Kurzes #28 – Die »Unnahbare«

von
Armin A. Alexander

»Kennst du eine unnahbare Frau«, fragte mich Hansegon unvermittelt.

»Wie meinst du das?« verstand ich nicht so recht, worauf er hinauswollte.

Ich setzte meine Tasse Kaffee, die ich gerade zum Mund führen wollte, wieder auf die Untertasse zurück.

»Ich meine, ob du jemals einer Frau begegnet bist, bei der du sofort wußtest, daß, ganz gleich, was du auch versuchst, du bei ihr niemals Erfolg haben würdest.«

»Ja, ich erinnere mich an eine, die aus einem katholischen Elternhaus kam und nur als Jungfrau in die Ehe gehen wollte. Oder meinst du die, die sich ausschließlich einen wohlhabenden Mann vorstellte?« beantwortete ich seine Frage alles andere als in seinem Sinne, das sah ich schon an seiner Miene, der eigenartige Tonfall, in dem er seine Frage stellte, hat es einfach herausgefordert.

»Witzbold. Natürlich meine ich nicht diese Art von Unnahbarkeit.«

»Das dachte ich mir schon«, entgegnete ich. Ich war schon leicht enttäuscht, daß mein, zugeben schaler Witz, keinen großen Anklang bei ihm fand. »Aber ich verstehe trotzdem nicht, worauf du hinaus willst.«

»Ich meine eine Frau, die etwas wirklich Besonderes ist. Die nicht nur, sagen wir ruhig, sehr schön ist, sondern darüber hinaus hochintelligent und eine ganz besondere Ausstrahlung besitzt, wobei, physische Schönheit ist bei einer solchen Frau vielleicht nicht einmal wichtig, da die besondere Ausstrahlung das mehr als wett macht. Weißt du, was man früher, als die Männer noch Angst vor solchen Frauen hatte, als femme fatale bezeichnete.«

»Eine femme fatale ist nicht unbedingt unnahbar oder unerreichbar, eigentlich lebt eine femme fatale sogar davon, daß sie für bestimmte Männer durchaus erreichbar ist, wenn sie ihnen auch erst dann ihre Gunst gewährt, sobald sie eine stattliche Vorleistung erbracht haben, in der Regel finanzieller Art. Wobei ich allerdings frech behaupte, daß ein Mann bei einer solchen Frau auch einiges an emotionaler Vorleistung aufbringen muß. Aber ich vermute so langsam, worauf du hinaus willst.«

Was reichlich voreilig war, da ich immer noch keinen Schimmer davon hatte, was er eigentlich sagen wollte.

»Das weiß ich doch!« kam mein Exkurs auch nicht besser an. »Leider fällt mir kein anderer Vergleich ein. Ich könnte auch sagen, eine Art Traumfrau, die dir vielleicht einmal im Leben begegnet und von der du weißt, daß sie sich niemals für dich interessieren wird.«

»Wie kommst du jetzt darauf?« nahm ich endlich den beabsichtigten Schluck Kaffee, sicher seiend, daß es noch ein Weilchen dauern würde, ehe er sich verständlich gemacht hatte.

»Ich las vor kurzem einen Artikel über die sogenannten ›Supermodels‹, die angeblich so viele Männer zum Träumen anregen, oder diese Hollywoodschauspielerinnen, die als überirdische Schönheit verkauft werden.«

»Gut, aber du kannst gerade den sogenannten ›Supermodels‹ – wobei ich allein schon das Wort zum Gruseln finde, es hat für mich etwas eindeutig Artifizielles – kaum überdurchschnittliche Intelligenz bescheinigen, wobei wir den Aspekt der Schönheit besser unter der Rubrik ›persönlicher Geschmack‹ ablegen wollen.«

»Sicher, mit deiner Sarah können die wenigsten schon allein vom Aussehen her konkurrieren, wenn überhaupt, eigentlich nur einige europäischen Schauspielerinnen, unter anderem diese Französin, ich komme jetzt nicht auf den Namen, so eine dunkelhaarige – oder ist es eine Blonde? – ich erinnere mich gerade nicht so daran – jedenfalls hast du vor längerem noch gesagt, man kann von der sagen, daß sie wirklich schön ist.«

»Ich weiß, wen du meinst, und da mein Namensgedächtnis auch nicht gerade besser ist, als deines, kann ich dir den Namen leider nicht nennen.«

