Kurzes #98 – Bettina

von
Armin A. Alexander

Die Fortsetzung von: Der Einzug, Die ›Schöne Künstlerin‹ und Der schöne Jüngling

 

Während er an die Decke sah, auf die hereindringenden Frühlingsgeräusche lauschte, aus den Augenwinkeln heraus sah, wie die Gardine im Luftzug des offenen Fensters leicht wehte, versuchte er, die Szene zwischen der ›Schönen Künstlerin‹ und dem Jüngling einzuordnen.

War es letztlich nur schwer vermeidbar, daß sich zwischen Künstler und Modell große Intimität aufbaute? So wie das Modell ein Teil seines Innersten offen legen mußte, mußte der Künstler bereit sein, das Wesen des Modells zu erfassen, um es adäquat darstellen zu können. Daß sich dabei eine erotische Spannung aufbaute, bedingt durch die große Nähe, war nur folgerichtig. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Künstler mit einem Modell arbeitete, ohne gelegentlich und unter entsprechenden Umständen das Bedürfnis entwickelte, mit ihm intim zu werden.

Er kannte nur einen bildenden Künstler, in dessen Mittelpunkt der Mensch stand; Maria. Maria, bei der sich die Kritiker offenbar immer genötigt sahen, neben ihrem Talent fast schon penetrant zu betonen, daß sie eine schöne Frau sei, mit einer »vollendeten Figur und einer Oberweite, an deren Üppigkeit ein Russ Meyer sicherlich seine Freude gehabt hätte«, wie einst ein Vertreter dieser Zunft sich in seiner Euphorie hatte hinreißen lassen zu schreiben, und das auch noch im Feuilleton einer Zeitung, die für einen eher nüchternen Ton bekannt war. Warum mußte Attraktivität bei begabten und intelligenten Frauen immer so herausgestellt werden? Als könnte eine Frau nicht intelligent und schön zugleich sein. Bei Männern erwähnte es doch auch keiner, trafen beide Eigenschaften zusammen. Das war ein Punkt, an den er sich wohl nie würde gewöhnen können. Allerdings war Maria daran nicht ganz schuldlos, schließlich pflegte sie ihre auffallend üppige Oberweite so augenfällig wie möglich zu präsentieren, so daß sich letztlich niemand, der sie kannte, darüber wunderte, wenn diese selbst bei als nüchtern geltenden Feuilletonisten Erwähnung fand.

Von Maria wußte er ja, daß sie mit mehr als einem ihrer Modelle eine intime Begegnung hatte. Sie hatte ihm versichert, daß das stets ihre besten Arbeiten wurden. Zwar war Maria homosexuell und ihre Modelle überwiegend weiblich, doch zweifelte er nicht daran, daß es bei Heteros kaum anders war. Schließlich mußte man doch nur stichprobenartig die Biographie der größten der Zunft durchzugehen. Und doch fühlte er, daß er die Spannung zwischen Künstler und Modell, die Situation zwischen der ›Schönen Künstlerin‹ und dem Jüngling etwa, nicht wirklich nachempfinden konnte. Er brauchte keine Modelle für seine Arbeit, wenn er schrieb, zumindest nicht in dieser Form. Daß seine Figuren natürlich auch nach Modellen geschaffen waren, hätte er als Letzter bestritten. Lag es am Ende daran, daß seine Profession allzu intellektuell, zu abstrakt war? Immerhin gab es nichts Abstrakteres als die Sprache und hatte es nicht unweigerlich auf den, der sich fortlaufend damit beschäftigte, Rückwirkungen?

Er bemerkte, daß er abschweifte, seine Gedanken begannen, ihre eigenen Wege zu gehen.

Bald wurde das Bild seiner Nachbarin von anderen Frauen überlagert, die ihm nahestanden oder einmal nahegestanden hatten. Er dachte auf einmal wieder ausführlich an seine Ornithologin.

Sie bsaß bis überwiegend maßgefertigte Ganzanzüge als stärkerem Latex, die sie oft auf ihren Beobachtungsstreifzügen unter ihrer ›normalen‹ Kleidung trug. Gummistiefel trug sie nicht nur aus praktischen Erwägungen heraus. Darüber hinaus wußte sie über die Besonderheiten der unterschiedlichen Ausführungen von Gummistiefeln in ebenso epischer Breite zu sprechen wie Birgit. Es war eine schöne Zeit mit ihr gewesen. Die einzige Beziehung mit einer reinrassigen Fetischistin, die er bisher hatte. Leider besaß sie nicht einmal im Ansatz sadomasochistische Neigungen ganz gleich in welcher Richtung. Und auf Dauer ausschließlich Latex, wenn auch in allen möglichen und phantasievollen Varianten, und auch der besondere Reiz unzweifelhaft auch von ihm Besitz ergriffen hatte, war ihm zu wenig, dafür waren seine fetischistischen Neigungen einfach zu schwach und seine devoten Neigungen zu stark ausgeprägt.

