einstige doch recht biedere ›Schlankheitswäsche‹ erinnerte.

In Laufe der 1980er Jahre wurde Gummi von Designern entdeckt, wie beispielsweise Ectomorph in England, die sich auf exklusive Gummikleidung für den Fetischbereich spezialisiert haben, die sich problemlos im Alltag tragen läßt. Seit kurzem widmet sich Rosengarn, eine nordwestfälische Manufaktur für Gummikleidung, verstärkt alltagstauglicher, modischer Gummikleidung. Überhaupt begann sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine selbstbewußte Fetischszene zu formieren, die sich nicht mehr schamhaft in vermeintlich dunklen Kellern herumtrieb und die sich in 1990er Jahren etablierte. In den 1990er wuchs auch die Zahl der Hersteller von Fetischbekleidung aus Gummi. Gummikleidung läßt sich mittlerweile grob in zwei Bereiche einteilen läßt, die bunte und phantasievolle Designerbekleidung, die das Angebot zu dominieren scheint, und die mehr praktische und klassische funktionale, die mitunter ihre Herkunft aus der Sparte ›Schlankheitswäsche‹ nicht verleugnen kann, die vielleicht daher auf manche und so auch auf mich einen besonderen Reiz ausübt.

Designerkleidung ist zwar schön anzusehen, ideal für Parties bei denen das Sehen und das Gesehen werden im Vordergrund steht, die natürlich auch bei sexuellen Handlungen getragen werden kann und auch wird, die aber jede ruppige Behandlung schnell übel nimmt, in der Weise, daß sie sich nur schlecht flicken läßt, ohne daß dies zu sehen ist. Während funktionale Gummikleidung oft zwar schlicht vom Schnitt ist, meistens erschwinglicher, und eine ruppige Behandlung nicht so übel nimmt und sich insofern leichter flicken läßt, als daß eine schlechte Flickstelle weniger bis gar nicht störend ist, da diese Sachen ohnehin nur bei sexuellen Handlungen und im kleinen Kreis getragen wird, und das Tragegefühl und die sexuelle Stimulation durch Gummi im Vordergrund steht.

Da Gummihaushaltshandschuhe zu den Gummiartikeln zählen, mit denen so gut wie jeder schon früh in seinem Leben in Kontakt kommt, und sei es nur, weil vornehmlich die Mutter selbige zu bestimmten Hausarbeiten trägt, ist die Überlegung interessant, wie viele einen sexuellen Bezug dazu entwickeln, ohne sich als Gummifetischisten zu sehen und das Bedürfnis verspüren, Kleidung aus Gummi zu besitzen und zu tragen, für die Gummihaushaltshandschuhe jedoch ein ständiger Begleiter bei sexuellen Handlungen im partnerschaftlichen wie im autoerotischen Bereich darstellen.

Zwar sind nicht alle Gummifetischisten auch Liebhaber der ›weißen Erotik‹, jedoch scheinen nicht wenige ihrer Liebhaber zugleich Gummifetischisten zu sein. Das mag viele Gründe besitzen, ein wichtiger scheint jedoch zu sein, daß Gummi im – realen – Klinikalltag fest verankert ist. Gummihandschuhe haben seit ihrer Einführung in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts geholfen, die Hygiene spürbar zu verbessern, Gummilaken als pflegeleichte Unterlage nicht nur für Inkontinente, sondern für alle, die bettlägerig sind, und nicht selbst ein WC aufsuchen können, als aufblasbare Ringe, um bestimmte Körperregionen im Liegen nicht zu belasten, Schläuche aller Art, Windelhosen; die Liste ließe sich beliebig fortführen. Mancher hat schon während der Zeit, als es noch keine Fetischbekleidung aus Gummi gab, seine Affinität zu Gummi während eines Krankenhausaufenthalts entdeckt und manche Medizinerin und mancher Mediziner durch die Arbeit.

Persönliches zum Abschluß

 

Ich entdeckte meine Faszination für Gummi recht früh über Gummihaushaltshandschuhe, PVC-Regenjacken und Gummistiefel, lange bevor ich aufgrund meines Alters die erotisch sexuelle Komponente erkennen konnte. Tatsächlich fühle ich mich nicht in der Lage, einen Zeitpunkt festmachen zu können, während der ich Gummi für mich bewußt entdeckte, was mich gerne zu der selbstironischen Aussage verleitet, als Gummifetischist auf die Welt gekommen zu sein. Meine Vorliebe für Gummihaushaltshandschuhe hält bis heute an. Mit der Pubertät wurde diese Vorliebe schließlich zum ›richtigen‹ Gummifetischismus, der bis heute ungebremst anhält und mein Leben bereichert.