Tatsache war, daß ich selbst nicht mehr wußte, an wen ich damals gedacht hatte, einmal davon abgesehen, daß ich mich gar nicht mehr erinnern konnte, dergleichen überhaupt gesagt zu haben. Andererseits fielen mir auf Anhieb nicht wenige französische Schauspielerinnen ein, die ich als schön und begabt bezeichnen würde. Doch ich wollte Hansegon gegenüber nicht unbedingt zugeben, daß ich mich an meine, mir ›unterstellten‹ Aussagen nicht mehr erinnern konnte. Mir gelang es nie, ›was kümmert mich mein Geschwätz von gestern‹, mir zu eigen zu machen.

»Außerdem brauchst du bei deiner Francesca auch nicht das Licht auszumachen, wenn sie die Hüllen fallen läßt.«

»Sicher, aber gegen deine Sarah kommt auch sie nicht an«, erklärte er nüchtern und in keinem sehr schmeichelhaften Tonfall für Francesca, ohne sich dessen natürlich bewußt zu sein..

»Laß das Francesca lieber nicht hören«, meinte ich lachend.

Francesca war eine wirklich hübsche Rothaarige, ein wenig mollig von der Figur, mit einem lebhaften Temperament ausgestattet und einer sehr angenehm klingenden Stimme, der man stundenlang lauschen konnte. Wäre sie nicht die Freundin eines meiner ältesten und besten Freunde und ich nicht mit Sarah liiert, so fiele es mir leicht, mich sterblich in sie zu verlieben, wie der Dichter sagt, und sie auf Händen zu tragen; letzteres ist allerdings mehr im übertragenen Sinne zu verstehen.

»Ist auch gleich«, sagte er mit einer wegwischenden Handbewegung. »Darum geht es nicht. Obwohl Sarah auch ein wenig unnahbar wirkt, wie ich finde. Doch meine ich eine, die, wie ich schon sagte, hochintelligent und bildschön ist und über eine besondere Persönlichkeit, eine gewisse Ausstrahlung verfügt. Jetzt lache nicht, aber mit fällt nur der Vergleich mit einer Göttin als zutreffend ein.«

»Ich sehe keinen Grund zu lachen«, versicherte ich ihm ungerührt und aß ein Stück Erdbeerkuchen.

Lachen war nicht ganz die Reaktion, die ich im Sinne hatte, mir schwebte eher ein verhaltenes Schmunzeln vor. Man mußte ihm solche Metaphern nachsehen, seine fortwährende berufliche Beschäftigung mit der Literatur und der Kultur des neunzehnten Jahrhunderts hatte unübersehbar ihre Spuren hinterlassen.

»Du verstehst jedenfalls, worauf ich hinaus will«, schien er sicher zu sein, daß ich hinter seine Absicht gekommen war.

»Auf eine Wunschfrau, die es, rein theoretisch, zwar gibt, von der man aber weiß, daß sie einem niemals begegnen wird, oder wenn man ihr dennoch begegnen sollte, daß sie sich nie für einen interessieren wird, weil man ihr nicht ebenbürtig erscheint, auf welchem Gebiet ist dabei erst einmal nebensächlich. Wie der pubertierende Jüngling, der sich in seine attraktive, junge Deutschlehrerin verliebt, die glücklich mit einem Mathematiker verheiratet ist«, konnte ich mich eines leicht ironischen Untertons nicht erwehren – Hansegon hatte sich in Schule tatsächlich in unsere hübsche junge Deutschlehrerin verliebt, deren Mann Mathematiker war, wir waren zwölf damals gewesen. Allerdings schien er sich im Augenblick nicht mehr daran zu erinnern, denn zeigte mit keiner Miene eine entsprechende Reaktion, daher fuhr ich fort: »Also, vereinfacht gesagt, daß ein mittelgroßer, unscheinbarer, durchschnittlich gebildeter Mann, der auch ein durchschnittlicher Liebhaber ist, an keine schöne und kluge Frau gelangen kann.«

»Ein krasser Vergleich, aber das in etwa meine ich«, schien er sich zufrieden zugeben. »Um noch einmal auf meine Frage zurückzukommen: kennst du eine solche Frau?«

»Kennst denn du eine solche?« entgegnete ich mit einer Gegenfrage, vor allem um Zeit zum Nachdenken zu bekommen, was ich darauf antworten sollte. »Abgesehen davon, könnte es sein, daß du seit neuestem unter einem mangelnden Selbstwertgefühl leidest?«

»Warum?« blickte er mich leicht irritiert an.