Sie hatte sich nicht ohne Grund auf mittel- und nordeuropäische Wasservögel spezialisiert. Das ermöglichte ihr während der Arbeit vor Ort ihre geliebten Gummistiefel, Watstiefel und Wathosen zu tragen. Zwar hatte sich ihr Interesse für Ornithologie unabhängig von ihrem Fetischismus entwickelt, doch hatte sie schnell erkannt, wie sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden ließ.

Er erinnerte sich noch gerne an die beiden Wochen, die sie ihm Rahmen ihrer Dissertation über eine besondere Wasservogelart – den lateinischen Namen hatte er leider vergessen, zudem war sie ihm bis dahin vollständig unbekannt gewesen –, die vor allem in bestimmten Sumpfgebieten in Mitteleuropa, unter anderem in Mecklenburg beheimatet war, dort verbracht hatten. Sie hatten ein kleines Ferienhaus gemietet. Sie waren die meiste Zeit in Wathosen durch sumpfiges Gelände gewandert. Sie hatte unter ihrer hochwertigen Regenjacke aus gummiertem Stoff und der Wathose stets einen Ganzanzug aus relativ dickem Latex getragen. Er hatte ihr assistiert, während sie ihre Notizen und Photos gemacht hatte. Es hatte auch für ihn durchaus seinen Reiz besessen, teilweise hüfttief an doch schon warmen Julitagen im Wasser zu stehen. Ihm hatte zudem die Ruhe und die Natur gefallen. Auch die beiden Tage, die sie im Regen in dem Gewässer gestanden hatten, war durchaus eine sinnliche Erfahrung gewesen.

Es hatte seinen besonderen Reiz besessen, sie mit einem leistungsstarken Massagestab durch die Wathose, die sie auf ihren Streifzügen trug, hindurch zum Orgasmus zu bringen. Hätte sie doch nur über ein wenig dominante Neigungen verfügt. Er seufzte. Es schmerzte ihn besonders, weil sie genau der Typ, bildhübscher ein wenig molliger Blondine war, den er so sehr mochte.

Seit zwei Jahren war sie glücklich mit einem Mann liiert, dessen Fetischismus sich wie ihrer hauptsächlich auf Heavy Rubber – dicke Ganzanzüge, Watstiefel, Wathosen und Gasmasken konzentrierte – ihr Ideal eines – männlichen – Gummifetischisten.

Die Wathose und die Watstiefel, die er für diese Reise auf ihre Empfehlung angeschafft hatte, hochwertige aus Naturkautschuk, die das Herz eines Fetischisten höher schlagen ließen und eigentlich viel zu teuer für den seltenen Gebrauch seiner Meinung nach waren, von denen er aber wußte, daß es sie erregte, ihn darin zu sehen, besaß er noch, hatte sie aber nicht mehr getragen, seitdem sie sich getrennt hatten, auch nicht aus Spaß, wie auch die beiden Regenjacke, die eine schon mehr ein kurzer Mantel aus gummierten Stoff von einer englischen Edelmarke, die seines Erachtens ebenfalls viel zu teuer, ihr Dasein in seinem Schrank fristeten, neben zwei vinylbeschichteten Regenjacken aus Schweden, die zwar auch nicht allzu preiswert waren, aber insgesamt doch angemessener.

Nur zu gerne überließ er sich den leicht wehmütigen Erinnerungen aus der Zeit mit ihr und glitt langsam in den Zustand des Halbschlafes hinüber, der eine Zeit- und Körperlosigkeit brachte.

Er wußte nicht, wie lange er sich in diesem fast elysischen Zustand befunden hatte, die Bilder der schönen Ornithologin waren längst Bildern anderer schöner üppigen Frauen aus seinem Leben und Umgebung gewichen.

Ein Klingeln an der Haustür ließ ihn jäh und fast schon schuldbewußt zusammenschrecken, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden – er hatte die schemenhafte Erinnerung an eine üppige Schönheit – leider gelang es ihm nicht mehr, sich ihr Gesicht zu vergegenwärtigen – und eine blühende Frühlingslandschaft. Er selbst hatte sich nicht nur in ihrer unmittelbaren Nähe befunden, sondern es bestand auch irgendeine Beziehung zwischen ihnen, doch damit erschöpfte es sich auch schon.

