Kurzes #44 – Marias Überraschung

von
Armin A. Alexander

Der folgende Text ist die Fortsetzung und zugleich der letzte Teil von »Der Gipsfuß«, »Der Rekonvaleszent«, »Rolf wird umsorgt« und »Die neue Nachbarin«

 

Während der Nacht träumte Rolf, wie er ins Badezimmerfenster der Nachbarwohnung sah. Doch stand nicht seine Nachbarin unter der Dusche, sondern Maria in einem hellblauen Seidenkleid. Maria, die sie sich lüstern im Kleid, Nylons und hochhackigen Schuhen in der gefüllten Wanne räkelte. Maria, die wie Venus Anadyomene in einer sonnendurchfluteten Landschaft aus einem vom üppigen Wald umgebenen idyllischen See in einem roten langen Seidenkleid stieg. Maria, die in einem schicken Kostüm aus rotem Satin in einem wolkenbruchartigen Regen allein eine lange Straße im Schein der Laternen, die ein fast taghelles Licht vor einem tiefschwarzen Himmel auf den nassen Asphalt warfen, gravitätisch entlang schritt, durchnäßt bis auf die Haut und das sichtlich genoß.

So schön und wildwuchernd diese Träume auch waren, er war froh, als er in den frühen Morgenstunden erwachte, wenn auch mit einer gewaltigen, beinahe schmerzhaften Erektion. Nicht die Träume an sich irritierten ihn, sondern daß in allen Maria im Mittelpunkt stand, Maria schöner und begehrenswerter denn je. Alle Träume durchzog ein beinahe unbändiges Verlangen nach ihr, das Bewußtsein, daß er keine Frau jemals so begehren könnte wie sie und zugleich die Angst, daß sie sich ihm auf ewig entziehen könnte, eine Angst, die in seinen Träumen so übermächtig wurde, daß es seelisch zutiefst schmerzte.

Er blieb an diesem Morgen lange liegen, bevor er aufstand. Er mußte seine Gedanken und Gefühle ordnen, bevor er ihr gegen Mittag gegenübertreten würde, und außerdem diese dämliche Erektion loswerden, mit der er aufgewacht war und die nicht so recht abklingen wollte und von der er wußte, daß simples Onanieren die Spannung nicht würde abbauen können.

Das leise Rauschen des Regens drang durch das gekippte Fenster herein. Es war selbst für diese Gegend ungewöhnlich ruhig an diesem Morgen. Erst diese Ruhe brachte ihm zu Bewußtsein, daß Sonntag war. Durch seinen derzeitigen gleichmäßigen und austauschbaren Tagesablauf hatte er das Gefühl für die einzelnen Wochentage so gut wie verloren.

Es machte ihn nachdenklich, daß er in allen Träumen nicht nur ein unbändiges Verlangen nach ihr verspürt hatte, sondern daß sie für ihn zugleich die einzige Frau zu sein schien, die er überhaupt begehren könnte. Selbst während ihrer Beziehung hatte er das nur annähernd empfunden. Sicher, er hatte es kaum erwarten können, sie zu sehen und es gab genug Momente, da war er dermaßen geil auf sie, daß er endlos mit ihr hätte vögeln können, was sie mitunter auch getan hatte und mehr als einmal waren beide dabei wund geworden, hatten es aber unglaublich genossen. Aber das ist nicht ungewöhnlich, wenn man ineinander verliebt ist und sich begehrt. Das war einer der Gründe, warum er ihre Entscheidung bis heute nicht hatte nachvollziehen können. Warum beendet man eine Beziehung mit jemanden, dessen Nähe man vorbehaltlos genießt?

Die Empfindungen in seinen Träumen wären nur durch eines zu stillen; das Wissen darum, daß sie eine dauerhafte Beziehung miteinander führten. Doch genau das schien zur Zeit in weiter Ferne zu liegen.

Mit einem tiefen Seufzer stand er endlich auf. Die Gedanken und Empfindungen der Nacht verschwanden nur langsam.

Einerseits freute er sich darauf, sie um die Mittagszeit wiederzusehen, andererseits schmerzte es ihn, daß lediglich Freundschaft zwischen ihnen war, obwohl ihn der gestrige ausgiebige Zungenkuß an dieser Tatsache ernstlich hätte zweifeln lassen müssen und sicherlich nicht wenig an seinen nächtlichen Träumen Schuld war. Warum hatte sie es getan?

