Kurzes #112 – Auf allen vieren

von
Armin A. Alexander

Fortsetzung von: Nachhife tut Not, Der wilhelminische Erziehungsratgeber, Unkonventionelle Maßnahmen und Der Stuhl

 

Beim Hereinkommen fielen ihr sofort die im ganzen Zimmer auf dem Boden verstreut liegenden mehr als drei Dutzend rosa Karteikarten auf. Alle waren an der oberen Längsseite aufgebogen. Auf jeder stand ein kurzer in großen Lettern geschriebener Text.

Spätestens seit seinem Einfall mit dem Stuhl konnte sie ihr nächstes Zusammentreffen nun wirklich nicht mehr erwarten. Dreimal hatte sie seitdem mit entblößtem Hintern darauf gesessen und es als sehr ›eindrucksvoll‹ empfunden. Befahl er ihr den Rock auszuziehen, ihren Unterleib vor ihm zu entblößen, durchströmte sie ein eigenartiges Kribbeln, das noch ein wenig stärker wurde, wenn er für einige Augenblicke den Blick musternd, ohne einen Anflug von Lüsternheit auf ihrer nackten Scham ruhen ließ. Nur beim ersten Mal war er bemüht nicht dorthin zu schauen, beim zweiten Mal tat er es fast ungeniert, so wie man eine besonders gelungene Skulptur betrachtet. Es war schön, daß ihr auch ein Kompliment über ihre Hüfthalter im 1950er Jahre Stil gemacht hatte. Sie liebte die Dessous aus jener Zeit, nebenbei machten sie eine gute Figur und selbst in Weiß waren sie alles andere als altbacken. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie beim Lernen jemals soviel Spaß hatte. Es gefiel ihr so sehr, daß das Lernen langsam zur Nebensache zu werden begann. Doch sie fürchtete, daß er seine Bemühungen einstellen könnte, sobald er es erkannte, dann wäre es verhältnismäßig schnell mit diesen angenehm qualvollen Konzentrationsübungen vorbei. Wie es schien, stand bei ihm immer noch das Lernen im Vordergrund, obwohl sie immer häufiger etwas in seinem Blick entdeckte, was eindeutig auf eine erotische Komponente schließen ließ, und manchmal konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, daß seine Jeans an einer bestimmten Stelle bisweilen etwas spannte. Es freute sie, daß sie ihn nicht gleichgültig ließ. Sie mochte seine Autorität ihr gegenüber, daß er stets eine gewisse Distanz hielt und nicht versuchte, mit ihr zu flirten, da sie sich noch nicht richtig körperlich zu ihm hingezogen fühlte. Andernfalls hätte sie am Ende ihrer Nachhilfestunden nicht so ohne weiteres nach Hause gehen können.

Für den heutigen Tag hatte er ihr per SMS mitgeteilt, was sie anziehen sollte. Im ersten Moment war für sie der Zusammenhang nicht klar, es war nichts Besonderes, was er verlangte, nichts, das sie nicht sowieso gerne trug, aber vermutlich an diesem Tag nicht unbedingt ausgewählt hätte. Eine einfache weiße Bluse, einen schwarzen kurzen engen Rock, schwarze Nylons, schwarze hochhackige Schuhe und keine Dessous bis auf einen ihrer schönen breiten Hüfthalter war seine Anweisung gewesen – er hatte tatsächlich ›schönen breiten Hüfthalter‹ geschrieben. Vor dem Spiegel stehend, fand sie, daß sie allzu sehr wie eine brave Geschäftsfrau wirkte. Da sie das störte, schminkte sie sich die Lippen stark in einem auffälligen Rotton, so sah sie weniger brav aus – glaubte sie.

Bevor er ihr erklärte, was es mit den auf dem Boden verteilten Karteikarten auf sich hatte, ließ er ihr Zeit, das Bild auf sich wirken zu lassen und nutzte die Zeit, sie zu betrachten. Zurückhaltend, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, stand er seitlich neben ihr. Sie konnte wirklich anziehen, was sie wollte, sie wirkte in allem chic. Vielleicht sollte er ihr sagen, daß es ihm gefiel, schminkte sie die Lippen so kräftig. Doch fürchtete er, durch zuviel Komplimente seinerseits könnte ihre Beziehung auf eine zu persönliche Ebene geraten, sie es gar als Anmache mißverstehen. Daß er schöne Frauenbeine gerne von zarten schwarzen Nylons umhüllt und mit High-Heels versehen sah und ihre Hüfthalter als kleidsam empfand, hatte er ihr ja noch als allgemeingültige Aussage verkaufen können – glaubte er.

Neugierig und erwartungsvoll ließ sie die Blicke über die Karteikarten wandern, dabei umspielte ein Lächeln der Vorfreude ihre Lippen, obwohl sie sich noch gar nicht richtig vorstellen konnte, was sie erwartete. Sie brannte darauf, die ihr zugedachte Aufgabe anzugehen.