Es war mittlerweile später Nachmittag und die Sonne bereits so weit nach Westen gewandert, so daß sie schon relativ tief über dem Horizont stand, doch noch so hoch, daß die Kraft ihrer Strahlen kaum vermindert wurden, und sein Arbeitszimmer nun größtenteils in Sonnenlicht getaucht war.

Sich fragend, wer das wohl sein konnte, stand er auf, noch nicht gänzlich wieder im Diesseits weilend, und ging nach unten.

»Ich dachte, ich komme dich besuchen und besehe mir dein neues Heim. Leider habe ich es zu deiner Einweihungsfeier nicht geschafft«, sagte Bettina kaum, daß er die Tür geöffnet hatte. »Ich komme hoffentlich nicht ungelegen«, fügte sie vorsichtig hinzu, offenbar spiegelten sich seine zerstreuten Gedanken in seiner Mimik wider.

Nein, ungelegen kam sie ihm beileibe nicht. Vielmehr freute er sich, sie zu sehen, was leider viel zu selten vorkam. Ihre journalistische Arbeit führte sie häufig nach Frankreich, Italien und Spanien, wo sie in der Regel länger blieb und sich dort sehr wohl fühlte. Sie hatten sich während ihres Studiums kennengelernt und sie hatte ihn sogleich zu ihrem Liebhaber gemacht.

Ob durch die Bilder dieses Nachmittags, die realen wie die imaginären, begünstigt, oder einfach aus Wiedersehnsfreude, jedenfalls fand er, daß sie so gut aussah wie schon lange nicht mehr. Das mittellange dunkelbraune Haar floß ihr weich über die runden Schultern, das helle Kostüm betonte, abgesehen von etwas zu breiten Hüften und zu kräftigen Schenkeln, ihren relativ schlanken Wuchs. Ihr Make-up war wie üblich so dezent wie verführerisch.

»Eine schöne Frau kommt mir nie ungelegen«, erklärte er derart euphorisch und von einem so verklärten Gesichtsausdruck begleitet, daß sie sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, er habe nun wohl endgültig den schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn zur falschen Seite hin überschritten, oder zumindest heimlich mit dem Trinken begonnen. Beides lief in ihren Augen so ziemlich auf das gleiche hinaus.

»Man könnte meinen, du hättest monatelang auf einer einsamen Insel ohne eine Frau verbracht«, meinte sie kopfschüttelnd, doch nicht unangenehm von seinem Kompliment berührt, und trat an ihm vorbei in den Flur.

Er lächelte leicht verlegen. Ihm wurde bewußt, daß das Bild der ›Schönen Künstlerin‹ und eine leicht wehmütige Erinnerung an seine Ornithologin eine nicht geringe Schuld daran trug, obwohl allein Bettinas Gegenwart genügte, diese Gefühle in ihm zu wecken.

Er schloß die Tür und ließ mit einem inneren sehnsüchtigen Seufzer, der ihrer mehr ironisch gemeinten Bemerkung einen überdeutlichen Wahrheitsgehalt verschaffte, den Blick auf ihrer schönen Rückfront, ihren schönen Beinen ruhen.

Im Anschluß an eine lange zärtliche Umarmung tranken sie Tee, plauderten ein wenig und zeigte er ihr Haus und Garten. Sie war von allem angetan, wie nicht anders zu erwarten, besaßen sie doch in vielem denselben Geschmack. Der große leicht verwilderte Garten gefiel ihr sehr gut.

»Hier könnte ich es auch aushalten«, meinte sie.

Die Führung hatte rein ›zufällig‹ in seinem Schlafzimmer geendet.

»Du bist immer willkommen. Auch für mehr als nur ein paar Stunden«, entgegnete er und meinte es auch so.

