Kurzes #22 – Begegnung im Café

von
Armin A. Alexander

Die zweite Kurzgeschichte zum Thema Fetischismus.

 

Wohl oder übel würde Tillmann das letzte Stück Weg laufen müssen, wollte er nicht bis auf die Haut durchnäßt werden. Im allgemeinen mochte er den Frühlingsregen, aber nicht unbedingt, wenn er sich mittendrin und ohne Schirm befand. Diese praktische Erfindung lag wieder einmal dort, wo sie in einer solchen Situation nicht liegen sollte: bei ihm zu Hause in der Diele auf dem Schuhschrank. So konnte er ihn unterwegs zwar nirgendwo liegen lassen, doch dafür war ihm jetzt eine kostenlose Dusche sicher.

Natürlich war der Himmel bereits mit dichten grauen Wolken tief verhangen gewesen als er das Haus verlassen hatte. Zeichen genug zu überprüfen, ob man denn nun das tragbare Regendach mitgenommen hatte und wenn nicht, noch einmal bequem umkehren konnte, um es zu holen. Doch wie dem meist so ist; man vertraut naiv auf sein mehr als zweifelhaftes Glück und fordert mit dieser Gleichgültigkeit der Macht der Elemente gegenüber, diese geradezu heraus, einem zum ungezählten Male zu beweisen, daß ihre eindeutigen Vorankündigungen stets ernst zu nehmen sind.

Trotz allem war Tillmann das Glück doch noch ein wenig hold, denn bevor sich die Schleusen gänzlich öffneten, hatte er sein Ziel erreicht und trat durch die Eingangstür seines Stammbistros.

Hinter ihm ergossen sich jetzt wahre Sturzbäche. Auf dem Straßenpflaster stand innerhalb von Augenblicken eine dünne Wasserschicht auf der die auftreffenden Tropfen große Blasen bildeten. Schnell waren die Wege wie leergefegt. Jeder versuchte eiligst einen schützenden Unterstand zu finden. Schirme boten bei einem derartigen Wolkenbruch kaum noch einen hinreichenden Schutz. Die Reifen der Autos schleuderten wahre Fontänen auf die Gehwege, die Scheibenwischer kamen trotz höchster Stufe nicht nach, die Windschutzscheiben einigermaßen blickfrei zu halten. In den Vertiefungen der abgefahrenen Fahrbahnteile bildeten sich schnell tiefe Pfützen, durch die viele Fahrer gedankenlos ihre Vehikel lenkten und manchem ahnungslosen Passanten, der sich nicht schnell genug mit einem beherzten Sprung in Sicherheit bringen konnte, von oben bis unten beschmutzten.

»Ja, es ist ein sehr feuchter Frühling heuer«, empfing ihn Franí§ois, der Wirt, der gerade die Espressomaschine neu beschickte.

Tillmann strich sich das Wasser aus den Haaren, zog seine Jacke aus und hängte sie an den Kleiderständer in der Nähe der Theke.

»Sehr feucht«, bestätigte er und trocknete mit einem Taschentuch seine Brillengläser. »Wer jetzt nicht das Glück hat einen einigermaßen geschützten Unterstand zu finden, der braucht heute abend kein Bad mehr.«

»Oder eine gute Reinigung«, entgegnete Franí§ois nüchtern und schloß den Deckel der Espressomaschine.

Auf jemanden, der ihn nicht kannte, konnte er schon als etwas humorlos erscheinen. Doch besaß Franí§ois sehr wohl Humor, aber einen schwer ergründbaren. Darüber hinaus konnte sich wohl keiner, der ihn näher kannte, vorstellen, daß ihn irgend etwas oder irgend jemand ernsthaft aus der Ruhe bringen konnte. Er besaß stets ein offenes Ohr für den Kummer seiner Gäste, konnte stundenlang zuhören, gab dabei selten mehr als ein gelegentliches interessiertes Kopfnicken von sich und verstand es meisterlich immer den Rat zu geben, den der andere sich aus tiefstem Herzen gewünscht hatte.