Nachdenklich saß er am Küchentisch, starrte in die halbvolle Tasse seines längst erkalteten Tees und versuchte in Gedanken versunken die Krümel seines aufgebackenen Brötchens auf dem Frühstücksbrett mit dem Messer nach Größe zu sortieren.

Dort saß er noch, als Maria erschien. Ihr Klingeln ließ ihn schuldbewußt zusammenschrecken. Er humpelte mit spürbar beschleunigtem Herzschlag und feuchten Handflächen zur Tür. Im Augenblick fühlte er sich, als hätten sie gerade ihr allererstes Rendezvous überhaupt.

Sie begrüßte ihn fröhlich und sichtlich aufgekratzt. Auf ihrem schicken blauen Lackmantel hatte der Regen einen betörend glänzenden Film gelegt.

Fast flüchtig küßte sie ihn auf die Wange und trug den Schirm ins Bad. Nur am Rande fiel ihm auf, daß sie eine größere Tasche als üblich dabei hatte, die zudem prall gefüllt war.

»Sonntags einen Spaziergang durch eine verregnete Stadt zu machen, hat etwas. Kaum jemand ist unterwegs. Die Ruhe tut gut, nichts von der Hektik mit der die Leute unter der Woche unterwegs sind, auch wenn oft genug gar kein Grund zur Eile besteht«, erklärte sie fröhlich, während sie den Lackmantel auszog und an die Garderobe im Flur hängte. »Frühlingsregen hat wirklich etwas Aphrodisierendes.«

Er nickte und fand, daß sie in dem weiten dunklen Rock aus leichtem Stoff, der hellen Bluse und dem breiten schwarzen Lackgürtel hinreißend aussah.

Während sie in der Küche das mitgebrachte Essen aufwärmte – sie hatte zu Hause vorgekocht – saß er in seinem Sessel und sah in den Regen hinaus. Durch ihre Anwesenheit wurden seine nächtlichen Träume und morgendlichen Gedanken zu Chimären, dennoch blieb ein starkes unterschwelliges Verlangen nach ihr bestehen. Er war voller Zweifel, ob er ihr von seinen Träumen erzählen sollte.

Beim Essen plauderten sie über Belangloses. Er machte ihr ein Kompliment über ihren Lackmantel, dabei umspielte ein zufriedenes Lächeln ihre Mundwinkel. Es hätte sie gewundert, hätte er anders reagiert.

»Ich finde ihn auch sehr sexy. Regenbekleidung sollte überhaupt fröhlich und sexy sein, das versöhnt mit dem Wetter«, fügte sie aufgekratzt hinzu.

Er pflichtete ihr aus ganzem Herzen bei und dachte dabei vor allem an seine Nachbarin, die gestern mit nassen Kleidern in einem ähnlichen Mantel spazieren gegangen war.

Sie räumte das Geschirr ab und er machte es sich wieder in seinem Sessel bequem.

Im Grunde war das ein Sonntag nach seinem Herzen. Ihre Gegenwart vermittelte ihm das Gefühl, daß sie trotz allem ein Paar waren. Gleich würde sie den Tee servieren und sie würden gemütlich plaudernd beisammen sitzen. Sie würde sich vielleicht wieder auf der Lehne des Sessels neben ihn setzen, die schönen langen Beine ausgestreckt oder übereinandergeschlagen.

Doch als sie wenig später ins Zimmer zurückkam, hatte sie kein Tablett dabei, sondern die Haare mit kunstvoller Nachlässigkeit hochgesteckt.

»Ich habe eine kleine Überraschung für dich«, verkündete sie und ein leicht verschmitztes Lächeln umspielte dabei ihren Mund, wobei ihm auffiel, daß sie ihre Lippen nicht nur stark geschminkt hatte, sondern zusätzlich Lipgloss aufgelegt und ihre schönen dunklen Augen mit Kajalstift betont hatte. Mehr unbewußt nahm er wahr, daß sie ihren BH ausgezogen hatte und sich ihre Nippel leicht erigiert durch den zarten Stoff der Bluse hindurch modellierten.

Er dachte im ersten Moment an ein kulinarisches Schmankerl, das sie vorbereitet hatte. Schließlich war Sonntag, auch wenn es einen Anflug von Spießigkeit beinhaltete, er mochte eine sonntägliche Kaffeetafel.

