Kurzes #76 – Das geheimnisvolle Rendezvous

von
Armin A. Alexander

Fortsetzung von »Marlies« und »Zwölf erotische Aquarelle«.

 

Marlies’ Besuch hatte seine innere Unruhe zwar besänftigten, aber nicht zerstreuen können. Am nächsten Tag lag wieder keine Nachricht der schönen Unbekannten im Briefkasten, wie auch am darauffolgenden. Fast eine Woche verging. Und mindestens einmal am Tag rief Marlies an, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, wie sie sich ausdrückte. Anteilnahme von Freunden ist etwas Schönes, kann mitunter aber auch reichlich lästig werden.

Die schöne Unbekannte beherrschte fast alle seine Gedanken. Seine größte Befürchtung war, nie zu erfahren, warum er diese zwölf schönen und sinnlichen Aquarelle erhalten hatte, was ihn mehr als einmal des Nachts schweißgebadet aufwachen ließ.

Auf den Tag eine Woche nach dem letzten Aquarell lag ein Standardbriefumschlag in seinem Kasten. Daß er von IHR sein mußte, erkannte er sogleich an der Handschrift, in der sein Name geschrieben war. Mit nervösen Fingern, zwischen Erleichterung und Furcht hin und her pendelnd, schließlich konnte er auch eine für ihn wenig angenehme Erklärung enthalten, riß er den Umschlag noch am Briefkasten auf.

Auf einem Blatt feinem handgeschöpftem Schreibpapier stand in einer schönen, mit einer Kalligraphiefeder geschrieben Handschrift:

Du fragst Dich sicher seit einer Woche, was nach diesen Blättern kommen wird. Geduld! Nicht mehr lange und Du erfährst es.

Er las den Text mindestens dreimal hintereinander, obwohl er kaum mißzuverstehen war.

Erst als er vor seinem Schreibtisch stand, wurde ihm bewußt er, daß er beim Lesen die Treppe hinauf in die Wohnung zurückgegangen war.

Anstatt daß ihn diese Ankündigung beruhigte, steigerte sie seine Nervosität.

»Wieso läßt sie dich damit über ihre wahren Absichten im Dunkeln«, verstand Marlies ihn nicht, die er etwas später anrief, da er mit jemanden darüber reden mußte. »Das ist doch so klar wie dicke Tinte; die Frau steht ungeheuer auf dich und will nur eines von dir, das aber auf eine Weise, die sicherlich nicht nur mich vor Neid erblassen läßt.«

Irgendwo hatte sie ja recht, aber Skepsis war nun einmal sein zweiter Vorname. Er diskutierte darum nicht weiter mit ihr.

Wie dem auch sei, er mußte die Urheberin dieser Aquarelle kennenlernen!

Es war nicht allein die schöne geheimnisvolle Frau, als die sie sich darstellte, die Schöpferin einer einfühlsamen Erotik, sondern in erster Linie der Wunsch, derjenigen zu begegnen, die in der Lage war, sich so etwas auszudenken und durchzuführen. Ohne jemandem nahetreten zu wollen, wußte er in meinem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis niemanden, der auf diese phantasievolle Weise vorgegangen wäre. Er fieberte mehr als zuvor dem Tag entgegen, an dem er die angekündigte Aufklärung erhalten sollte.

Erneut verstrichen drei Tage. Drei Tage, die ihm unendlich lang erschienen und während denen er sich unzählige Male die Zeichnungen ansah und den Brief mehrfach las. Die Phasen zwischen den einzelnen Briefen waren lang genug, um seine Erwartung auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu halten, und nicht Gefahr zu laufen, daß er das Interesse verlor.

Als er schließlich einen gepolsterten Umschlag mit der bekannten Handschrift, in dem fühlbar ein harter Gegenstand lag, aus dem Briefkasten holte, war er gleichermaßen erleichtert und aufgeregt. Er riß den Umschlag sogleich auf und heraus fielen zwei an einem Ring befestigte Schlüssel und ein Zettel auf dem stand:

Komme morgen um 14 Uhr zur Alten Bergstraße Nr. 13, zweiter Stock rechts. Dann wirst Du erfahren, wer Dir diese Blätter geschickt hat.