Für Franí§ois’ Verhalten gab es zwei mehr oder weniger plausible Theorien: Erstens stammte er – zumindest nach eigenen Angaben, die bisher keiner widerlegen konnte –, aus einer alten Dynastie von Bistrowirten – es wurde gemunkelt, daß einer seiner Vorfahren schon bei Cäsars Einfall in Gallien in dritter Generation einen Gasthof betrieben haben soll, doch dürfte das ins Reich der Sagen und Fabeln gehören –, verbrieft war lediglich, daß sein Vater ein kleines Bistro bei Nantes besaß, das dieser wiederum von seinem Vater übernommen hatte, doch dann verlor sich die Spur im Dunkel der Geschichte. Franí§ois selbst sah sich in jungen Jahren berufen französische Bistrokultur ins östliche Nachbarland zu exportieren und war damit bis heute sehr erfolgreich. Zum zweiten setzte sich die Mehrzahl seiner Gäste aus Künstlern zusammen; einigen etablierten, wozu er seine eigene Person in aller Bescheidenheit zählen durfte, viele, die noch am Anfang ihres Werdeganges standen und sich mehr mit dem Problem beschäftigen mußten, woher sie nächste Woche das Geld für ihre warmen Mahlzeiten nehmen sollten als mit ihrer Arbeit, und – das war wohl unvermeidlich – einige wenige, die sich gerne dafür hielten, aber außer nichtssagenden Reden über ständig in der Schwebe befindlichen Projekten, die so diffus waren, daß sie wohl selbst nicht wußten, worüber sie eigentlich gerade sprachen, bisher nichts Erwähnenswertes vorweisen konnten.

»Oder die«, pflichtete Tillmann Franí§ois bei und setzte seine Brille wieder auf ohne die er nicht allzuviel klar und deutlich wahrnehmen konnte. Glücklicherweise waren seine Bilder und Photographien stets klar und deutlich.

»Das gleiche wie üblich«, fragte Franí§ois mehr der Höflichkeit halber und putzte eine Lache von dem kleinen Rost der Maschine, auf den die Tassen gestellt wurden.

»Dasselbe wie immer«, bestätigte Tillmann und setzte sich an einen Tisch am Fenster.

Er saß gerne am Fenster, beobachtete die Szenen, die sich in dieser schmalen Straße, umsäumt von Häusern, die überwiegend um neunzehnhundert erbaut worden waren, abspielten. Sie war eher mäßig belebt, aber gerade deshalb bot sich dem aufmerksamen Betrachter manch interessante Szenerie. Die soziale Struktur – wissenschaftlich ausgedrückt – war gemischt, wenn auch der Anteil jener mit künstlerischen Berufen überdurchschnittlich hoch zu sein schien. Sein geräumiges Atelier, aus dessen großzügigen Fensterflächen er eine gute Aussicht über diesen Stadtteil besaß, lag in einer kleinen Nebenstraße, lediglich zweihundert Meter vom Bistro entfernt. Das Haus selbst war als eines der ersten dieses Viertels bereits in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erbaut worden und stand seit langem unter Denkmalschutz. Erst vor wenigen Jahren waren alle Installationen erneuert und eine moderne Gasheizung eingebaut worden. Wenn man den Erzählungen der älteren Bewohner Glauben schenkte, dann hatten schon einige große Kollegen das Atelier vor ihm bewohnt. Er mochte dieses Viertel, es besaß Charme und Geschichte, nicht zuletzt, weil es zwei große Kriege und vor allem die Erneuerungswut der Stadtplaner der Fünfziger und Sechziger Jahre nahezu unbeschädigt überstanden hat. Sogar das Kopfsteinpflaster war immer noch der vorherrschende Straßenbelag. Das Viertel selbst lag unweit des belebten Stadtzentrums und besaß trotzdem etwas kleinstädtisch Gemütliches. Einige Straßen wurden noch von uralten Linden gesäumt und ein kleiner gepflegter Park bildete fast eine Art Dorfanger.

»Hier, bitte, Ihr café au lait und Ihre Waffeln. Sie wurden eben erst frisch gemacht.« Franí§ois stellte beides vor ihm auf den Tisch.

Die dampfenden Waffeln glänzten von der heißen Butter. Ihr Aroma zog schnell in Tillmanns Nase und verstärkte die Vorfreude auf diesen Gaumenschmaus.

»Danke, Franí§ois«, entgegnete er.

»Ich habe einen Auflauf mit Äpfeln im Ofen. Wenn Sie ein Stück möchten? Ich weiß doch, wie gerne Sie dergleichen mögen«, fügte er fast väterlich hinzu.