»Ich habe mir ein kleines Frage- und Antwortspiel ausgedacht. Auf einem Teil der Karten stehen verschiedene Baustoffe und auf anderen kurze Beschreibungen. Zuerst wirst du die Baustoffe zu sinnvollen Gruppen zusammenlegen und anschließend die passenden Erklärungen dazu.«

Leichte Enttäuschung lag in ihrem Blick als sie ihn mit leicht schiefgelegtem Kopf ansah. Das sollte alles sein? Das war doch nicht schwer. Selbst wenn er sich schwierige Beschreibungen ausgedacht haben sollte, würde es nicht lange dauern. Aber warum lagen die Karteikarten dazu auf dem Boden verstreut?

»Der Clou dabei ist«, fuhr er nach einer Kunstpause fort und ein diabolisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel, »daß du auf allen vieren über den Boden kriechen mußt und die Karteikarten nur mit dem Mund aufnehmen darfst.«

Das veränderte die Situation natürlich vollständig. Fast hätte sie über das ganze Gesicht gestrahlt, aber das wäre unangemessen gewesen. Er brauchte nicht zu wissen, wieviel Spaß ihr sein Vorschlag bereits im Voraus bereitete. Darum also waren die Karteikarten aufgebogen. Natürlich, so ließen sie sich besser mit den Zähnen greifen.

Für kurz fürchtete sie, daß sie ihre teuren Nylons an den Knien beim Kriechen über den Boden durchscheuern könnte. Aber dann beruhigte sie sich wieder, sein Parkettboden war ja glatt und sie mußte das Gewicht halt mehr auf die Arme verlagern und mit den Knien nicht über den Boden rutschten, sondern sie bei jedem ›Schritt‹ anheben. Das sah auch eleganter aus. Davon abgesehen würde sie der Verlust ihrer Nylons nicht gerade in eine finanzielle Krise stürzen. Dieser Spaß war ihr das Opfer wert.

Ohne eine Aufforderung von ihm abzuwarten, ließ sie sich auf allen vieren auf dem kleinen freien Platz inmitten der Karteikarten mit dem Gesicht zu ihm nieder und schaute ihn mit einem fröhlich demütigen Lächeln von unten her an, wackelte dabei sogar leicht mit dem Po.

In ihrer Position erinnerte sie ihn an den längst nicht mehr unter den Lebenden weilenden Cockerspaniel seines Onkels, des Lehrers. Der hatte einen auch immer so angesehen, wollte er irgendeinen Leckerbissen haben oder gestreichelt werden. Ein bißchen erinnerten ihn Ullas Locken an dessen glänzendes Fell, wenngleich ihre Haare dunkler waren. Sie hatte in diesem Moment tatsächlich etwas von einem vorwitzigen, schlauen, aber auch liebenswerten und vor allem treuen Hund an sich. Nur ein solcher befolgt bedingungslos jede Anweisung seines Herrn, weil er darauf vertrauen kann, daß ihm dieser nichts befiehlt, das ihm schadet. Müßte reizvoll sein, Ulla ein breites Hundehalsband anzulegen und sie dann an der Leine durch die Wohnung zu führen. Wieso eigentlich nur durch die Wohnung? Doch das stand (noch) nicht zur Debatte.

»Worauf wartest du?« fragte er sie freundlich, aber mit unüberhörbarem Nachdruck.

Schuldbewußt senkte sie den Blick. Ihre Haltung wurde dadurch so offen unterwürfig, daß ihn ein ganz eigenartiges Gefühl warm durchlief und er den Wunsch unterdrücken mußte, sie schützend in die Arme zu nehmen. Zum Glück hielt dieses Gefühl nicht lange an, sie hatte mit der Lösung ihrer Aufgabe begonnen und ihm den mehr als reizvollen Rücken zugewandt. Ihr zielsicheres Vorgehen besaß kaum noch etwas Devotes. Vielmehr bot sie einen reichlich verführerischen Anblick.

Wie ein Hund auf der Jagd spähte sie, verharrte mitten in der Bewegung, das Gewicht auf den Armen, das eine Knie in der Luft, nur die Schuhspitze berührte noch den Boden, wanderte mit dem Blick, lächelte zufrieden, sobald sie die gesuchte Karte entdeckt hatte, senkte den Kopf und ergriff sie mit den Zähnen als sei es ein begehrter Knochen. Zu Beginn benötigte sie noch zwei bis drei Anläufe, bis sie die Karte richtig mit den Zähnen gefaßt hatte. Allzu stark hatte er die Karten nicht umgebogen, es sollte ja nicht zu leicht werden. Aber bald hatte sie den Bogen heraus. Sie war schließlich ein gelehriger Hund – Pardon – eine gelehrige Schülerin. Immer wieder blieb ihr eine Locke im Mundwinkel oder der Stirn hängen, auf der sich durch die Anstrengung vergleichsweise schnell kleine Schweißperlen bildeten, doch wischte sie diese nicht mit den Händen weg, sondern schüttelte den Kopf wie ein Hund, dem irgend etwas im Fell störte.

Er hatte es sich auf dem schmalen Sofa bequem gemacht und bemühte sich nicht zu sehr zu grinsen, sah sie gerade in seine Richtung. Dafür weidete er sich ganz ungeniert am Anblick ihrer schönen Rückfront, ihres knackigen üppigen Pos unter dem engen Stoff durch den sich der Schatten ihres Hüfthalters hindurch zeichnete, der sanft geschwungenen Linie ihrer Waden, dem Spiel ihrer Beinmuskeln und hätte gerne ihre Beine durch den zarten Stoff hindurch gestreichelt.

