Kurzes #14 – Die Marmeladentörtchen

von
Armin A. Alexander

Er hörte das Wasser im Bad rauschen. Er schmunzelte vor sich hin. Sie machte sich für ihn frisch. Er suchte nach den Keksen. Es waren gekaufte, noch in Zellophan einpackt. Er berührte die Packung mit spitzen Fingern, als enthielte sie etwas ganz besonders Abstoßendes. Zwar war es eine bessere Marke, aber das war nichts gegen selbstgebackene! Nachdem er sich vorhin soviel Mühe gegeben hatte, erschien es ihm als Sakrileg, ihr fertige Kekse zum Tee zu servieren. Vor allem da ihre Tees sorgsam ausgewählte Mischungen waren. Wie konnte jemand mit soviel Stil bei einer Sache nur so nachlässig bei einer anderen sein? Nein, das würde er nicht mitmachen. Das war ein Fall für seine berühmten Marmeladentörtchen.
Mit diesen begeisterte er seine Gäste seit seinen Studententagen. Mittlerweile hatte er sie in so vielen verschiedenen Varianten gebacken, daß er längst selbst den Überblick verloren hatte. Geboren war das Rezept aus dem Umstand, daß das Geld stets schneller zur Neige ging als der Monat. Und man seinen Gästen doch etwas mehr als Kaffee und Tee anbieten sollte. Für die Törtchen benötigte er lediglich etwas Mehl, ein bis zwei Eier, etwas Zucker, die eine oder andere Zutat, die er noch keinem verraten hatte und die Marmelade, die gerade im Haus war. Wie bei allem kam es einzig auf die Mischung, weniger auf die Zutaten an.
Während sie duschte und sich umzog, dabei überlegte, wie sie den Abend für sie beide zu einem unvergeßlichen Erlebnis machen könnte, summte er in der Küche fröhlich vor sich hin, machte seine berühmten Marmeladentörtchen und während sie im heißen Ofen vor sich hin backten, spülte er und räumte auf.
Als sie nach etwas mehr als einer Stunde gutgelaunt und wohlriechend in die Küche kam, war er längst fertig. Die Marmeladentörtchen kühlen auf einem großen Teller ab und der Tee erfüllte den Raum gemeinsam mit diesen mit einem aphrodisischen Duft.
Er hatte sie gar nicht kommen gehört, obwohl sie nicht leiser als sonst gegangen war. Erst als sie sagte, er könne jetzt den Tee servieren, schreckte er förmlich aus seiner Selbstversunkenheit.
Nach dem kurzen Schreck zog ein Strahlen des Bewunderns über sein Gesicht. Sie sah einfach hinreißend aus. Sie trug ein leicht geschnürtes Korsett aus schwarzem Satin, das ihre vollen Brüste auf eine sinnliche Weise anhob, schwarze, hauchzarte Nahtstrümpfe, schwarze Schuhe mit turmhohen Absätzen, auf denen sie sicher ging und ein wadenlanges, halbtransparentes leicht gegürtetes Négligé, das mehr sehen als ahnen ließ, daß sie darunter kein Höschen trug. Ihr Make-up war sehr verführerisch aber alles andere als aufdringlich oder gar vulgär. Es betonte ihre schönen braunen Augen und ihre vollen weichen Lippen. Ob sie ihm erlauben würde, sie zu küssen?
Sie bemerkte seine Bewunderung und lächelte nicht nur in sich hinein. Dieser interessante Mann war ihr ganz ergeben.
Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten ging sie ins Wohnzimmer. Das Nichts von einem Négligé wehte lautlos hinter ihr her. Ihr Po war hinreißend und ihn durchlief ein Gefühl des Begehrens und der Lust auf sie und eines der Angst, daß außer Schauen nichts sein würde. Trotz ihrer leibhaftig gewordenen Sinnlichkeit und Verführung glaubte er eine Mauer der Unnahbarkeit zu spüren.
Er gab sich innerlich einen Ruck. Er stellte Tee, zwei Tassen, Milch, Zucker, Zitrone und seine berühmten Marmeladentörtchen auf ein großes Tablett und schritt mit bis zum Hals klopfendem Herzen, feuchten Händen und Revolte im Schoß formvollendet zu ihr ins stilvoll eingerichtete Wohnzimmer.
Sie saß würdevoll aufrecht mit damenhaft übereinandergeschlagenen Beinen in einem bequemen beigen Ledersessel, das Négligé scheinbar nachlässig drapiert, so daß es zwar ihre langen Beine mit den muskulösen Schenkeln und den schmalen Fesseln ungehindert seinen bewundernden Blicken darbot, ihren Schoß jedoch beinahe schamvoll verdeckte.
Während er das Tablett auf einem kleinen Tisch neben ihr abstellte, konnte er den Blick kaum von ihren Beinen wenden. Dabei bot sie insgesamt einen überaus atemberaubenden Anblick. Aber sie hatte sich nun mal so plaziert, daß ihm keine andere Wahl blieb.
Er schenkte ihr Tee ein und wunderte sich, daß seine Hand trotz allem nicht zitterte, obwohl sein Herz heftig schlug und er nichts anderes wollte als dieser Frau jeden Wunsch erfüllen.