Bettina legte ihm die Hände auf die Schultern, durch ihre Vorliebe für hohe Absätze war sie kaum kleiner als er, und fragte mit ihrer ohnehin sehr sinnlichen Stimme, von der ein Verehrer – vielleicht war er es sogar selbst gewesen – einmal gesagt hatte, daß allein schon ihr Klang in einem das Verlangen erweckte, ihr zu Füßen zu liegen, von einem einladenden Lächeln begleitet: »Ficken wir?«

Er nickte nur als Antwort. Es war ohnehin eine rhetorische Frage. Sie wußte, daß er niemals Nein sagen würde. Aber sie wußte auch, daß er ihr niemals diese Frage stellen würde. Es lag nicht allein an seiner devoten Neigung oder etwaiger Schüchternheit. Irgendwie paßte es nicht zu ihm. Für ihn war es selbstverständlich, daß eine Frau sich ihres Sexualtriebes bewußt war und diesen auch frank und frei artikulierte. Bettina war bekannt, daß Saskia seinerzeit die Initiative ergriffen und ihn womöglich somit für alle Zeiten ›verdorben‹ hatte. Es störte sie nicht. Es war ihr ohnehin lieber, wenn sie die Initiative ergreifen konnte, was sie im Grunde immer tat. Seine Devotheit im Sexuellen gefiel ihr durchaus, aber da sie zuvörderst passionierte Swingerin und nur stimmungsabhängig dominant war, baute sich zwischen ihnen selten ein eindeutiges Machtgefälle auf. Der Sex mit ihm gefiel ihr in erster Linie auf Grund seiner geschickten Finger, er war einer der wenigen Männer, die sie problemlos zum Ejakulieren brachten, seines schönen dicken Schwanzes und seiner Ausdauer.

Sie zog Rock und Bluse aus und ließ sich von ihm den BH öffnen. Ihre schweren weichen Brüste waren von einer eigenen Schönheit. Sie selbst bezeichnete sie prosaischer und durchaus zutreffend als ›Hängetitten‹, bedauerte diese Eigenschaft an sich in keiner Weise, sondern mochte sie, wie sie waren. Lediglich mit ihrer Bauchfalte auf Grund einer Bindegewebeschwäche in dem Bereich als Folge eines starken, krankheitsbedingten Übergewichtes für einige Zeit, was sie jedoch längst glücklich überwunden war, haderte sie. Dennoch hatte sie bis heute vermieden, den Bereich operativ korrigieren zu lassen. Das sei trotz aller Unschönheit ein Teil ihres Lebens und zu dem wolle sie stehen. Daher rührte eine Vorliebe für breite Hüfthalter im 1950er Jahre Stil, die sie grundsätzlich beim Sex anbehielt. Vordergründig zur Kaschierung dieser Bindegewebeschwäche, tatsächlich weil es ihr gefiel, beim Sex halb oder ganz angezogen zu sein. Der pfirsichfarbene Hüfthalter reichte bis gut eine Handbreit unterhalb ihres Brustansatzes und gab ihrem Bauch und ihrer Taille eine perfekte Form.

In seinen Augen sah sie hinreißend aus. Gerade ihr alles andere als perfekter Körper ließen sie für ihn erst wirklich schön sein. Auch während ihrer stark übergewichtigen Lebensphase hatte er gerne mit ihr Sex gehabt. Auf Grund ihrer überdurchschnittlichen Größe hatte sie auch da nicht gedrungen und unförmlich gewirkt, wenngleich ihr Gewicht dreistellig gewesen war – niemand außer ihr und den behandelnden Ärzten kannte die genaue Zahl. Das hatte ihm die Erkenntnis vermittelt, daß Sex mit dicken Frauen schön und erfüllend sein kann, daß auch dicke Frauen sexy sein können, denn auf ihrer Schönheit an sich hatte diese Phase, trotz einem runderen Gesicht und einem sichtbaren Doppelkinn nicht wirklich negativen Einfluß gehabt. Seitdem wußte auch er, daß es auch für wirklich dicke Frauen eine große Auswahl schicker Kleidung gab.

Zudem, was er ihr auch gesagt hatte, hatte er sich von ihren üppigen Formen sexuell nicht wenig angezogen gefühlt, zu seiner eigenen Überraschung, denn bis dahin war er überzeugt, daß für ihn eine wirklich dicke Frau sexuell nicht sonderlich reizvoll sei, wenngleich er einer gewissen wohl geformten Üppigkeit bei einer Frau den Vorzug gab. Es hatte ihr gutgetan zu sehen, wie in seinen Augen beim Anblick ihres nackten, in ihren Augen fast schon unförmigen Körpers dieses gewisse hungrige Leuchten getreten war. Trotz aller anderen unangenehmen Begleiterscheinung während jenes Teils ihres Lebens, waren die vielen Momente mit ihm von einer derartigen Schönheit gewesen, daß sie oft mit leichter Wehmut daran zurück dachte. Sie war bis heute überzeugt, daß er nie soviel sexuelle Lust auf sie gehabt hatte wie seinerzeit und sie auch davor und danach nie mehr so oft und intensiv miteinander gevögelt hatten.

