Kurzes #78 – Erneutes Rendezvous mit der schönen Unbekannten
von
Armin A. Alexander
Fortsetzung von »Nachklang«, »Das geheimnisvolle Rendezvous«, »Marlies« und »Zwölf erotische Aquarelle«.
Fast eine Woche war seit jenem geheimnisvollen Rendezvous vergangen. Seit zwei Tagen regnete es nahezu ohne Unterbrechung. Ein ergiebiger Landregen hatte sich über der Region festgesetzt. Jeden Morgen sah er erwartungsvoll in den Briefkasten und jeden Morgen wurde er enttäuscht. Keine wie immer geartete Nachricht von IHR war vorzufinden. Das Gefühl der Enttäuschung war jedoch nur am ersten Morgen wirklich quälend gewesen. Mittlerweile war es einer Art schmerzlichen, aber erträglichen Gewohnheit gewichen, doch hatte sich noch keine Resignation in ihm breit gemacht. Um so größer war verständlicherweise seine Freunde, als er einen gepolsterten kleinen Umschlag mit ihrer Handschrift darauf und mit etwas Hartem darin vorfand.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er fühlte sich auf einmal wie ein Pennäler, den das hübscheste Mädchen der Klasse, das er ohne sich von ihr jemals erhört zu glauben, anbetete, und sie ihm endlich, als bereits die tiefe Enttäuschung ihn packen wollte, ein Rendezvous gewährte. Dennoch zügelte er seine Ungeduld, wollte die Vorfreude auskosten und öffnete erst in der Wohnung den Umschlag.
Den ihm bereits bekannten Schlüsseln war ein längerer Brief beigefügt. Sie bat ihn für den heutigen Nachmittag zu einem erneuten Treffen. Diesmal erlaubte sie ihm, sie ausgiebig zu berühren, zu küssen, zu streicheln, mit ihr zu machen, was er wollte. Verwehrt war ihm einzig, ihr die Maske abzunehmen und sie auszuziehen. Das mußte er respektieren, andernfalls würde sie ihn sofort verlassen und er würde sie nie wiedersehen. Er müsse sie verstehen, daß sie ihm ihre Identität jetzt noch nicht preisgeben könne, dazu gehöre auch ihr nackter Körper. Sie habe ihre Gründe, die er, wenn er sich in Geduld fasse und ihrem Wunsch nach Anonymität respektiere, zu gegebener Zeit erfahren würde. Er würde seine Geduld auch nicht bereuen. Sie habe ihren ersten gemeinsamen Nachmittag sehr genossen und hätte schon lange nicht mehr ein so schönes Liebeserlebnis gehabt.
Er war zwar erleichtert, zugleich aber auch nicht wenig irritiert. Was bedeutete das, daß sie ihm vorerst nicht sagen könne, wer sie sei? Er konnte sich keinen Reim darauf machen, entweder waren seine Erklärungsversuche am Rande des Hanebüchenen oder so vage, daß sie mehr Fragen aufwarfen als lösten. Ihm blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Die Stunden bis zu ihrer neuerlichen Begegnung zogen sich endlos hin. Aber auch sie gingen vorüber. Gegen Mittag war der Landregen in einen leichten Nieselregen übergangen.
Die Wohnung war ihm bereits vertraut, das Bett frisch bezogen. Es herrschte abermals Halbdunkel. Durch den wolkenverhangenen Himmel genügten dazu allein die heruntergelassenen Jalousien. Er versuchte erst gar nicht, sie zu öffnen, da ihm bewußt war, daß sie, sobald sie sah, daß sie hochgezogen waren, sie die Wohnung erst gar nicht betreten und sich sehr wahrscheinlich nie wieder bei ihm melden würde. Die Jacke hängte er an einen der Garderobenhaken im Flur. Ihr Parfum lag diesmal intensiver über allem. Sie konnte nicht lange vor ihm in der Wohnung gewesen sein.