Endlich etwas Konkretes. Was ihn aber kaum beruhigte, denn von nun an beschäftigte ihn die Frage, was ihn dort erwarten würde, obwohl es wahrlich nicht viele Möglichkeiten gab.

Den Rest des Tages verbrachte er in großer innerer Unruhe. Marlies rief er nicht an und sie rief ihn glücklicherweise auch nicht an. Er hatte absolut keine Lust, sich ihre gutgemeinten Ratschläge anzuhören.

In der Nacht schlief er unruhig. In seinen Träumen durcheilte er verschiedene, ihm unbekannte alte Häuser mit riesigen Wohnungen und endlosen Fluren. An den Wänden hingen die Aquarelle überlebensgroß und wurden die dargestellten Szenen lebendig, sobald er sie nur einen Moment betrachtete. Er begegnete schönen unbekannten Frauen, die ich nur von hinten oder verschwommen sah, einige von ihnen besaßen eine auffallende Ähnlichkeit mit Marietta oder Francesca, die aber beim Näherkommen gänzlich verschwanden, und die er nicht erreichen konnte. Dazwischen begegnete ihm sogar Marlies, die ihm lachend erklärte, daß sie ihm die Aquarelle geschickt hätte, um ihm wieder zu ihrem Liebhaber zu machen, schließlich habe er bisher alle ihre Avancen ignoriert, so daß sie sich gezwungen sah, zu einem solchen Mittel zu greifen. Die Vorstellung, mit Marlies eine Beziehung haben zu müssen, ließ ihn schweißgebadet aufwachen. Es war ihm im ersten Moment unsagbar peinlich, daß ihn diese Vorstellung derart schreckte. Zum Glück würde sie nie etwas davon erfahren.

Reichlich zerschlagen stand er am späten Morgen auf und nahm ein ausgiebiges Bad.

Es war ein wunderbarer sonniger Frühlingstag, wie geschaffen für ein geheimnisvolles Rendezvous mit einer faszinierenden schönen Frau. Die Vögel gaben ihr liebliches Konzert, das Grün sprießte und die Blüten zeigten sich in ihrer vollen Pracht. Er wußte es wohl zu würdigen, doch die Nervosität hielt ihn gefangen.

Nach einem Blick in den Stadtplan stellte er fest, daß die Alte Bergstraße gar nicht so weit vom Zentrum entfernt lag, wie er zuerst vermutet hatte. Es handelte sich um eine ruhige Seitenstraße, von denen es in dieser Stadt einige gab. Man konnte sich durchaus nur einen Steinwurf von einer belebten Kreuzung befinden und doch das Gefühl haben, in einer Oase der Ruhe zu leben. Das war eines der Dinge, die er an dieser Stadt schätzte. Er wohnte vergleichbar.

Die Nummer 13 war ein älteres gepflegtes Haus mit einem kleinen leicht verwilderten Vorgarten, der zum Gehweg hin von einer niedrigen rauhverputzten Mauer abgegrenzt wurde. Zu beiden Seiten des schmalen Weges, dessen Betonplatten verschiedentlich Sprünge aufwiesen, wuchs eine frisch auf die Höhe der Mauer gestutzte Hecke. Er ging die drei Stufen zum Eingang hinauf, der ein Stück hineingebaut war, so daß er ausreichend vor Wind und Wetter geschützt war. Er sah auf die Klingelleiste. Es gab sechs Wohnungen, auf jeder Etage zwei. Neben allen war ein Namensschild angebracht bis auf eine. Was ihn nicht wunderte, obwohl er sich einen Hinweis gewünscht hätte.

Er versuchte einen der beiden Schlüssel. Der erste Versuch gelang. Das sah er als gutes Omen an. Wie jeder moderne Mensch war er grundsätzlich nicht abergläubisch, außer wenn es angebracht war.