»Aus welchem anderen Grund könntest du auf solche Gedanken kommen?«

»Ich mußte in der letzten Zeit wieder häufiger an ein Jugenderlebnis denken«, erwiderte er und wich meinem Blick aus. »Ich weiß nicht, ob du dich noch daran erinnerst. Ich war fünfzehn und Julia eine Klasse über mir und wohl das hübscheste Mädchen der ganzen Schule. Ihre Eltern bewohnten nicht weit von uns ein großes Haus, ihr Vater war ein sehr erfolgreicher Architekt, ihre Mutter eine gutaussehende Dozentin für moderne Philologie, Julia war die Klassenbeste und behielt eigentlich zu allen Distanz, soweit ich mich erinnere. Na ja, du weißt ja, ich war da noch ein schmächtiger Jüngling, nicht gerade der Traum eines Mädchens in dem Alter.«

Ich konnte mich tatsächlich nicht mehr daran erinnern, an Julia schon. Ich empfand sie damals als reichlich blasiert, um es einmal höflich auszudrücken. Jedenfalls hörte ich heute zum ersten Mal von seiner heimlichen Liebe zu ihr. Seinerzeit hatte er mir nie etwas davon erzählt, allerdings war ich mir da nicht so wirklich sicher, schließlich befand ich mich damals in meiner ersten Beziehung, die den Namen verdiente, und Angela und ich haben jede freie Minute miteinander verbracht und dabei gevögelt und haben unsere Freundschaften arg vernachlässigt.

»Da du gerade eine von ungezählten Situationen der Art schilderst, wie sie vielen Jungen in deinem Alter passiert ist, gilt diese nicht«, unterbrach ich ihn. »Denn ich bin mir sicher, daß du es bei dieser Julia erst gar nicht versucht hast.«

»So betrachtet, hast du eigentlich recht. Es war auch nur eine kurze Schwärmerei, die wenig später verschwand, als ich meine erste Beziehung hatte, sie zwar nicht so schön und auch nicht so klug, dafür warmherzig und liebenswert. Sie, ich meine Julia, ist wenig später mit einem ziemlich unscheinbaren Jungen gegangen, der in allem reichlich durchschnittlich war. Das einzig herausragende an ihm, war das üppige Bankkonto seines Vaters, eines Managers in einem großen Konzern, ich habe aber vergessen bei welchem.« Für mich schwang eine nicht zu überhörende Schadenfreude mit.

Auch daran konnte ich mich nicht erinnern.

»Also, dann war diese Julia doch nicht etwas so Besonderes«, meinte ich nur mit einem Achselzucken.

»Ja, vermutlich«, erwiderte er und schien mit den Gedanken bereits bei einem anderen Thema zu sein. Nach einer Pause fuhr er fort: »Natürlich kann diese besondere Ausstrahlung, die ich meine, erst eine erwachsene Frau haben. – Aber du scheinst meiner Frage auszuweichen.«

»Natürlich kenne ich eine solche«, wollte ich diesen Vorwurf nicht auf mir sitzen lassen, der so unberechtigt, wie ich den Anschein geben wollte, gar nicht war.

»Du?« sah er mich nun ungläubig an.

Ich unterdrückte einen Seufzer. Er schien heute wohl mit keiner meiner Antworten zufrieden zu sein.

»Ich dachte immer, ein Dichter deiner Reputation kann jede haben.«

»Danke für die Blumen«, meinte ich trocken, da es bei näherer Betrachtung ein reichlich zweifelhaftes Kompliment war. »Warum fragst du mich eigentlich, wenn du mir dann doch nicht glauben willst?«

»Tut mir leid, aber vermutlich kenne ich dich zu gut, so daß ich mir nicht vorstellen kann, daß eine solche Frau an dir nicht interessiert sein könnte. Tue einfach so, als hättest du meine Reaktion nicht vernommen. – Kennst du eine solche?« Er beugte sich beinahe über den halben Tisch und schaute mich herausfordernd an.

»Natürlich. Sarah.«

Es war unübersehbar, daß er mit dieser Antwort noch weniger gerechnet hatte, denn er schaute mich mehr als erstaunt an.