Er konnte allem süßen Gebäck nur schwer widerstehen. Aber er übertrieb es auch nie, denn es wäre ein zu hoher Preis für Naschsucht, wenn sich das in den berühmten Jahresringen niederschlüge. Außerdem behielt so das Naschwerk seinen Reiz als etwas Besonderem.

»Natürlich hätte ich gerne ein Stück davon, das wissen Sie doch genau, Franí§ois.«

Mit einem Anflug der Zufriedenheit um die Mundwinkel, widmete Franí§ois sich wieder seinen übrigen, im Augenblick nicht sehr zahlreichen Gästen.

Im hinteren Teil saß einsam an einem Ecktisch ein junger Romancier, der bereits mit einem begehrten Nachwuchspreis bedacht worden war, vertieft in die Korrektur von Druckfahnen. Am Nebentisch versuchten sich zwei junge Musiker darüber einig zu werden, ob ein Akkord sich so oder anders vielleicht besser in die Harmonie eines neuen Liedes einfügte. Unweit von ihm hatte sich ein stadtbekannter Karikaturist niedergelassen und arbeitete an einer Karikatur für die morgige Ausgabe einer etablierten Tageszeitung. Am Tisch gegenüber seinem saß ein Pärchen, er, ein vielversprechender junger Maler, sie sein bevorzugtes Modell und derzeitige Lebensgefährtin, ein hübsches zartes Ding von zwanzig Jahren mit dunkelblonden Haaren und üppigen knallrot geschminkten Lippen. Sie hatte sich an seine Schulter gelehnt und schien zu schlummern, während er auf seinem Zeichenblock einige Skizze mit schnellen, sicheren Strichen anfertigte. Tillmanns Blick blieb auf ihren hellbestrumpften, lässig übereinandergeschlagenen Beinen mit einem bewunderndem Lächeln ruhen. Ihre Waden waren kräftig und ließen ihre Fesseln schmaler wirken als sie tatsächlich waren. Sie wippte gelegentlich mit dem freien Fuß, was Tillmanns Blick auf ihre Füße zog. Ihre hochhackigen Schuhe waren bereits ein wenig ausgetreten, wenn auch gepflegt, legten zugleich Zeugnis davon ab, daß ihre Trägerin eine Vorliebe für hochhackiges Schuhwerk besaß und sie nicht nur zu besonderen Gelegenheiten trug. Tillmanns Blicke strichen beinahe zärtlich über die bestrumpften Beine der jungen Schönen. Er ließ den Blick von ihren Füßen aufwärts zu ihren Knien wandern und zum Saum ihres knielangen schwarzen Lederrocks, der ein wenig abgetragen wirkte, wie ein Lieblingskleidungsstück nun einmal mit der Zeit ist. Tillmann erinnerte sich, daß sie fast immer diesem Rock trug, sah er sie irgendwo allein oder in Begleitung ihres Freundes.

Tillmann riß sich von ihrem Anblick los und sah zur Theke hinüber.

Franí§ois spülte andächtig Gläser und Tassen und ließ seinen Blick mit beinahe väterlichem Stolz auf den Anwesenden ruhen.

Tillmann machte sich über die erste Waffel her und genoß den café au lait, der wie wohl alles was es bei Franí§ois gab, unzweifelhaft eine Spezialität darstellte.

Der Wolkenbruch ging langsam in einen ausgiebigen Landregen über. Die Straßen belebten sich wieder. Die Regentropfen tanzten nur noch auf den Pfützen. Die Menschen gingen mit hochgeschlagenen Kragen und aufgespannten Schirmen eilig ihrer Wege.

Tillmann warf einen Blick zu der jungen Schönen hinüber, die aus ihrem scheinbaren Schlummer erwacht zu sein schien. Sie flüsterte ihrem Freund etwas zu und stand auf. Mit einer lässigen Bewegung zog sie ihren engen, durch das Sitzen hochgerutschten Rock hinunter und ging mit leicht wiegenden Hüften zur Toilette. Tillmann folgte ihr mit den Blicken. Sie ging souverän auf ihren hohen Absätzen.

