Zitat des Tages #128
von
Armin A. Alexander
UnÂbeÂwussÂte TuÂgenÂden – Alle EiÂgenÂschafÂten eines MenÂschen, deren er sich beÂwusst ist – und naÂmentÂlich, wenn er deren SichtÂbarÂkeit und EviÂdenz auch für seine UmÂgeÂbung vorÂausÂsetzt – steÂhen unter ganz anÂdeÂren GeÂsetÂzen der EntÂwiÂckeÂlung, als jene EiÂgenÂschafÂten, welÂche ihm unÂbeÂkannt oder schlecht beÂkannt sind und die sich auch vor dem Auge des feiÂneÂren BeÂobÂachÂters durch ihre FeinÂheit verÂberÂgen und wie hinÂter das Nichts zu verÂsteÂcken wisÂsen. So steht es mit den feiÂnen SculpÂtuÂren auf den SchupÂpen der RepÂtiÂliÂen: es würde ein Irrthum sein, in ihnen einen Schmuck oder eine Waffe zu verÂmuÂthen – denn man sieht sie erst mit dem MiÂkroÂskop, also mit einem so künstÂlich verÂschärfÂten Auge, wie es ähnÂliÂche ThieÂre, für welÂche es etwa Schmuck oder Waffe zu beÂdeuÂten hätte, nicht beÂsitÂzen! UnÂseÂre sichtÂbaÂren moÂraÂliÂschen QuaÂliÂtäÂten, und naÂmentÂlich unÂseÂre sichtÂbar geÂglaubÂten gehen ihren Gang, – und die unÂsichtÂbaÂren ganz gleichÂnaÂmiÂgen, welÂche uns in HinÂsicht auf AnÂdeÂre weder Schmuck noch Waffe sind, gehen auch ihren Gang: einen ganz anÂdeÂren wahrÂscheinÂlich, und mit LiÂniÂen und FeinÂheiÂten und SculpÂtuÂren, welÂche vielÂleicht einem Gotte mit einem göttÂliÂchen MiÂkroÂskoÂpe VerÂgnüÂgen maÂchen könnÂten. Wir haben zum BeiÂspiel unÂsern Fleiss, unÂsern EhrÂgeiz, unÂsern ScharfÂsinn: alle Welt weiss darum –, und ausÂserÂdem haben wir wahrÂscheinÂlich noch einÂmal unÂseÂren Fleiss, unÂseÂren EhrÂgeiz, unÂseÂren ScharfÂsinn; aber für diese unÂseÂre RepÂtiÂliÂen-SchupÂpen ist das MiÂkroÂskop noch nicht erÂfunÂden! – Und hier werÂden die FreunÂde der inÂstincÂtiven MoÂraÂliÂtät sagen: »Bravo! Er hält weÂnigsÂtens unÂbeÂwussÂte TuÂgenÂden für mögÂlich, – das geÂnügt uns!« – Oh ihr GeÂnügÂsaÂmen!
Aus: »Die fröhliche Wissenschaft« – Friedrich Nietzsche (15.10.1844–25.08.1900)
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