In seinem Gesicht war die Überzeugung zu lesen, daß ich mich entschlossen hatte, ihn wirklich zu foppen.

»Gut, Sarah ist eine attraktive und eine hochintelligente Frau, aber doch keine unnahbare! Das nehme ich dir nicht ab. Sie ist schließlich warmherzig und freundlich und liebenswert, ja sie macht auf mich einen eher bescheidenen, zurückhaltenden Eindruck. Sie weiß zwar, was sie will, aber sie würde niemals jemanden überrennen, oder ihn herablassend behandeln.«

»Erinnere mich daran, daß ich nachher noch an der Apotheke vorbeigehe und eine große Schachtel Aspirin kaufe«, unterbrach ich ihn wie beiläufig.

»Warum«, sah er mich irritiert an, da ich ihm mitten in seine Eloge gefallen war.

»Für Sarah. Der Heiligenschein, den du ihr zugestehst, muß sie ganz schön drücken.«

Er murmelte etwas wenig Schmeichelhaftes, das ich auf Grund unserer alten Freundschaft geflissentlich überhörte, dann fuhr er fort, als hätte ich nichts gesagt, wenn auch ein wenig erdverbundener: »Jedenfalls wird sie sich kaum mit einem Mann einlassen, der ihr nicht in gewisser Weise ebenbürtig ist. Aber das allein macht noch nicht Unnahbarkeit aus.«

»Ja, weil du sie kennst. Aber weißt du, wie andere sie sehen?« gab ich ernsthaft zu bedanken.

»Natürlich nicht«, gab er ein wenig kleinlaut zu, wohl weil meine Erwiderung ein wenig zu barsch geklungen hatte. »Dennoch glaube ich dir nicht so recht.«

»Weil du nicht weißt, wie Sarah und ich uns kennengelernt haben. Du warst schließlich zu der Zeit für zwei Jahre beruflich in Venedig. Wo du übrigens deiner Francesca begegnet bist.«

»Das war auch mit das Beste an meinem Venedigaufenthalt«, meinte er von einem Seufzer begleitet, der erneut wenig schmeichelhaft für Francesca interpretiert werden konnte, war einem Bekannt, was sich während dieser beiden auf beruflicher Ebene bei ihm abgespielt hatte.

»Das meint der hiesige Museumsdirektor auch, denn mit ihr hat er eine Expertin für die Venezianische Malerei des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts bekommen.«

»Um auf deine Sarah zurückzukommen«, ging er nicht weiter darauf ein, da er eine Retourkutsche seines Lobliedes auf Sarah befürchtete.

»Meine Sarah stand sehr wohl in dem Ruf eine unerreichbare Frau zu sein. Du glaubst gar nicht, wie viele gerne mit ihr angebandelt hätten, aber sie zeigte allen die kalte Schulter und es waren nicht gerade unsympathische Zeitgenossen darunter. Manche hielten sie schon für lesbisch. Aber sie wurde auch nicht auf eine Weise in Begleitung von Frauen gesehen, daß man eine Bestätigung dafür fand.« Versöhnlich fügte ich hinzu: »Was du über sie vorhin sagtest, stimmt zwar in den wesentlichen Punkten. Doch neigt sie auch dazu, in einer Umgebung, in der, sagen wir einmal, Empfindsamkeit als Schwäche ausgelegt werden kann, oder Männern gegenüber, die einfach nur mit ihr zusammensein wollen, weil sie zu den Frauen zählt, die das Ansehen eines erfolgreichen Mannes noch ein weiteres Stückchen anheben, oder einfach nur mit ihr vögeln wollen, auf Distanz zu gehen, ja bis hin zu kühler Ablehnung.«

»Trotzdem kann ich nicht recht glauben, was du über Sarah sagst«, erschien ihm dies auf den ersten Blick als zu ein zu widersprüchliches Bild.

»Was ich über Sarah sage, stimmt aber, mein Lieber«, sagte ich streng.

»Ihr sprecht über mich«, ertönte plötzlich Sarahs warme Stimme hinter uns.

Wir fuhren beide schuldbewußt zusammen, als hätten wir hemmungslos über sie hergezogen. Ich wagte nicht zu fragen, was sie von unserer Unterhaltung mitbekommen hatte.