Er setzte sich ins Wohnzimmer. Das Fenster war gekippt, von draußen drang die feuchte Regenluft herein. Der Luftzug spielte mit der Gardine. Er mußte heute länger auf sie warten. Er konnte aber auch zu früh erschienen sein und er meinte nur, länger warten zu müssen, da seine Ungeduld heute noch ein wenig größer war. In dieser stillen Umgebung erschien ihm jedes noch so kleine Geräusch unverhältnismäßig laut. Er wunderte sich, daß er dennoch die Ruhe aufbrachte, ruhig dazusitzen und nicht ungeduldig auf und ab zugehen.
Endlich hörte er, wie der Schlüssel im Schloß gedreht wurde. Eine Minute zuvor hatte er unten die Haustür gehen hören, aber keine Schritte im Treppenhaus vernommen. Sie mußte auf Zehenspitzen hinaufgegangen sein. Für einen winzigen Augenblick durchfuhr ihn die Befürchtung, daß er gleich aus einem wunderschönen Traum erwachen könnte. Aber man neigt dazu, das Schöne, Unerwartete, Angenehme als ein Trugbild zu nehmen, eine Mär, anstatt es einfach zu genießen.
Er fragte sich im Nachhinein, warum er nicht, sobald er gehört hatte, wie der Schlüssel sich im Schloß drehte, aufgestanden und ihr entgegen gegangen war. Aber ihm war es unmöglich gewesen, sofort aufzustehen. Als es ihm endlich gelungen war, hatte sie die Tür bereits hinter sich ins Schloß gezogen.
Er stand ihr in dem kleinen Flur gegenüber, kaum mehr als einen Schritt entfernt. Sie trug die schwarze Seidenmaske und, soweit er das im Halbdunkel erkennen konnte, ein eng anliegendes Kleid aus dunkelblauem Leder und Stiefel mit hohen schlanken Absätzen. Einige Regentropfen lagen wie kleine durchsichtige Perlen auf ihrem schweren Haar. Sie mußte einige Minuten im Regen gegangen sein, das weiche Leder ihres Kleides war ebenfalls leicht feucht vom Regen. Ob sie die Maske anzog, kurz bevor sie die Tür aufschloß, oder sobald sie das Haus betrat? Er konnte beim nächsten Mal, falls es eines geben sollte, am Fenster stehen – Aber er verwarf den Gedanken sofort. Zuerst hätte er die Verankerung der Jalousien lösen müssen, die so gut war, daß selbst mit dem passenden Werkzeug einige Zeit benötigt wurde, und die Spalten waren zum Durchsehen zu schmal. Ihm blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sie bereit war, ihm ihre Identität zu offenbaren. Alle seine Eigenmächtigkeiten hätten nur zur Folge, daß sie ihm wie in seinen Alpträumen auf immer entglitt. Nur daß es diesmal kein Alptraum sein würde, sondern Realität, und das machte ihm wirklich Angst.
Sie standen sich nur wenige Augenblicke abwartend gegenüber. Sie sah ihn erwartungsvoll an, ein leicht amüsiertes und triumphierendes Lächeln umspielte ihren Mund, dessen Lippen manchem vielleicht ein wenig zu üppig gewesen wären. Dann machte er einen entschlossenen Schritt auf sie zu und umarmte sie beinahe stürmisch. Er drückte sie an sich, hielt sie fest, als könne sie ihm weggenommen werden, sie sich ihm entziehen. Sein Griff war eisern, aber nicht so, daß es ihr weh getan hätte. Er schob ihr besitzergreifend die Zunge in den Mund. Er war selbst am meisten erstaunt über seine Leidenschaft. Er konnte sich nicht wirklich als nüchternen Menschen bezeichnen, jedoch so heftig war er noch nie über eine Frau ›hergefallen‹, allerdings hatte er bisher auch noch keine derart begehrt. Er verdrängte erfolgreich, daß ihn seinerzeit vergleichbare Anwandlungen bei Marlies überfallen hatten, was dieser alles andere als unangenehm gewesen war. Seine schöne Unbekannte lachte leise. Sie ließ ihn gewähren, umarmte ihn ihrerseits und erwiderte sein Zungenspiel mit gleicher Leidenschaft. Auch ihre Umarmung war eisern und wirklich an der Grenze zum Schmerzhaften, was ihn zum ersten Mal spüren ließ, daß sie ihm physisch mindestens gewachsen war. Er schätzte Frauen, deren physische Kraft der seinen ebenbürtig war. Marlies zählte auch zu ihnen.