Er drückte die Tür auf und trat in den kühlen, im leichten Halbdunkel liegenden Hausflur. Ein langer, halbdunkler Gang führt zur Treppe, die im zum Hof hinaus liegenden Teil des Hauses lag, das eigentliche Treppenhaus wurde von großen Fenstern hell erleuchtet.

Er stieg die etwas steilen leicht ausgetretenen Stufen mit klopfendem Herzen hinauf. Er begegnete niemandem. Auf dem letzten Absatz vor der betreffenden Etage blieb er am Flurfenster stehen, dessen rechter Flügel geöffnet war. Er schaute in einen Hof, in dem auf einer großen vermoosten Rasenfläche drei uralte Linden und verschiedene, leicht verwachsene blühende Sträucher wuchsen. Die Rasenfläche grenzte an die Rückfront einer Reihe niedriger mit Dachpappe gedeckter Garagen, die im Hof des gegenüberliegenden Hauses standen. In den Linden hatten sich Vögel niedergelassen, die mit ihrem Gesang den Hof erfüllten und ihn zu einem Idyll werden ließen.

Er riß mich von dem beruhigenden Anblick los und ging die letzten Stufen hinauf.

An der Tür war ebensowenig ein Namensschild.

Für einen Moment war er versucht, an der Nachbarwohnung zu klingeln und zu fragen, wer die gegenüberliegende Wohnung gemietet hatte. Doch er glaubte nicht, daß ihn das ernstlich weitergebracht hätte, dafür würde er mit Sicherheit einen reichlich merkwürdigen Eindruck hinterlassen haben.

Er steckte den anderen Schlüssel ins Schloß, drehte ihn, nachdem er tief durchgeatmet hatte, zweimal herum und betrat eine weitgehend dunkle Diele.

Seine an das helle Sonnenlicht gewöhnten Augen konnten sich kaum zurechtfinden. Gewohnheitsgemäß taste er nach einem Lichtschalter. Er fand ihn und betätigte ihn. Aber die Diele blieb dunkel, wurde nur vom durch die offene Tür hereinfallenden Treppenhauslicht erhellt. Das genügte ihm, um zu sehen, daß die von der Decke herabhängende Fassung bar jeder Glühbirne war.

Er schloß die Tür hinter sich. Halbdunkel umfing ihm. Nachdem seine Augen sich einigermaßen daran gewöhnt hatten, erkannte er vier geöffnete Türen, durch die genügend Licht hereinfiel, so daß er sich bewegen konnte, ohne irgendwo anzustoßen, wobei diese Gefahr gering war, denn die Diele war bis auf drei Garderobenhaken links neben der Tür leer. Er steckte den Schlüssel in die rechte Jackentasche und betrat den ersten Raum.

Darin war eine fest eingebaute Küchenzeile und ein kleiner quadratischer Tisch mit zwei Stühlen, ein leises Brummen zeigte, daß der Kühlschrank in Betrieb war. Er öffnete ihn. Auch hier war die Glühbirne ausgebaut. Er war leer bis auf eine volle Flasche Mineralwasser.

Der Grund für das Dämmerlicht waren die heruntergelassenen, aber leicht geöffneten Jalousien und die dicht zugezogenen Vorhängen. Das durch die Ritzen der Jalousie fallende Sonnenlicht warf auf die Rückseite der Vorhänge helle Streifen, die sich im Luftzug des gekippten Fensters leicht bewegten.

Er versuchte den Vorhang aufzuziehen, aber es gelang nicht. Er war in der Gardinenleiste festgestellt, was sich ohne zur Hilfename einer Leiter und Werkzeug nicht ändern ließ. Ebenso widersetzte sich die Jalousie seinen Versuchen, sie zu hochzuziehen. Sie war gleichermaßen trickreich fixiert.

Er verließ die Küche und ging in das Zimmer gegenüber, einem Wohnzimmer, möbliert mit zwei bequemen, nicht mehr ganz neuen Ledersesseln, einem leeren Bücherregal und einem niedrigen Glastisch. Auch hier waren Jalousie und Vorhänge auf die gleiche Art fixiert.