Sie gab mir einen zärtlichen Kuß und setzte sich neben mich. Sie schlug die schönen langen zartbestrumpften Beine mit damenhafter Eleganz übereinander, wobei sie, scheinbar unbeabsichtigt, ihren dunkelblauen engen Lederrock soweit hochrutschen ließ, daß ich durch den seitlichen Schlitz einen Streifen ihres Strumpfsaumes sehen konnte.

Das war eines der kleinen Rituale, die wir in der Öffentlichkeit so sehr mochten. Sarahs ans Fetischistische grenzende Vorliebe für schicke Lederbekleidung, zarten Nylons und hochhackigen Schuhe wurden von den meisten in unserem Freundes- und Bekanntenkreis als modische Extravaganz angesehen, doch war es für Sarah mehr als das, denn nur darin fühlte sie sich wirklich wohl und nicht nur im Alltag.

Ich legte zärtlich die Rechte auf ihren muskulösen Schenkel, das weiche Leder unter den Fingern ließ mich ein wohlig sinnliches Gefühl durchströmen. Sarah strich mir kurz zärtlich mit dem Handrücken über die Wange, dann fragte sie Hansegon: »Was macht Francesca?«

»Sie versucht noch immer, sich an mich zu gewöhnen«, entgegnete er nicht sehr ernsthaft, aber doch mit liebevollem Unterton.

Ihm war anzusehen, daß er sich fragte, ob ich ihm keinen Bären aufgebunden hatte.

An der Sarah, die er kannte, war auch nichts scheinbar Unnahbares. Da hatte er recht. Aber er kannte schließlich nicht die Ursache, warum sie sich seinerzeit so verhalten hatte.

Ich kann nicht sagen, warum ich selbst Hansegon verschwiegen habe, daß gerade Sarahs Fetischismus, der sich in erster Linie auf etwas anderes als Leder bezog, der Hauptgrund dafür gewesen war. Leider hatte sie zu oft erleben müssen, daß ein Mann, für den sie sich interessierte, auf Distanz gegangen war, als er erfuhr, daß sie ein eigentlich im Alltag relativ verbreitetes Material, das aber darüber hinaus mit einer starken sexuellen Konnotation belegt war, fand es als Material für Kleidung Verwendung. Dieses Material war ein derart starkes sexuelles Stimulans für sie, daß sie ohne gar nicht wirklich sexuell reagieren konnte, zugleich bevorzugte sie sexuelle Spielarten, die nicht unbedingt jedermanns Sache sind und bei denen bestimmte flüssige Körperausscheidungen eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Ein »Ohne« gab es für sie einfach nicht, darin war sie kompromißlos, und meines Erachtens hat nicht zuletzt diese Kompromißlosigkeit einen beträchtlichen Teil zu der Ablehnung beigetragen, die sie erfahren mußte.

Es ist wohl meine prinzipielle Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Erfahrungen zu verdanken, daß ich Sarahs »Geständnis« ihres Fetischismus und ihrer übrigen Neigungen, obwohl sie es in einer Weise vorbrachte, die keinen Zweifel an ihrer Überzeugung ließ, daß auch ich ihre Passion keinesfalls akzeptieren würde und wie die andere zuvor, mich höflich aber entschieden empfehlen würde. Ihr Erstaunen, daß ich ihre Vorliebe vorbehaltlos akzeptierte und es für mich überhaupt kein Hindernis für eine Beziehung darstellte, war ehrlich gewesen und hatte mich nicht wenig amüsiert, wenngleich ich mir nicht wirklich sicher war, ob bestimmte anerzogene Vorbehalte gegen flüssige Körperausscheidungen, mir am Ende doch einen unwillkürlichen Strich durch meine Rechnung machen würden, so sehr ich mich auch zu ihr hingezogen fühlte.

Als ich schließlich erleben durfte, welchen Genuß sie beim Sex mit ihrer bevorzugten Kleidung ihren übrigen Neigungen erlebte, kam ich nicht mehr einen Augenblick auf den Gedanken, in ihrer Vorliebe irgend etwas »Merkwürdiges« darin zu sehen.

Gedankenverloren streichelte ich über ihren Schenkel. Sie legte zärtlich die Hand auf meine und ließ sie dort, während sie sich mit Hansegon unterhielt.

Vielleicht würde ich ihm doch eines Tages erzählen, was es mit der von mir erwähnten Unnahbarkeit auf sich hatte, wenn auch nicht allzu detailliert. Er brauchte ja nicht alles zu wissen.

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