»Dazu mußt du mir aber ins Bad folgen«, fuhr sie nach einer Kunstpause zu, was ihn nun ein wenig irritierte, denn in seiner Vorstellung herrschte zur Zeit das Kulinarische vor. »Und außerdem mußt du mir einen Gefallen dabei tun.«

Er sah sie jetzt offen fragend an und sie weidete sich innerlich mit fast diabolischer Freude daran. Es verlief genauso, wie sie es sich vorgestellt hatte.

»Ich möchte, daß du dich ausziehst und dich auf den WC-Sitz setzt.«

Sie mußte sich beherrschen, um nicht laut aufzulachen, als sie sein alles andere als intelligentes Mienenspiel sah, das hätte die ganze geplante Inszenierung zerstört noch bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Er spürte zum Glück, daß Schweigen jetzt die einzig sinnvolle Antwort war und ihrer Bitte zu entsprechen.

Er erhob sich schwerfällig. Sie war bereits aus dem Zimmer.

Er hörte, wie sie das Wasser aufdrehte. Da er nur eine weite Hose und ein altes T-Shirt trug, war er schnell ausgezogen und humpelte ins Bad.

Sie stand neben der Wanne und blickte ihn erwartungsvoll an. Ihre Unterlippe zitterte leicht und ihre üppigen Brüste hoben und senkten sich deutlich. Ihm fiel zudem auf, daß die Schuhe mit den halbhohen Absätzen, in denen sie gekommen war, gegen ein Paar aus feinem Leder mit schlanken und fast turmhohen Absätzen, die sie nur selten und bei besonderen Gelegenheiten trug, vertauscht hatte.

Er ließ sich auf den WC-Sitz sinken. In ihm stieg eine leichte Ahnung auf, was jetzt kommen würde und das ließ sein Herz gleichfalls schneller schlagen, wenngleich er noch nicht so recht daran glaubte.

Kaum hatte er sich gesetzt, stellte sie sich angezogen in die Wanne, nahm den Duschkopf aus der Halterung, legte den Hebel der Mischbatterie um und richtete den Wasserstrahl auf ihre Brüste. Sogleich saugte sich ihre Bluse mit Wasser voll und schmiegte sich an ihren Körper.

Er hielt unwillkürlich den Atem an.

Das mochte zwar der Szene gleichen, die er gestern vom Fenster aus beobachtet hatte, aber da es Maria war und es unmittelbar vor seinen Augen geschah, hatte es eine ganz andere Qualität. Seine Nachbarin hatte für sich allein in ihren Kleidern geduscht, aber Maria tat es für sich und für einen Zuschauer.

»Ist das ein urgeiles Gefühl«, entfuhr es ihr genießerisch.

Sie legte den Kopf in den Nacken, den Mund halbgeöffnet und die Augen halb geschlossen. Ihre Kleider waren vollständig naß, klebten ihr am Körper. Der weite Rock sah naß betörender aus als der enge seiner Nachbarin, was gleichermaßen für die schwarze Nahtnylons galt. Und als sie den Wasserstrahl auf ihren Schoß richtete, schnurrte sie förmlich vor Wonne. Sie ließ den Strahl dort eine ganze Weile kreisen und er ›fürchtete‹ bereits, sie könne es solange machen, bis sie einen Orgasmus hatte, und für einen Moment schien es auch, als hätte sie ihn vergessen und ginge ganz in ihrem eigenen Vergnügen auf, doch bevor das geschah, richtete sie den Strahl wieder höher, sah ihn mit glänzenden Augen und leicht geröteten Wangen an, legte den Hebel an der Mischbatterie um und legte sich in die Wanne. Sie ließ das Wasser solange laufen, bis die Wanne gut gefüllt war. Dann drehte sie es ab.

Sie lag ausgestreckt, die Augen geschlossen, den Kopf und die Arme auf dem Wannenrand ruhend. Sie hing ihren Gedanken nach und sortierte ihre Empfindungen, während er ihren Anblick genoß. Ihm war sie noch nie so begehrenswert erschienen wie in diesem Augenblick.

»Seit ich die Photos gesehen habe, habe ich Lust verspürt, es einmal auszuprobieren«, sagte sie leise vor sich hin, die Augen noch immer geschlossen und ihre entspannte Haltung beibehaltend. »Ich sagte ja bereits, welchen tiefempfunden Genuß die Frauen auf den Photos ausstrahlten und es waren nicht nur junge Frauen. Wobei ich sagen muß, daß die Frauen, die um die Vierzig sein müssen, bedeutend begehrenswerter auf mich wirkten. Und nicht, weil sie meiner eigenen Altersgruppe entsprechen. Aber du weißt ja, wie das ist. Nicht alles, was man sich vornimmt, setzt man auch um. Zumal ich exhibitionistisch genug bin, um erst dann wirklich Spaß daran zu finden, wenn mir jemand zuschaut«, fügte sie mit einem breiten Grinsen hinzu und sah ihn direkt an, was ein elektrisierendes Kribbeln seinen Rücken hinunterlaufen ließ.