Er hielt sich hier nicht lange auf und betrat den Raum am Ende der Diele, der sich als kleines Bad mit einem ebenso kleinen Fenster erwies, bei dem es genügte, einen dichten Vorhang davor zu befestigen, um es in Dämmerlicht zu tauchen. Neben dem Waschbecken hingen zwei frische Handtücher, und ein neues Stück Seife lag in der Seifenschale über dem Waschbecken. Er drehte den Wasserhahn auf und ließ kaltes Wasser über die Unterarme laufen. Das erfrischte und beruhigte ihn ein wenig. Nachdem er die Hände abgetrocknet hatte, nahm er den letzten Raum in Augenschein. Die Wände waren in einem kräftigen Blau gestrichen, soweit sich das in diesem Dämmerlicht beurteilen ließ. Auf dem Boden lag ein kurzfloriger Teppich in ähnlicher Farbe. Ein breites Messingbett mit blauer Satinbettwäsche bezogen stand mittig an der Wand, rechts und links zwei niedrige Nachttische. Dem Fenster gegenüber stand ein Frisiertisch mit großem Spiegel und einem schmalen Stuhl davor, dem Bett gegenüber ein nicht sehr großer zweitüriger Kleiderschrank. Das Schlafzimmer ging wie die Küche auf den Hof hinaus. Auch hier war das Fenster geöffnet, spielte der Luftzug mit den Vorhängen. Dieser Raum war mehr als die anderen von einem leichten, kaum wahrnehmbaren süßlich herben Duft erfüllt, der nicht von der Flora des Hofes stammen konnte.

Hatte man sich einmal an das Halbdunkel gewöhnt, war es in allen Räumen hell genug, um mehr als nur schemenhafte Umrisse zu erkennen. Aber wiederum nicht so hell, um beispielsweise lesen oder Dinge detaillierter betrachten zu können.

Alles fügte sich ins Bild der anonymen Aquarelle und Briefe. Eine lichtdurchflutete Wohnung hätte ihn weitaus mehr in Erstaunen versetzt. Die schöne Unbekannte wollte es ihm so schwer als möglich machen, sie außerhalb dieser Wohnung zu erkennen. So wurde die Wohnung zu einer eigenen, von der Außenwelt abgeschlossenen geheimnisvollen Welt.

Eine wohltuende Stille umgab ihn. Irgendwo im Haus ging die Toilettenspülung. Kurz darauf hörte er Schritte, draußen ein vorbeifahrendes Auto.

Er war nicht mehr ganz so nervös wie beim Betreten der Wohnung. Es war mehr Ungeduld als Furcht vor dem Unbekannten.

Er konnte sich nicht lange allein in der Wohnung aufgehalten haben, dennoch war es ihm unmöglich zu sagen, wieviel Zeit verstrichen war. Ihm schien jedes Zeitgefühl abhanden gekommen zu sein, als habe die Wohnung ihren eigenen Zeitablauf. Ihm kam jeder Augenblick unendlich kurz und unendlich lang zugleich vor.

Plötzlich, ohne Ankündigung durch Schritte im Treppenhaus, hörte er die Wohnungstür gehen. Er stand mit dem Gesicht zum Fenster und dem Rücken zur Tür. Er fühlte sich unfähig, mich umzudrehen. Wie festgewachsen stand er mitten im Zimmer. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.

Die Wohnungstür wurde leise geschlossen.

Er hielt den Atem an.

Leise Schritte kam näher. Die Person setzte auf Zehenspitzen gehend, vorsichtig einen Fuß vor den anderen.

In diesem Moment wurde ihm fast schmerzlich bewußt, daß er sich in einer fremden Wohnung befand, was auch nichts daran änderte, daß er den Schlüssel dazu hatte. Wäre er jetzt in einem Alptraum – die Situation hatte schließlich etwas Traumhaftes an sich –, wäre er im nächsten Moment bestimmt barsch gefragt worden, was er hier mache, oder irgend was anders, weitaus bedrückenderes wäre passiert, woraus er allerdings durch ein erlösendes Erwachen befreit worden wäre.