Tillmann wollte sich gerade an seiner zweiten Waffel laben, da erblickte er Saskia, wie sie die Straße überquerte. Ungeachtet des Regens war sie ohne Schirm unterwegs. Während es bei ihm die reine Schusseligkeit war, daß er gewöhnlich den seinen zu Hause ließ, war es bei ihr der Normalzustand. Er war sich sogar sicher, daß sie gar keinen besaß. Regen machte ihr nichts aus. Es störte sie nicht, wenn sie naß wurde. Ihr kurzer schwarzer Lackmantel triefte vor Nässe. Sie mußte schon länger in dem Wetter unterwegs sein. Sie hatte den Kragen hochgeschlagen, den Gürtel eng geschnürt, was ihre schmale Taille und ihre üppige Brust nur noch mehr betonte, und die Hände tief in den Taschen vergraben. Das rotbraune kurze lockige Haar klebte ihr am Kopf. Achtlos schritt sie mit ihren eleganten schwarzen hochhackigen Schuhen durch eine kleine Pfütze, die ihren Weg kreuzte. Ihre schwarzen Strümpfe waren mit deutlich sichtbaren Dreckspritzern übersät. Zielsicher steuerte sie das Bistro an. Ob sie ihn schon erblickt hatte, konnte er nicht sagen. Sie besaß die Fähigkeit alles zu sehen, ohne daß man sah, daß sie es sah.

Sie stieß die Tür kraftvoll auf, sah sich nicht um, sondern entledigte sich sogleich des nassen Mantels, den sie achtlos an den Kleiderständer hängte, wo das herabtropfende Wasser eine Lache auf dem Boden bildete. Franí§ois war ihre Ankunft nicht entgangen. Mehr aus Höflichkeit grüßte sie ihn kurz und steuerte zielstrebig Tillmanns Tisch an. Sie setzte sich mit einer fließenden Bewegung und schlug die langen muskulösen Beine mit den schmalen Fesseln übereinander, wobei, beabsichtigt oder nicht, bei ihr ließ sich das nie sagen, ihr enger nicht sehr langer dunkelblauer Lederrock hochrutschte und viel von ihren schönen langen Bein sehen ließ.

Über acht Jahre kannten beide sich bereits, und noch immer empfand er in ihrer Gegenwart ein gewisses hochsinnliches Kribbeln, das selbst weniger empfindliche Gemüter aus dem Konzept bringen konnte.

»Lange nicht gesehen«, sagte sie statt eines Grußes und bediente sich von seiner zweiten Waffel, die sie mit ihren schlanken feingliedrigen Fingern zerpflückte und stückchenweise zwischen die vollen sinnlichen Lippen schob.

»Wenn du drei Tage als lang bezeichnest«, meinte er nur und beobachtete, wie seine Waffel ziemlich zügig in ihrem Mund verschwand.

»Es gab einmal Zeiten, da erschien dir eine Trennung von mir von drei Stunden als lang«, meinte sie nur und leckte sich die Butter eindeutig lasziv von den Fingern.

Anschließend nahm sie einen langen Schluck von seinem café au lait.

Damit hatte sie natürlich recht und er machte sich auch nicht die Mühe es zu leugnen.

Wie zufällig streifte sie unter dem Tisch Tillmanns Wade mit dem Fuß, was ihm ein angenehmes Kribbeln verursachte.

»Was darf ich Ihnen bringen«, erkundigte sich Franí§ois bei Saskia.

»Einen Espresso.«

»Ich habe einen Apfelauflauf, frisch aus dem Ofen.«

»Bringen Sie ihr auch ein Stück«, entschied Tillmann für sie.

Es handelte sich dabei um reinen Selbstschutz, denn sie konnte einem köstlichen Naschwerk ebenso wenig widerstehen wie er, und ehe sie seine Portion ganz allein verschlang, sollte sie besser ihre eigene haben.

»Ja, bringen Sie mir eine Portion, Franí§ois«, war Saskia einverstanden.

Franí§ois zog sich zurück.

»Es freut mich, daß du dich immer noch um mein Wohlergehen bemühst«, sagte sie in einem Tonfall und mit einem Augenaufschlag, der seinen Blutdruck gegen seinen Willen ansteigen ließ.

»Mir liegt eben an dir«, erwiderte Tillmann ehrlich und richtete den Blick unwillkürlich auf die junge Schöne, die in diesem Moment zu ihrem Freund zurückging.

