Kurzes #112 – Auf allen vieren

Fortsetzung von: Nachhife tut Not, Der wilhelminische Erziehungsratgeber, Unkonventionelle Maßnahmen und Der Stuhl

 

Beim Hereinkommen fielen ihr sofort die im ganzen Zimmer auf dem Boden verstreut liegenden mehr als drei Dutzend rosa Karteikarten auf. Alle waren an der oberen Längsseite aufgebogen. Auf jeder stand ein kurzer in großen Lettern geschriebener Text.

Spätestens seit seinem Einfall mit dem Stuhl konnte sie ihr nächstes Zusammentreffen nun wirklich nicht mehr erwarten. Dreimal hatte sie seitdem mit entblößtem Hintern darauf gesessen und es als sehr ›eindrucksvoll‹ empfunden.

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Kurzes #111 – Der Stuhl

Fortsetzung von: Nachhife tut Not, Der wilhelminische Erziehungsratgeber und Unkonventionelle Maßnahmen

 

»Was macht dein Nachhilfeschüler?« fragte Rolf mehr mit beiläufigem Interesse, während er angestrengt im Küchenschrank stöberte.

Er war ebenso passionierter Kaffeetrinker wie Rüdiger Teetrinker, weshalb er sich aus alter Freundschaft und als guter Gastgeber genötigt sah, Tee aufzugießen. Irgendwo mußte er noch welchen haben. Er hatte doch immer Tee im Haus. Man wußte ja nie, wer zu Besuch kam. Es wäre mehr als peinlich am Morgen ›danach‹ auf die Frage: »Hast du auch Tee?« antworten zu müssen: »Wie? Tee? Du trinkst Tee?« Wie viele hoffnungsvolle Beziehungen hatten auf diese Weise schon ein jähes Ende genommen, bevor sie sich richtig entfalten konnten? Andererseits konnte Rolf sich nicht erinnern, wann das letzte Mal eine Teetrinkerin sein schmales Nachtlager mit ihm geteilt hatte. Dennoch wäre es interessant herauszufinden, ob Teetrinkerinnen andere sexuelle Präferenzen besaßen als Kaffeetrinkerinnen. Wozu studierte er eigentlich Soziologie? Das wäre einmal ein wirklich interessantes Forschungsthema. Natürlich durfte man sich nicht auf Fragebogenaktionen allein verlassen. Um ausgiebige Feldforschungen würde er nicht herumkommen. Für die Wissenschaft mußte man schon mal das eine oder andere Opfer bringen, wofür er sich nicht zu schade war. Bei diesem Gedanken bekam Rolfs Blick etwas Entrücktes. Beinahe hätte er Rüdiger vergessen und den Tee sowieso.

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Kurzes #110 – Unkonventionelle Maßnahmen

Fortsetzung von: Nachhife tut Not und Der wilhelminische Erziehungsratgeber

 

»Wir müssen unbedingt miteinander reden«, sagte er anstelle einer Begrüßung, kaum daß er hinter Ulla die Tür geschlossen hatte.

Unsicher, wie sie seinen Vorschlag aufnehmen würde, war sein Tonfall ernster als beabsichtigt ausgefallen. Das versetzte ihr einen schmerzlichen Stich. Ihre Ahnung schien sich zu bestätigen, daß er die Zusammenarbeit aufkündigen wollte, doch hatte sie gehofft, er würde noch etwas Geduld mit ihr haben.

»Du willst also aufhören«, klang ihre Stimme unüberhörbar belegt.

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Kurzes #109 – Der wilhelminische Erziehungsratgeber

Fortsetzung von: Nachhife tut Not

 

»Wir sehen uns dann Donnerstag.« Ulla reichte ihm zum Abschied die Hand.

Es war mehr eine vorsichtige Frage. Sie spürte, daß Rüdigers Geduld mit ihr langsam erschöpft zu sein schien, wenngleich er so kollegial war, es nicht offen zu zeigen. Sie wußte ja selbst, daß es ihr einfach nicht gelingen wollte, sich zu konzentrieren. Sie konnte nicht verhindern, daß ihre Gedanken ständig abschweiften. Es blieb kaum etwas von dem haften, was er ihr erklärte. Dabei war der Stoff eigentlich simpel.