Beim Ankömmling konnte es sich nur um seine schöne Unbekannte handeln. In wenigen Augenblicken würde er sie zum ersten Mal sehen. Würde sich davon überzeugen können, daß sie kein Aquarell war.

Er spürte, wie sie jetzt im Türrahmen stand und ihn beobachtete. Langsam trug der Luftzug das Aroma eines leichten fruchtigen, aber auch eine Spur herben Parfums zu ihm herüber. Es war der gleiche Duft, den er beim Betreten der Wohnung nur noch schwach wahrgenommen hatte.

Unwillkürlich versuchte er mich zu erinnern, ob er eine Frau kannte, die ein ähnliches oder gar gleiches Parfum benutzte. Er zog noch immer die Möglichkeit in Betracht, daß die Aquarelle von jemandem kamen, den er von irgendwoher kannte. Aber er konnte es keiner Frau zuordnen.

Wie lange sie so dastanden, sie im Türrahmen, er mit dem Rücken zu ihr mitten im Zimmer, konnte er nicht sagen, ebenso wenig warum er sich nicht sogleich umgedreht hatte, als er hörte, wie jemand die Wohnung betrat. Er war ja nicht Orpheus, darum brauchte er auch nicht zu befürchten, daß seine Eurydike auf immer entschwinden würde, tat er es zu früh.

Dann gab er sich einen inneren Ruck. Das regungslose Verharren war noch schwerer zu ertragen.

Langsam drehte er sich um, als fürchtete er entweder eine große Enttäuschung zu erleben oder, was viel schlimmer wäre, daß hinter ihm niemand wäre und er lediglich ein Opfer seiner überreizten Phantasie war. Von beidem konnte keine Rede sein. Auch als er ein zweites Mal hinsah, verschwand SIE nicht. Er war erfreut, erleichtert, fasziniert, alles zugleich.

Die Person im Türrahmen war groß, leicht zum Molligen neigend mit angenehmen Proportionen, sie hatte das rechte Bein leicht vor das linke gesetzt, auf dem sie ihr Gewicht ruhen ließ, um bequemer zu stehen. Sie war auf ihren hohen Absätzen größer als er, ohne sie mußte sie seine Größe haben. Sie war unverkennbar die Frau auf den Aquarellen. Das Haar war wundervoll dicht und schwer und tiefbraun, im Dämmerlicht fast schwarz, die Lippen sinnlich üppig, leicht geöffnet und tiefrot geschminkt. Mehr konnte er von ihrem Gesicht nicht sehen. Eine schlichte, dennoch aufwendig gearbeitete schwarzseidene Maske bedeckte es zur Hälfte. Aber auch ohne die Maske war sie ihm unbekannt. Allein an ihrer Größe und ihrem herrlichen taillenlangen Haar hätte er sie leicht erkannt. Ihr Alter, falls das überhaupt bei einer faszinierenden, schönen und begehrenswerten Frau von Bedeutung ist, war unmöglich zu schätzen, auf Grund der Maske, des Dämmerlichtes. Sie konnte Ende zwanzig sein, aber auch schon Anfang vierzig, vermutlich irgendwo dazwischen. Ihren feminin üppigen Körper umschmiegte ein hautenges ärmelloses dekolletiertes Kleid aus stoffweichem schwarzen Leder.

Er betrachtete sie wie die Fleischwerdung einer erfüllten Verheißung, seiner geheimsten Sehnsüchte. Es machte ihr nichts aus, daß er sie ausgiebig und begehrlich musterte. Ein sanftes Lächeln umspielte ihren Mund. Kaum merklich hob und senkte sich ihre üppige Brust unter den Atemzügen. Sie schien um einiges ruhiger als er. Ihr Parfum erfüllte mittlerweile den Raum. Er sog den Duft tief durch die Nase ein.