»Ich sehe, daß du noch immer den Reiz schöner Frauenbeine zu schätzen weißt«, sagte Saskia mit einem leisen Lächeln.

Tillmann wäre beinahe verlegen geworden, da er fand, daß ein Mann in Gesellschaft einer Frau sich nicht nach anderen Frauen umsehen sollte.

Saskia rieb leicht die Waden aneinander, so daß er glaubte, den zarten Stoff leise knistern zu hören und sogleich den Blick wieder auf ihre Beine richtete.

»Ich bin eben ein Bewunderer des Schönen«, sagte er, nachdem er den kurzen Anflug von Verlegenheit überwunden hatte.

»Ich weiß und ich habe es auch nicht vorwurfsvoll gemeint«, erwiderte sie mit einem etwas amüsierten Lächeln darüber, daß ein Mann seines Alters noch so leicht verlegen werden konnte. »Sie hat wirklich schöne Beine.«

»Aber nicht so schöne wie deine«, erwiderte er ein wenig zu schnell.

»Schleimer«, erwiderte sie liebevoll und strich sich eine nasse Locke aus der Stirn. »Ich bin ganz zufrieden mit ihnen.«

Sie sah zu dem jungen Paar hinüber. Er hatte mit Zeichnen aufgehört und streichelte ihr mit den Fingerspitzen über die zartbestrumpften Schenkel. Sie lächelte ihn an. Es war unübersehbar, daß ihr seine Zärtlichkeiten gefielen.

Tillmann sah ebenfalls zu dem jungen Paar hinüber.

»Ich bin mir sicher, daß sie ihre Strümpfe und ihren Lederrock auch beim Vögeln anbehält«, fuhr Saskia mehr zu sich selbst fort.

Wie nebenbei begann sie Tillmanns auf dem Tisch ruhende Rechte mit den Fingerspitzen zu streicheln. Er vermochte bis heute nicht zu sagen, wann sie etwas aus Gedankenlosigkeit tat, wann aus Bedürfnis.

»Was bringt dich auf den Gedanken«, fragte Tillmann, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte.

»Weil ich es selbst auch so halte«, erwiderte Saskia grinsend.

Tillmann hatte mit dieser Antwort nicht gerecht. Obwohl er sie bereits so lange kannte, konnte sie ihn mit ihren unerwarteten Antworten noch immer überraschen. Er verdrehte leicht genervt die Augen.

»Erstens, so wie ihr Lederrock aussieht, so schön speckig an ihrem schönen Po, würde es mich nicht wundern, wenn sie auch hin und wieder in ihm schläft, da ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß sie ihn auch beim Vögeln trägt. Außerdem steht er darauf und es würde mich nicht wundern, wenn er auch schon über ihrem Rock gekommen wäre. Und so wie sie sich das Streicheln ihrer bestrumpften Schenkel gefallen läßt, genießt sie selbst das Tragen von zarten Strümpfen.«

Ehe Tillmann darauf antworten konnte, kam Franí§ois und brachte den Apfelauflauf. Er war froh über diese Unterbrechung, denn er hätte nicht gewußt, was er Saskia darauf antworten sollte.

»Nein, mein Lieber«, fuhr sie fort, als Franí§ois sie allein gelassen hatte, ohne eine Antwort von ihm abzuwarten. »Du glaubst gar nicht, wie viele Frauen es mögen halb angezogen beim Vögeln zu sein.«

Sie trennte mit der Gabel ein Stück von dem dampfenden Apfelauflauf ab, Zimtduft stieg aus der Füllung empor, und schob es zwischen die vollen Lippen. Dabei massierte sie seine Wade ausgiebig mit ihrem Fuß. Sie machte das stets, wenn sie sich irgendwo gegenüber oder nebeneinander saßen und er hatte es immer gemocht.

Tillmann schaute aus dem Fenster, während er seine Portion aß. Der Regen würde wohl noch etwas anhalten, aber in der grauen Wolkendecke zeigten sich bereits einige Strukturen. Die Passanten gingen mit aufgespannten Schirmen weniger eilig ihres Weges als noch vor einer dreiviertel Stunde. Der Regen schien als das unvermeidliche Tageswetter akzeptiert worden zu sein.

Saskia hatte recht. Noch jede seiner, trotz seines Alters nicht sehr zahlreichen Verflossenen, hatte zumindest hin und wieder gerne etwas erotisch ansprechendes beim Sex getragen.

