Kategorie-Archiv »Literarisches«

Kurzes #45 – Schönheit ist subjektiv

»Sag mal, warum hast du immer eine so glückliche Hand bei der Auswahl deiner Frauen«, fragte Daniel Florian, seinen besten und ältesten Freund, mit einem langgezogenen Seufzer.

»Ach? Ja? Habe ich das?« erwiderte Florian und mußte sich ein leicht ironisches Grinsen verkneifen. »Was bringt dich auf den Gedanken?«

Florian kannte den Freund lange genug, um an seiner Frage zu erkennen, daß bei ihm in Liebesdingen wieder einmal gehörig etwas anders verlaufen sein mußte, wie er es sich vorgestellt hatte.

»Ja, das hast du«, antwortete Daniel im Brustton der Überzeugung und von einem nicht zu überhörenden Vorwurf begleitet, der weniger Florians vermeintlichen Erfolgen als der ›Weigerung‹ galt, seinen besten Freund in sein ›Erfolgsgeheimnis‹ einzuweihen.

Florian ahnte bereits den Grund, weshalb der Freund sich in dieser Stimmung befand.

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Kurzes #44 – Marias Überraschung

Der folgende Text ist die Fortsetzung und zugleich der letzte Teil von »Der Gipsfuß«, »Der Rekonvaleszent«, »Rolf wird umsorgt« und »Die neue Nachbarin«

 

Während der Nacht träumte Rolf, wie er ins Badezimmerfenster der Nachbarwohnung sah. Doch stand nicht seine Nachbarin unter der Dusche, sondern Maria in einem hellblauen Seidenkleid. Maria, die sie sich lüstern im Kleid, Nylons und hochhackigen Schuhen in der gefüllten Wanne räkelte. Maria, die wie Venus Anadyomene in einer sonnendurchfluteten Landschaft aus einem vom üppigen Wald umgebenen idyllischen See in einem roten langen Seidenkleid stieg. Maria, die in einem schicken Kostüm aus rotem Satin in einem wolkenbruchartigen Regen allein eine lange Straße im Schein der Laternen, die ein fast taghelles Licht vor einem tiefschwarzen Himmel auf den nassen Asphalt warfen, gravitätisch entlang schritt, durchnäßt bis auf die Haut und das sichtlich genoß.

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Kurzes #43 – Eine Geschichte aus den Mooren

Es kündigte sich an, ein regnerischer Tag zu werden, und kaum daß sie die behagliche Geborgenheit des Hauses verlassen hatten, fielen die ersten Tropfen. Gernot beeilte sich, in den Geländewagen einzusteigen, Bernice legte keine Eile an den Tag, die wenigen, eher spärlich fallenden Tropfen schienen ihr nicht die leiseste Aufmerksamkeit wert zu sein.
Im Wagen sitzend, während Bernice gemächlich das Heck umrundete, um zur Fahrerseite zu gelangen, kam Gernot seine Flucht vor den Tropfen selbst ein wenig übertrieben vor. Sie waren zwar ungewöhnlich dick, wirkten als seien sie aus dünnflüssigem Öl, aber man mußte sich schon ein wenig anstrengen, wollte man wirklich von ihnen getroffen werden.
Gernot warf einen Blick auf die niedrige, aus lose und ohne Mörtel aufeinandergelegten Feldbruchsteinen bestehende Mauer, die den eher kärglichen Vorgarten umfriedete und aus deren Ritzen Moos und Gräser wuchsen. Zwischen dieser Mauer und der schmalen Straße, deren Asphalt an einigen Stellen brüchig war – nicht vom Verkehr, außer einem Heu einfahrenden Traktor verirrten sich nur wenige Fahrzeuge hierhin, sondern von der Witterung –, lag nur ein etwa einen Meter breiter Streifen fetten, saftiggrünen Grases, eigentlich mehr eine Art flacher Graben, der aber nie Wasser führte; zu gierig sog der Boden dieser Landschaft jeden fallenden Tropfen auf. (mehr …)

Kurzes #42 – Die neue Nachbarin

Der folgende Text ist die Fortsetzung von »Der Gipsfuß«, »Der Rekonvaleszent« und »Rolf wird umsorgt« Rolf beobachtet ein feuchtes Vergnügen der besonders reizvollen Art.

 

Es regnete bereits seit drei Tagen ohne Pause. Zwei Wochen frühlingshafter Sonnenschein mit lediglich einem Tag Unterbrechung konnten schließlich nicht von Dauer sein.

Vier Tage zuvor war die Wohnung gegenüber bezogen worden. Mehrere Leute waren dabei zugange gewesen, so daß es Rolf nicht gelungen war, herauszufinden, wer nun von ihnen seine neuen Nachbarn waren.

Am späten Vormittag sah er seine neue Nachbarin zum ersten Mal durch das geöffnete Badezimmerfenster. Sie war Mitte zwanzig, ein wenig das hübsche Mädchen von nebenan, relativ groß, mit einem femininen Körper und mittellangen dichten dunkelblonden Haaren. Sie trug einen engen roten Satinrock mit breitem schwarzen Lackgürtel, eine weiße Seidenbluse, züchtig bis zum Hals geschlossen und zugleich zu figurbetont, um der Phantasie noch viel zu überlassen, hautfarbene Strümpfe und – ihrem Gang nach zu urteilen – hochhackige Schuhe. Sie stand vor dem Spiegel und steckte sich das Haar mit gekonnter Nachlässigkeit hoch. Anschließend schminkte sie sich sorgfältig in dezenten Farben.

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