Ihre Haltung strahlte Zufriedenheit aus, als habe sie nicht einen Augenblick daran gezweifelt, daß er ihrer Einladung Folge leisten könnte. Andererseits; wer hätte einer solchen auch widerstehen können? Sicherlich niemand, außer er wäre ein schrecklicher Ignorant.

Nicht ein Wort wurde zwischen ihnen gesprochen. Ihm wäre es auch nicht möglich gewesen. Zudem er fürchtete, daß ein Laut den Zauber brechen könnte.

Im Treppenhaus waren Schritte zu vernehmen und unten ging die Haustür. Draußen fuhr ein Auto fuhr vorbei.

Er wußte nicht, was er tun sollte. Er stand nur da. Er konnte sich nicht einmal dazu überwinden, auf sie zuzugehen, dabei sehnte er sich danach, diese Frau in den Armen zu halten, sie zu spüren, ihre Wärme, ihre Lebendigkeit. Letztlich konnte er nicht anders, als alles weitere ihr zu überlassen.

Sie ging langsam auf ihn zu. Sie setzte jeden Schritt auf Wirkung bedacht. Sie ging nicht einfach auf ihn zu, sie reduzierte den Abstand zwischen ihnen nicht bloß räumlich, sondern vor allem persönlich.

Er hielt zum wiederholten Male den Atem an. Er befand sich völlig in ihrem Bann. Sie beherrschte die Situation.

Mit jedem Schritt, es waren kaum fünf, die sie sich ihm näherte, spürte er ihre physische Gegenwart mehr. Es gab in diesem Moment nur sie und ihn.

Sie blieb so dicht vor mir stehen, wie es möglich war, ohne daß sie sich berührten. Er spürte ihren warmen wohlriechenden Atem im Gesicht, glaubte ihren Herzschlag, der auch leicht beschleunigt war, nicht nur zu hören, sondern auch zu spüren.

Obwohl das Verlangen, sie in die Arme zu schließen, sie mit Küssen zu bedecken, längst übermächtig war, war er noch immer wie gelähmt. Ich fühlte, daß eine allzu voreilige Geste seinerseits, sie zum Rückzug veranlassen würde und das könnte er sich nie verzeihen.

Sie ließ ihn nicht lange im unerfüllten Begehren. Ihr Verlangen war kaum geringer als seines. Sie küßte ihn, wozu sie sich ein wenig hinunterbeugen mußte. Sanft, weich, kaum spürbar berührte sie seine Lippen mit ihren, schob ihm entschlossen die warme feuchte Zunge in den Mund, den er bereitwillig öffnete. Sie küßte ihn genießerisch, als hätte sie alle Zeit der Welt, als wolle sie diesen Kuß endlos auskosten. Ströme der Lust und des Wohlbefindens durchströmten ihn.

Während sie ihn ausgiebig küßte, er ihre Küsse nur erwidern konnte, zog sie ihn schnell doch ohne Hast mit geschickten Fingern und ihn zugleich streichelnd aus. Dabei schob sie ihn langsam zum Bett, das sie in dem Moment erreichten, als er bar seiner Kleidung war. Von einem Moment auf den anderen lag er rücklings darauf. Sie selbst hatte jeden Versuch, sie von ihrem Kleid zu befreien, bereits im Ansatz mit sanften Gesten, aber darum nichtsdestoweniger energisch abgewehrt. Nicht einmal ihre schönen Brüste durfte er aus der Umhüllung des weichen Stoffs befreien. Dabei hätte er gerne einen Blick auf das kleine Muttermal geworfen.

Er unterließ schließlich seine fruchtlosen Versuche. Wenn er dieses Rendezvous mit ihr genießen wollte, wenn er sie genießen wollte, dann mußte er sich ihren Spielregeln unterwerfen. Was ihm nicht leicht fiel. Es war ja nicht so, daß er einer Frau noch nie den aktiven Teil überlassen habe, doch war das immer aus der momentanen Stimmung heraus geschehen. Diese Schöne jedoch hatte von Anfang an beschlossen, ihm den passiven Part zuzuteilen.