Gummi zu tragen, vermittelt mir ein besonderes Körpergefühl. Mein Gummifetischismus hat dazu geführt, daß ich mir die Körperbehaarung durch Rasur regelmäßig entferne. Es ist ein kaum zu beschreibendes Gefühl, Gummi direkt auf der Haut zu spüren, da ohne Haare Berührungen intensiver wahrgenommen werden, es ist ein wundervoll weiches Streicheln. Das Rascheln von Gummi ist ein eigenes betörendes Geräusch. Liegt Gummi eng an, übt es einen angenehmen gleichmäßigen Druck aus, liegt es locker an, streichelt es bei jeder Bewegung sanft über die Haut. Gummi scheint eine Art Verstärker von Berührungen zu sein, da Berührungen durch Gummi hindurch subjektiv als intensiver empfunden werden.

Ein wesentliches Accessoire bei Gummifetischisten sind Gasmasken, nicht nur, weil sich damit weitgehend gefahrlos Atemkontrollspiele durchführen lassen, in dem die Menge der einströmenden Luft durch Reduzierstücke vermindert wird, sondern mehr noch, weil sie dem Träger das Gefühl vermitteln, vollständig in einer wunderbaren Welt aus Gummi eingeschlossen zu sein und somit eine Form von Geborgenheit und Sicherheit erzeugen.

Es mag auf den unbedarften Beobachter erscheinen, als würde ein Paar, bei dem sich beide vollständig in Gummi und mit Gasmaske kleiden, sich um das Vergnügen der unmittelbaren Berührung der Haut des anderen bringen, jedoch erzeugt das gemeinsame Ausleben des Fetischs eine größere Intimität, als es die bloße Berührung der Haut des anderen jemals könnte, zumal Berührungen durch Gummi hindurch anders, teilweise intensiver wahrgenommen werden. Man weiß, daß der andere in seinem Gummikokon mindestens dasselbe empfindet. Ganz abgesehen davon, daß sich Gasmasken durch Schläuche und Verbindungsstücke so miteinander koppeln lassen, daß sie nicht nur das Gefühl vermitteln, ›dieselbe Luft zu atmen‹.

(Gummi-)Fetischisten wird oft der ›Vorwurf‹ gemacht, daß sie ohne ihren Fetisch sexuell nicht reagieren und agieren könnten, oder, wenn man sich in vorgeschobene Toleranz üben will, daß ein Fetisch nur dann unproblematisch ist, wenn man auch ohne ihn sexuell reagieren und agieren kann. Letzteres können die meisten Fetischisten sicherlich, die Frage ist eher, ob sie es auch wollen, ob es für sie einen Gewinn darstellt, auf etwas, wenn auch nur vorübergehend zu verzichten, daß der eigentliche Gewinn für sie darstellt. Auf den geliebten Fetisch zu verzichten, ist für einen Fetischisten so, wie bei Speisen aufs Salz zu verzichten, kann man machen, ist aber reichlich fade, wie jeder weiß. Die Frage ist daher nicht, ob ein Fetischist ohne seinen Fetisch sexuell reagieren und agieren kann, sondern ob er es auch will! Denn warum sollte jemand ernstlich auf etwas verzichten, das ihm Freude bereitet und sein Leben bereichert? Wenn also zwei Personen ihre sexuelle Erfüllung finden, in dem sie sich vollständig in Gummi kleiden, womöglich mit Gasmasken, Verschlauchung, Gummimänteln, Gummiwatstiefeln und dicken Gummihandschuhen, dann ist das allein ihre Angelegenheit, denn Gummifetischismus dürfte, wie so gut wie alle Material-Fetische, so ziemlich das harmloseste sein, was man sich vorstellen kann und Gummi ist im Gegensatz zu Leder zudem vegan und zu im Gegensatz zu den Ausgangsstoffen von PVC und PU ein nachwachsender Rohstoff, der vollständig biologisch abbaubar ist.

 

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