Tillmann legte Saskia die Rechte auf den Schenkel knapp unterhalb des Rocksaums und begann ihr sanft die empfindsame Innenseite mit den Fingern zu streicheln.

Saskia genoß seine Liebkosung mit einem zufriedenen Lächeln, während sie weiter von ihrem Apfelstrudel aß.

Manchmal fragte Tillmann sich, ob er Saskia nicht zuletzt darum begehrte, weil sie eine Vorliebe für zarte Strümpfe, hochhackige Schuhe und schicke Lederröcke besaß und diese auch beim Sex gerne trug. Er versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal keine Nylons beim Sex getragen hatte und kam zu keinem Ergebnis, was ihn beruhigte.

Sie hatte ihren Apfelauflauf fast vollständig aufgegessen, während er noch die Hälfte übrig hatte.

»Was ist?« fragte sie und legte die Gabel auf den leeren Teller, »schmeckt dir der Auflauf nicht? Du bist doch gewöhnlich der erste von uns, der mit Essen fertig ist.«

»Vielleicht weil ich mehr Hunger auf dich habe«, erwiderte er und blickte sie ein wenig aus treuen Hundeaugen an.

Sie lachte auf und warf kurz den Kopf in den Nacken. Dann beugte sie sich zu ihm hinüber und sagte leise und eindringlich: »Oder auf meine Nylons, meine hochhackigen Schuhe und meinen Lederrock?«

Er spürte ihren nach Apfel und Zimt riechenden Atem im Gesicht. Genießerisch und ein wenig lasziv leckte sie sich die Lippen.

»Auf dich und deine Nylons, deine hochhackigen Schuhe und deinen Lederrock«, erwiderte er ungerührt.

»Das weiß ich doch«, erwiderte sie, »aber ich höre es gerne von dir. Als eine Liebhaberin von Nylons, hochhackigen Schuhen und engen Lederröcken genieße ich es, doppelt deswegen begehrt zu werden.«

Tillmann atmete tief durch. Ihm war warm geworden. Aber er hatte auch mit dem Spiel begonnen, obwohl er wußte, daß sie sich beim Flirten nur wenig Hemmungen auferlegte.

Mit einem sichtlich zufriedenen Lächeln, daß sie ihn wieder einmal aus der Reserve gelockt hatte, lehnte sie sich zurück.

Tillmann wich ihrem Blick aus und sah nach draußen. Der Regen hatte aufgehört.

»Wünschen Sie noch etwas«, erkundigte sich Franí§ois, der wieder an ihren Tisch getreten war.

Er räumte Saskias leeren Teller weg und warf einen kurzen strengen Blick auf Tillmann, weil dieser seinen Apfelauflauf noch nicht aufgegessen hatte.

»Ich auch, danke. Der Apfelauflauf war einfach köstlich, Franí§ois«, versicherte Saskia.

»Das freut mich«, erwiderte Franí§ois und entfernte sich.

Der junge Maler und seine schöne Freundin verließen das Lokal. Er hatte zärtlich den Arm um ihre Taille gelegt.

»Die setzen ihr begonnenes Spiel an einem intimeren Ort fort«, war Saskia überzeugt.

»Vermutlich«, erwiderte Tillmann gedankenverloren, während er mit den Fingern längst unter ihrem Rock war, bereits die nackte Haut oberhalb ihrer Strumpfsäume streichelte.

»Noch ein paar Zentimeter weiter und Franí§ois wird sich in Zukunft überlegen, ob er uns noch einmal in sein Bistro läßt«, meinte sie fröhlich, als würde sie das nicht im geringsten stören.

Ein wenig schuldbewußt hielt Tillmann mit seinen Liebkosungen inne. Er hätte sich beinahe ›vergessen‹. Saskia preßte die Schenkel zusammen und hielt seine Hand fest.

»Ich spüre gerne deine Hand dort«, sagte sie.

»Ich würde mich gerne mal wieder von dir mit deinen bestrumpften Zehen massieren lassen«, sagte er und aß seinen Apfelauflauf mit der Linken auf.

»Ich glaube auch, daß es Zeit für uns ist, den Ort zu wechseln«, meinte sie mit einem vielsagenden Lächeln und entließ Tillmanns Hand.

 

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