Auf seine Frage, auch mit einigermaßen ruhiger Stimme vorgebracht, wie sie ihren Tee wünsche, antwortete sie mit einem sanften Lächeln: »Nur etwas Zitrone, bitte.«
Sie nahm die Tasse mit dem dampfenden Tee entgegen und berührte dabei wie zufällig seine Hand. Ein elektrisierendes Gefühl durchströmte ihn. Fast hastig bot er ihr den Teller mit den noch ein wenig warmen Marmeladentörtchen an, gespannt, ob sie davon auch begeistert wäre. Sie betrachtete sie interessiert. Jedenfalls dufteten sie gut. Und nach dem, was er ihr heute abend kredenzt hatte, würde sich das nicht nur auf den Duft beschränken. Sie nahm eines. Er folgte gebannt mit dem Blick dem Törtchen, wie es zwischen ihren vollen Lippen verschwand. Sie zerkaute es nicht einfach, sie ließ es sich auf der Zunge zergehen. Und er sah an ihrer Mimik, daß er ihren Geschmack getroffen hatte. Sie sparte nicht mit Komplimenten. Nahm ein zweites, biß genüßlich hinein, und– da passierte es! Sie sahen sich betreten an. Sie war erstaunter als er und schien erst gar nicht glauben zu wollen, daß das halbe Törtchen, natürlich mit der Marmeladenseite, auf ihrer rechten Schuhspitze gelandet war. Mitten drauf. Wie die Puscheln an seinen Pantoffeln, an die er sich längst gewöhnt hatte.
Nachdem sich die Überraschung gelegt hatte, bat sie ihn, das Törtchen doch zu entfernen. Obwohl als Bitte vorgebracht, war die Aufforderung, der Befehl unüberhörbar. Er war für den Moment versucht, in die Küche zu gehen und einen Lappen zu holen. Doch dann tat er was, was ihn erst später überraschte, aber genau das war, was sie von ihm wollte; er kniete sich vor sie, nahm das Törtchen mit dem Mund von ihrem Schuh und leckte die Marmelade vom Leder. So gut hatte ihm noch keines seiner Törtchen geschmeckt. Dabei hatte er schon das eine oder andere gemacht, das noch schmackhafter war als diese.
Er konnte es aus seiner Position heraus nicht sehen, aber sie strahlte volle Zufriedenheit aus. Sie hatte sich in ihm nicht enttäuscht und er hatte seine Probe bestanden. Von jetzt an würde sie ihn erhören.
Er leckte noch über ihren Schuh, als längst keine Marmelade mehr vorhanden war und er das halbe Törtchen bereits zerkaut und hinuntergeschluckt hatte.
»Ich glaube, am Absatz ist noch was«, meinte sie sanft, aber bestimmt.
Es war ihm unmöglich ihr nicht bereitwillig zu folgen. Er war längst in der Stimmung jede ihrer Anweisungen bedingungslos auszuführen. Er umspielte den hohen schlanken Absatz genüßlich mit der Zunge wie eine Zuckerstange, ja wie einen warmen, pulsierenden Phallus.
Sie nahm ein weiteres Marmeladentörtchen und – Hoppla, was war sie heute wieder ungeschickt! – es landete auf ihrem Knie.
Sie sagte es ihm. Er sah auf. Ihr Absatz glänzte von seinem Speichel, seine Augen leuchteten. Er hatte den Geschmack von Schuhleder und Marmeladentörtchen im Mund. Nur zu bereitwillig entfernte er auch dieses mit dem Mund und leckte über den zarten Stoff. Sie trank genüßlich einen Schluck Tee und delektierte sich an einem weiteren Törtchen, das diesmal aber gänzlich in ihrem Mund verschwand, während er über ihre Strümpfe leckte und sie mit seinem Speichel naß machte.
Als er das Törtchen von ihrem Knie genascht hatte, hob er erwartungsvoll den Blick. Er wollte mehr. Er lechzte geradezu danach, Törtchen von ihren Strümpfen, ihren Schuhen zu lecken. Sie sahen sich an. Ihre Augen glänzten. Es gab für sie nur noch sie beide. Sie schob sich ein weiteres Törtchen zwischen die feuchtglänzenden tiefroten Lippen. Er hoffte inständig, daß auch dieses den Weg auf ihre Beine oder ihre Schuhe finden würde. Doch nichts dergleichen. Sie aß es ›unfallfrei‹. Er war enttäuscht. Sie kaute genüßlich und nahm einen Schluck Tee.
Dann umfaßte sie, für ihn völlig überraschend, seinen Kiefer mit einem festen Griff und zwang ihn, den Mund zu öffnen. Er hatte keine Wahl, wollte er sie nicht zurückstoßen, woran er nicht einen Moment dachte. Bevor er großartig rätseln konnte, was sie vorhatte, beugte sie sich schon über ihn und ließ den Inhalt ihres Mundes aus vielleicht zwanzig Zentimeter Höhe in seinen laufen. Tee, vermischt mit ihrem Speichel und dem halbzerkauten Marmeladentörtchen.
Ihm blieb keine Wahl, als es zu schlucken. Und er schluckte es gerne. Nein, das Marmeladentörtchen schmeckte noch besser als die beiden anderen!

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