»Wenn ich in der Zeit jedes Mal einen Euro für die Aussage eines Mannes, eigentlich stehe ich ja nicht auf dicke Frauen, aber bei dir usw., bekommen hätte, könnte ich bis zum Ende meines Lebens frei von materiellen Sorgen leben. Ich habe während dieser Zeit gefühlt mehr begehrliche Blicke von Männern erhalten, als davor und danach, als mein Gewicht im Bereich des Durchschnitts für meine Größe liegt. Gerade in Swinger-Clubs habe ich den Spruch besonders oft vernommen und hätte an einem Abend problemlos ein halbes Dutzend Männer haben können, von denen ich jedoch nur die Hälfte tatsächlich genommen habe. Attraktive dicke Frauen, die sich zu kleiden und schminken verstehen, sind bei Männern sehr beliebt. Wenn sich davon auch noch alle mit dicken Frauen bereitwillig in der Öffentlichkeit sehen lassen würden, wäre das Ideal der zierlichen, mageren Frau schnell Geschichte.«

Er konnte ihr nur darin zustimmen.

Noch während Bettina sich vor seinen Augen entkleidete, ihr Nichts von einem Höschen zu den übrigen Sachen legte, wurde die ›Schöne Künstlerin‹, das, was er zuvor beobachtet hatte, fast zu einem Tagtraum, einer Phantasie, oder zu einer Skizze für eine neue Erzählung. Eine schöne interessante Frau aus der Ferne, ihr Bild betrachten, so schön es auch sein mochte, war nichts dagegen, diese auch im Arm zu halten, ihr nahezusein, von ihr begehrt zu werden. Die andere verblaßte in diesem Moment zu einem Schemen.

Als er selbst nackt war, sie die Schublade des rechten Nachttischs aufzog und die Schachtel mit den Kondomen heraus nahm – dort bewahrte er sie seit Jahren auf – dachte er bereits nicht mehr die ›Schöne Künstlerin‹, dafür aber daran, wie schön auf eine besondere Weise der Sex mit Bettina während der Zeit ihrer besonderen Üppigkeit gewesen war und er sich durchaus eine schöne dicke Frau als Partnerin vorstellen konnte.

Erst beim ausgiebigen Vögeln mit Bettina erkannte er, wie sehr ihn die Szene im Atelier sexuell doch erregt hatte und sie ihn zum richtigen Zeitpunkt besucht hatte. Er fand, daß er ihr diese Beobachtung nicht vorenthalten sollte, zumal sie mit dafür verantwortlich war, daß er soviel Lust auf sie hatte. Er schmückte es ein wenig zu ihrer beider Vorteil aus.

»Wenn ich höre, mit welcher Euphorie du beschreibst, wie sie in ihrem Ganzanzug aus Latex aussieht, ebenso hast du damals von deiner Ornithologin gesprochen, dann fällt es mir schwer deinen Worten zu glauben, daß du eigentlich nicht so richtig auf Latex stehst. Ich habe ohnehin den Eindruck, daß du stärker erregt bist, wenn ich beim Sex Latex trage.«

»Es sieht einfach gut aus, aber es ist für mich nicht wesentlich. Zudem habe ich so gut wie kein Bedürfnis danach, von mir aus Latex anzuziehen.«

»Das will nichts heißen. Ein Fetischist muß nicht das Bedürfnis haben, selbst ständig Latex zu tragen. Auch wer sich davon besonders angezogen fühlt, wenn ein anderer Latex trägt, ist streng genommen ein Fetischist.«

»Das weiß ich ja. Während der Zeit mit meiner Ornithologin habe ich oft und gerne Latex getragen und hat es mich auf gewisse Weise durchaus erregt.«

»Eben.«

»Was ich aber wirklich brauche, ist eine durch und durch dominante Frau, mit der auch eine Beziehung möglich ist.«

»Gegen eine durch und durch dominante Gummifetischistin hättest du in keinem Fall etwas einzuwenden.« Das breite Grinsen in Bettinas Gesicht entging ihm.

»Das stimmt schon«, erwiderte er leicht nachdenklich.

Sie vertiefte das Thema nicht weiter, zum einen kannte sie ihn nur zu gut, zum anderen wollte sie noch einmal die Massage seiner geschickten Finger spüren.

Sie verließ ihn erst am nächsten späten Vormittag, gab ihm aber das Versprechen, ihn sobald als möglich wiederzubesuchen.

 

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