Seine beachtliche Erektion, die er vom ersten Moment an bekommen hatte, als sie sich in die Wanne gestellt hatte und den Wasserstrahl über ihre Brüste laufen ließ, nahm er gar nicht bewußt wahr, wenngleich sie mit leuchtenden Augen ihren Blick darauf ruhen ließ.

Er antwortete mit einem Lächeln, er konnte ihre Empfindungen nachvollziehen.

Sie bewegte ein wenig das rechte Bein. Das Wasser plätscherte in der Wanne. Er ließ den Blick an ihrem Bein entlangwandern.

»Aber jetzt kann ich sehr gut nachvollziehen, was die Frauen auf den Photos dabei empfinden. Es ist einfach geil und ich bin nicht nur durch das Wasser zwischen den Beinen naß«, fügte sie mit einem derart kokettem und lasziven Lächeln hinzu, daß er beinahe errötet wäre, obwohl es nun wirklich keinen Grund zum Erröten gab und sie schon ganz anderes zu ihm gesagt hatte.

Er war in sehnsüchtiger Betrachtung versunken und schrak daher ein wenig zusammen, als sie plötzlich aufstand und ihr das Wasser aus den Kleidern lief.

»Hilfst du mir mal«, bat sie ihn. »Auf diesen hohen Absätzen steht man nicht so wirklich sicher in einer Badewanne. Ich werde das noch üben müssen.«

Daß das bedeutete, daß es nicht bei diesen einem Mal bleiben würde, nahm er gar nicht bewußt wahr. Dafür betrachtete er sie fasziniert. Die Bluse klebte ihr auf eine die Sinne betörende Weise am Körper, der weite Rock wirkte erotischer als ein enger, denn auch er klebte ihr geradezu auf laszive Weise am Körper.

»Du siehst hinreißend sexy aus«, erklärte er mit einer Euphorie, die sie zwar auch ein wenig amüsierte aber vor allem mit innerer Zufriedenheit erfüllte.

»Wenn ich nur halb so sexy aussehe, wie ich mich fühle und du mich ansiehst, frage ich mich, wieso du einfach nur dastehst und gaffst, anstatt mich zu ficken mit deinem großen dicken Schwanz, der schon die ganze Zeit in Erwartung steht«, erwiderte sie mit spürbarer abnehmender Geduld und zugleich mit einer Lüsternheit, bei dem ihm ganz schön heiß wurde.

Er schluckte. Er mußte wirklich ein reichlich dümmliches Gesicht machen, wenn sie sich genötigt fühlte, so etwas zu ihm zu sagen.

Er stand auf und half ihr mit leicht zitternden Händen aus der Wanne. Eine Venus Anadyomene ganz für ihn allein. Der blöde Gipsfuß hätte beinahe dazu geführt, daß er, als sie sich beim würdevollen Steigen aus der Wanne für einen Moment auf ihn stützte, ausgeglitten wäre, sie mit sich gezogen und beide unsanft auf den Fliesen gelandet wären, wäre es ihm nicht im letzten Moment gelungen sich rücklings an der neben der Badewanne stehenden Waschmaschine abzustützen. Sie bekam zum Glück nichts davon nichts mit oder ignorierte es geflissentlich.

Kaum war sie aus der Wanne, es bildete sich sofort eine Pfütze zu ihren Füßen, umarmte er sie leidenschaftlich. Es war ein eigenartiges Gefühl ihre nassen Kleider auf der nackten Haut zu spüren, aber ein alles andere als unangenehmes.

 

Während der Nacht lag er noch lange wach. Die Ereignisse der letzten Stunden ließen ihn nicht einschlafen. Sie schlief ruhig dicht neben ihm, den Hintern an seinen Schoß geschmiegt. Wie sehr hatte er sich das gewünscht und nun, wo sein Wunsch in Erfüllung gegangen war, fragte er sich allen Ernstes, ob sie das alles nicht in erster Linie ihm zu Gefallen getan hatte, wenn nur nicht dieses unangenehme Ziehen in den Hoden und dieses eigenartige Gefühl an der Eichel wäre. Sie fühlte sich auch ein wenig wund, wie sie ihm versichert hatte, aber sehr glücklich.