Er vergrub das Gesicht in ihrem regenfeuchten Haar. Sie roch herrlich. Er vergrub wieder und wieder die Zunge in ihrem Mund. Schmeckte ihren miteinander vermischten Speichel. Er spürte ihre Wärme, ihren hinreißenden Frauenkörper an seinem. Er wollte sie nie mehr loslassen, sie endlos lieben.
Aber auch der größte Sturm der Leidenschaft flaut einmal ab, um für einen neuen Anlauf Atem zu holen. Er entließ sie aus seiner leidenschaftlichen Umarmung, aber nur um sie mit um so festerem Griff bei der Hand zu nehmen und ins Schlafzimmer zu ziehen. Sie stolperte leicht hinter ihm her, lachend über seine ungestüme beinahe jugendliche Leidenschaft.
Er schob ihr ungeniert das Kleid so weit als nötig hoch, was leicht ging, obwohl es sehr eng anlag und faßte ihr besitzergreifend in den Schritt. Ihr Körper reagierte unmittelbar darauf und er spürte, wie ihr Lustnektar über seine Finger förmlich zu fließen begann. Ein wohliges, kaum vernehmbares Schnurren kam ihr über die Lippen. Sie ließ ihn gewähren. Nach wenigen Minuten durchfuhr ihren Körper ein Orgasmus. Sie mußte sich an ihn lehnen, damit sie nicht in die Knie sank.
Nun half sie ihm, sich seiner Kleider zu entledigen. Sie setzte sich auf die Bettkante, ließ sich mit einem auffordernden Lächeln nach hinten sinken, die schönen Beine mit den muskulösen Schenkeln für ihn einladend geöffnet.
Es wurde ein mindestens ebenso leidenschaftlicher Nachmittag wie ihr erster gemeinsamer. Auch diesmal trieben sie es bis zur Erschöpfung. Doch bekam er zum ersten Mal den Eindruck, daß dennoch sie das Ende bestimmte, auf eine ganze eigene Weise. Sie schien das Feuer des Begehrens nicht ganz erlöschen zu lassen, damit es sich sehr leicht erneut entfachen ließ. Auch hatte er das Gefühl, daß sie selbst durchaus einer weiteren Runde grundsätzlich nicht abgeneigt wäre. Doch das waren nur Gedanken des Augenblicks und er war nicht sicher, ob hier nur sein Wunschdenken ihn das vermuten ließ.
Bevor sie ihn diesmal verließ – sie hatten abermals kein Wort miteinander gesprochen –, gab sie ihn noch einen ausgiebigen und sehr zärtlichen Kuß, in dem mehr Leidenschaft und Liebe lag als in all den ungezählten zuvor.
Er folgte ihr bereits wenige Minuten später, er mußte noch seine Kleider zusammensuchen, von denen ein Teil unter das Bett geraten war, aber unten vor dem Haus konnte ich sie nirgends entdecken. Er hatte auch kein wegfahrendes Auto gehört. Er sah die Straße in beiden Richtungen hinunter. Er erblickte nur eine ältere Frau und eine Mutter mit Kind. Schnell ging er in die nächste, nur wenige Schritte entfernte Seitenstraße. Aber auch dort war niemand zu sehen, der ihr auch nur im entferntesten geglichen hätte. Dafür brach durch die Regenwolken die Abendsonne. Mehr mechanisch griff er in die Jackentaschen. Sie hatte den Schlüssel wieder an sich genommen, was ihn nicht überraschte.
Er beeilte sich, nach Hause zu kommen, weil er sich beim fruchtlosen Versuch, sie auf der Straße wiederzufinden, etwas lächerlich vorkam. Sie konnte gut in einem der umliegenden Häuser verschwunden sein, oder gar noch im selben sein. Dann würde er sie ohnehin nicht finden.
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