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Kurzes #108 – Nachhilfe tut Not

»Was ist mit Ihnen los? Sie sind bereits zum zweiten Mal durch meine Prüfung gefallen. Erneut mit dem schlechtesten Ergebnis, was mir unbegreiflich ist. Ich frage doch lediglich Grundlagen ab. Es fällt Ihnen doch sonst leichter. Sie haben doch so gut wie alle Scheine beisammen. Wollen Sie das alles aufs Spiel setzen?«

Ulla senkte unter den väterlich strengen Worten ihres Baustoffkundeprofessors mehr als nur schuldbewußt den Blick. Er hatte mit allem recht und gerade das machte es so schlimm. Sie verstand es ja selbst nicht. Es ging wirklich nur ums bloße Auswendiglernen, was ihr noch nie schwergefallen war.

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Zitat des Tages #123

Marriage. Bei dem Stammbaum nicht zu vergessen, daß er bloß, durch die Weiber durchgeführt, Sicherheit gibt. Jedermann weiß, wer seine Mutter war, aber niemand weiß mit eben der Zuverlässigkeit, wer sein Vater gewesen ist.

Georg Christoph Lichtenberg (1.07.1742–24.02.1799)

Kurzes #107 – Die ›Aufforderung‹

Die Fortsetzung und das Ende von: Der Einzug, Die ›Schöne Künstlerin‹, Der schöne Jüngling, Bettina, Ein Wochenende mit Bettina, Begegnung im Mondschein, Die ›Schöne Üppige‹, Viviane, Erinnerungen an Swaantje, Eine Session mit Viviane, Ein sonntäglicher Regenspaziergang und Wieder allein

 

Der große Umschlag ohne Absender, nur mit seinem Namen in Druckbuchstaben, wenn auch in geschickter Typographie, erregte sofort seine Aufmerksamkeit. Nach dem Öffnen war er mehr als überrascht, als eine Rötelzeichnung zum Vorschein kam. Es war nicht die meisterliche Zeichnung an sich, die ihn so erstaunte, es war das, was sie zeigte; ihn am Fenster seines Arbeitszimmers stehend und hinaussehend. Er konnte den Grund nicht benennen, aber für einen kurzen Augenblick hatte er Maria als Absender im Verdacht. Doch noch im selben Moment verwarf er diese Vermutung als abwegig. Er kannte Marias Stil bestens. Ihre Strichführung war fast weich, doch nicht weniger ausdrucksstark. Diese Zeichnung war in einem ganz anderen gehalten; kraftvoll, sicher. Mit wenigen Strich hatte es der Künstler verstanden, das Wesentliche zu erfassen. Ganz abgesehen von der Signatur, ›JT‹, beide Buchstaben ineinanderverschlungen. Maria dagegen signierte mit einem einfachen nüchternen ›M‹ ohne jeden Schnörkel.

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Kurzes #106 – Wieder allein

Die Fortsetzung von: Der Einzug, Die ›Schöne Künstlerin‹, Der schöne Jüngling, Bettina, Ein Wochenende mit Bettina, Begegnung im Mondschein, Die ›Schöne Üppige‹, Viviane, Erinnerungen an Swaantje, Eine Session mit Viviane und Ein sonntäglicher Regenspaziergang

 

Nach einem überwiegend verregneten und für die Jahreszeit zu kühlen August, war im September nahezu ohne Übergang der Herbst mit Tagen gekommen, die dem August gut zu Gesicht gestanden hätten.

So wie Viviane von einem Tag auf den anderen bei ihm eingezogen war, so zog sie von einem auf den anderen aus.

Aus den angekündigten ein bis zwei Wochen wurden etwas mehr als drei Monate, die ihm kaum wie zwei Wochen erschienen, wobei er nicht einmal wußte, ob es wirklich solange gedauert hat, bis die, in seinen Augen ominöse ›Freundin‹ eine eigene Wohnung gefunden hat, oder, was ihm beinahe wahrscheinlicher schien, da er sie nur zu gut kannte, sie lange keine Lust verspürt hat, ihn wieder zu verlassen und in ihre leere Wohnung zurückzukehren. Fest stand, daß sie noch nie über einen derart langen Zeitraum bei ihm geblieben war.

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