Er erwachte am Morgen durch einen unsanften Stoß mit dem Knie, den sie ihm noch im Halbschlaf unbeabsichtigt versetzte. Die Morgensonne schien ins Zimmer und warf einen hellen Fleck auf das Fußende des Bettes.

»Typisch, kaum beginnt eine neue Arbeitswoche, wird auch das Wetter wieder besser«, meinte sie und räkelte sich lasziv unter der Decke. »Aber da Montag ist und Montag Museen wie Galerien geschlossen haben, kann ich den Tag genießen. Und selbst wenn heute nicht Montag wäre, würde ich nicht in die Galerie gehen«, fügte sie hinzu, lächelte ihn und ließ keinen Zweifel daran, welche Art von Genüssen ihr für diesen Tag vorschwebten.

Als Bernd zur gewöhnlichen Zeit seinen täglichen Besuch machte, öffnete Maria ihm, die Haare zerzaust und mit einem unverschämt glücklichen Gesichtsausdruck, in einem verführerischen Négligé, das sie mitgebracht hatte.

»Öhm – also – sollte ich stören, kann ich auch morgen wieder vorbeischauen«, erkannte Bernd messerscharf die Situation.

»Komm ruhig herein. Ich muß sowieso bald gehen. Auch ohne daß du gekommen wärst.«

Nachdem Maria und Rolf sich leidenschaftlich voneinander verabschiedet hatten, hätte Rolf, wäre er nicht derart mit sich und der Welt im Gleichgewicht gewesen, Bernd für seine triumphierende Miene verprügeln können, die da laut in die Welt hinausschrie: »Hab’ ich’s nicht gesagt? Hab’ ich’s nicht gesagt, daß es so enden wird?«

Doch bevor er etwas sagen konnte, fragte Bernd neugierig: »Wie ist es denn passiert? Ich meine, daß ihr sozusagen wieder zusammen seid?«

Rolf ließ sich mit der Antwort Zeit. Er wollte Bernd ein wenig für seine unverschämte Miene büßen lassen. Rolf setzte sich gemächlich in seinen Rekonvaleszentensessel, legte den Fuß hoch und erst als er es bequem genug hatte, geruhte er zu antworten. Bernd war ungeduldig, hörte aber aufmerksam zu. Rolf ließ auch die Beobachtung, die er bei seiner neuen Nachbarin gemacht hatte, nicht aus, denn die schien in seinen Augen der eigentliche Auslöser zu sein, und wozu diese Maria inspirierte hatte. Hin und wieder huschte ein Lächeln über Bernds Gesicht. Rolf war sicher, daß er sich jetzt weniger seine Nachbarin oder gar Maria unter der Dusche in nassen Kleidern vorstellte, sondern seine Kathrin.

Rolf konnte es nachvollziehen. Kathrin besaß eine traumhafte Figur, wenn sie auch für seinen Geschmack eher etwas klein von Wuchs war. Es würde Rolf nicht wundern, wenn der Freund Kathrin heute abend davon erzählte und sie überredete, sich ebenfalls angezogen unter die Dusche zu stellen. Wie Rolf Kathrin kannte, würde sie diesen Vorschlag mit Begeisterung aufgreifen, besonders wenn sie erfuhr, daß Maria es auch schon getan hatte. Wobei Bernd seine Frau wahrscheinlich nicht einmal zu ›überreden‹ bräuchte, denn Kathrin war grundsätzlich experimentierfreudig.

»Ihr brauchtet einfach einen speziellen Anlaß, um wieder zusammenzufinden«, sagte Bernd altklug, als Rolf mit seiner Erzählung geendet hatte. »Gib’ zu, daß ich recht hatte.«

»Ach, Bernd«, seufzte Rolf tief und hoffnungslos übertrieben und blieb dem Freund eine weitere Antwort schuldig.

Zum Glück besaß Bernd ausreichend Feingefühl, um nicht weiter zu insisitieren, sondern erzählte Rolf von einem ehemaligen Kommilitonen, mit dem ihm während der Studienzeit so manches ›Abenteuer‹ verbunden hatte, den er heute zufällig in der Stadt getroffen hatte und der Rolf gänzlich unbekannt war.

»Und es freut mich doch, daß Maria und du wieder zusammen seid«, sagte Bernd zum Abschied mit einem breiten, selbstzufriedenen Grinsen, was Rolf ihm nicht einmal verübeln konnte.

 

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