So leicht wie sie den Anschein erweckte, fiel es ihr nicht. Schon nach kurzer Zeit bildeten sich vor Anstrengung Schweißflecke unter ihren Achseln. Aber sie ließ mit ihrem Eifer nicht nach.

Die meisten Karteikarten zierten nicht nur Abdrücke ihrer Zähne, sondern waren auch mit Lippenstift verschmiert und ein wenig feucht von ihrem Speichel.

Sie konnte sich nicht erinnern, jemals soviel Spaß an einer Sache gehabt zu haben. Ihre mit der Zeit leicht schmerzenden Knie störten sie ebensowenig wie der trockene Mund und der Papiergeschmack auf der Zunge. Es machte ihr nichts aus, daß sie schwitzte, ihr immer wieder die Haare in den Mundwinkeln oder mitten im Gesicht hingen.

Als sich auch auf ihrem Rücken ein großer Schweißfleck auf ihrer Bluse zu bilden begannen, entschied er, ihr etwas zu trinken anzubieten. Er ging in die Küche. Sie achtete nicht darauf. Sie war so in ihre Aufgabe versunken, daß sie es vermutlich nicht bemerkt hatte. In der Küche, er hatte schon ein Glas in der Hand, durchfuhr ihn – wie er meinte – ein schelmischer Gedanke. Kroch sie schon wie ein Hund über den Boden, konnte sie ja auch ruhig wie ein Hund trinken.

Er holte eine kleine flache Schüssel aus dem Schrank und ging nebst einer Flasche Mineralwasser ins Zimmer zurück. Die Schüssel stellte er auf dem Boden in der Nähe der Tür.

»So, komm einmal etwas trinken«, lockte er sie, wie man einen Hund in seinem Spiel unterbricht, weil er etwas trinken soll, und goß Mineralwasser in die Schüssel.

Sie sah ihn fragend an. Dann verstand sie und grinste. Ohne auch nur einen winzigen Augenblick zu zögern, kroch sie zur Schüssel, beugte den Kopf hinunter und begann wie ein Hund mit der Zunge das Wasser aufzuschlecken. Aber da eine menschliche Zunge nun einmal anders als die eines Hundes beschaffen ist, war die Menge gering, die sie so aufnahm, dafür befand sich bald mehr Wasser außerhalb der Schüssel auf dem Boden und ihr Gesicht war nicht mehr nur vom Schweiß naß. Nur zu gerne hätte er ihr das Gesicht saubergeleckt.

Er beobachtete sie, schwieg und grinste in sich hinein. Als es ihr selbst zuviel wurde – viel war ohnehin nicht mehr in der Schüssel – hörte sie auf, warf noch einen letzten, einen wenig verächtlichen Blick auf die Schüssel von deren Inhalt sie viel zu wenig bekommen hatte und machte sich wieder an ihre Aufgabe.

Als sie die letzte gelöst hatte, kroch sie zu ihm und sah ihn erwartungsvoll und auch auf ein Lob hoffend von unten her an. Durch die Anstrengung ging ihr Atem heftiger, ihre Brüste hoben und senkten sich auf eine viel zu betörende Weise, sie hatte den Mund halb geöffnet und erinnerte ihn so noch mehr an einen hechelnden Hund. Er stand auf, sie folgte ihm aufmerksam mit den Blicken.

Er nahm die Karteikarten, die an den Stellen, wo sie diese mit dem Mund gepackt hatte, aufgeweicht und voller Lippenstift waren, aber da es von ihr stammte, waren für ihn die Karten dadurch ›veredelt‹. Sie hatte nur zwei unbedeutende Fehler gemacht, was er ihr aber nachsah.

»Gut gemacht«, lobte er und tätschelte ihr den Kopf wie den eines braven folgsamen Hundes.

Sie rieb sich zum Dank mit der linken Seite an seinem rechen Bein. Es hätte beide sicherlich nicht im geringsten gewundert, wenn sie jetzt einige Male zufrieden gebellt hätte.

Eine ganze Weile verharrte sie in dieser Stellung bis ihr aufging, daß sie langsam an einem Punkt angelangt waren, an dem es begann nur noch albern zu wirken. Damit das nicht passierte, stand sie auf. Es fiel ihr nicht leicht. Ihre Glieder waren durch die lange und ungewohnte Haltung ein wenig steif geworden. Er mußte sie stützen und sie lehnte sich an ihn. Auch das nutzten beide länger aus als nötig, aber nicht solange, daß es ›gefährlich‹ wurde.

Er legte die Karteikarten in eine Schublade, bot ihr etwas zu trinken an – diesmal aus einem Glas.

Sie verabschiedeten sich wieder wie gute Freunde, die miteinander für eine Prüfung gelernt hatten. Doch während der Nacht hatten beide einen feuchten Traum, der diesem Bemühen Hohn sprach und den sie sehr genossen.

 

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