Als er endlich bereit war, sich ihr hinzugeben, entspannte er sich und wurde mit einem traumhaften Genuß dafür belohnt. Sie erwies sich als leidenschaftliche einfühlsame Geliebte.

Sie roch herrlich, besaß eine ebenso zarte wie feste Haut. Es spürte das weiche Leder ihres Kleides, das sie soweit wie nötig hochschoben hatte, als sie sich auf ihn legte, ihren Körper an seinem rieb, fühlte ihren sich stetig beschleunigenden Herzschlag. Ich spürte ihre zarten Strümpfe an meinen Schenkeln, ihre Schuhe, die sie nicht ausgezogen hatte. Jede Berührung ihrer sensiblen Finger hinterließen wohlige Schauern auf seiner Haut, erhitzte Stellen. Sie grub die halblangen, dunkel lackierten Nägeln in die Haut, hinterließ deutliche Spuren auf seiner Haut, die ihm wohlige elektrisierende Schauer durch den Körper laufen ließen. Sie ließ ihm Speichel in den Mund laufen, um ihn dann vermischt mit dem seinen mit ihren Küssen zu trinken. Die Bewegungen ihres Schoßes steigerten seine Erregung. Sie verstand es, diese auf einem gleichbleibend hohem Niveau zu halten. Als er das erste Mal in ihr zum Orgasmus kam, ließ sie seine Erregung nicht allzuweit absinken und ihn langsam einem zweiten nähern. Er war in einer Stimmung, in der er sich ihr endlos, bis zur völligen Erschöpfung hingegeben hätte. Dieser Nachmittag wurde ein einziger langer Liebesakt mit gelegentlichen Unterbrechungen des kurzen Entspannens, in denen sie ihn in sich behielt, sich aber mit ihrem ganzen Gewicht, ihrem wunderbaren Frauenkörper auf ihn legte. Er hielt sie in den Armen, als wollte er sie nie mehr loslassen. Sie sahen sich tief in die Augen. Ihre waren dunkel, tiefsinnig und schön, soweit er das in dem spärlichen Licht des Zimmers erkennen konnte. Doch blieb ihre Maske trennend, ließ sie für ihn weiterhin anonym bleiben, zumal bisher nicht ein Wort gesprochen hatte, auch ihr lustvolles Stöhnen war eher verhalten gewesen, im Gegensatz zu der Sprache ihres Körpers. An ihrem Blick würde er sie später nur unter besonderen Umständen wiedererkennen können, letztlich nur in einer vergleichbaren Lage.

Am späten Nachmittag verließ sie ihn. Die Sonne schien nur noch schwach und in der Wohnung war es jetzt so dunkel, daß sich nur mit Mühe etwas erkennen ließ. Er sah mit halbgeöffneten Augen, wie sie ihr Kleid richtete und dann mit einem letzten Blick auf ihn, der tiefe Zufriedenheit ausdrückte, den er allerdings mehr fühlte als wirklich sah, die Wohnung verließ.

Er fühlte sich sehr matt. Er konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte Mal so exzessiv mit einer Frau zusammen gewesen war. Lediglich Marlies fiel ihm ein, was ihm ein wenig unangenehm war, als hätte er sie seinerzeit gegen ihren Willen verführt.

Es gelang ihm nicht, aufzustehen und der schönen Unbekannten zu folgen.

Er benötigte fast eine halbe Stunde, bis er aufstehen und sich anziehen konnte. Als er in der Jackentasche nach dem Hausschlüssel suchte, fand er ihn nicht mehr. Vielleicht hatte er ihn in der Küche ablegt, obschon er sicher war, gewohnheitsgemäß in die Jackentasche gesteckt zu haben. Aber in der Küche war er nicht. Er ließ auch sonst nirgendwo finden. SIE mußte ihn mitgenommen haben. Das war die einzige schlüssige Erklärung.

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