Kategorie-Archiv »Literarisches«

Kurzes #26 – Hausarbeitsübung

Nicht nur eine weitere Kurzgeschichte zum Thema Fetischismus, sondern auch die zweite mit den Freundinnen Isabelle und Ellen aus der Kurzgeschichte »Hundstage«.

 

Ellen saß auf dem alten Korbstuhl in ihrem Schlafzimmer, der linker Hand neben dem Fenster stand. Sie betrachtete das ausgestreckte rechte Bein aufmerksam, um auch nicht die kleinste Falte an den neuen hautfarbenen Nylons zu übersehen. Selbstverliebt strich sie mit den Fingern über den zarten Stoff, der leise unter ihren Berührungen knisterte. Ein wohliges Gefühl durchströmte sie. Ja, es war schon ein besonderes Gefühl echte Nylons zu tragen und nicht nur, weil sie teuer und auf Grund ihrer Seltenheit etwas Besonderes an sich waren. Eine Frau, die Strümpfe trägt, wirkt zwangsläufig damenhaft und elegant, aber zugleich immer auch ein wenig kokett.

Sie befestigte auch den zweiten Klipp ihres ebenfalls neuen Überbrustkorsetts aus dunkelblau chargierendem Korsettstoff am Strumpfsaum. Dann stand sie auf und trat vor den großen Spiegel.

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Kurzes #25 – Wahre Schönheit

Eine weitere Kurzgeschichte zum Thema Fetischismus und daß erst eine faszinierende Persönlichkeit wahre Schönheit ausmacht.

 

Vom Äußeren her läßt sie sich als jemand beschreiben, der weder auffallend attraktiv noch das Gegenteil ist, ohne dabei durchschnittlich zu sein; unauffällig zwar aber nicht unscheinbar – unscheinbar im Sinne einer grauen Maus. Eine solche ist sie in keiner Weise. Sie zieht ihre Attraktivität überwiegend aus ihrer Persönlichkeit. Sie gehört zu den Frauen, die mit sich selbst im Einklang sind, ihren Körper vorbehaltlos akzeptierten, trotz oder vielleicht gerade wegen der kleinen »Makel« – vermeintlich zu breite Hüften, vielleicht ein wenig stämmige Beine, Brüste, die vielleicht zu sehr vor der Schwerkraft kapitulieren und daher das Tragen eines BHs zwingend notwendig werden lassen, eine sichtbare Cellulitis, Fettpölsterchen und Hautfalten, die nicht dorthin gehören, überhaupt alle die kleinen und größeren Problemzonen, wo sie sind – die aber gerade das Reizvolle sein können, weil sie seine angenehmen, seine erfüllenden Seiten nur zu gut kennen und darum strahlen sie eine Faszination aus, der sich letztlich niemand entziehen kann. Ihre Persönlichkeit ist ungekünstelt, sie versucht erst gar nicht es jedem recht zu machen und geht das Risiko ein, sich zwischen alle Stühle zu setzen. Sie besitzt ihren – charmanten – Dickkopf ist es erforderlich, aber sie gibt auch überraschend schnell nach, erkennt sie, daß eine Position kaum zu halten ist oder wenn sie damit jemandem, an dem ihr viel liegt, einen Gefallen tun kann und es für sie kein schmerzlicher Kompromiß darstellt. (mehr …)

Kurzes #24 – Hundstage

Eine weitere Geschichte zum Thema Fetischismus, in der sich zwei Frauen an einem heißen Sommertag eine besondere Abkühlung verschaffen.

 

Ellen bewunderte ihre Freundin Isabelle zum Teil für das, was sie selbst nicht war, oder nicht glaubte zu sein. Sie bewunderte ihre Spontanität und ihren Esprit, daß sie es verstand sich mit damenhafter Eleganz zu kleiden, stets von einer Portion Koketterie und bisweilen auch von mehr als einer Portion begleitet. Ein wenig Neid verursachte ihr der Umstand, daß sie es verstand, auf den überwiegend beinahe turmhohen Absätze ihrer eleganten Schuhe ebenso damenhaft wie sicher zu gehen, in das sie nicht selten ein kaum mehr unterschwelliges laszives Wiegen der Hüften mischte, was Ellen zu ihrem Bedauern leider nicht gelingen wollte, obwohl sie gleichfalls eine Passion für hochhackiges Schuhwerk besaß. Bisher war sie nicht über eine mittlere Absatzhöhe hinausgekommen, worüber sie sich gelegentlich bei der Freundin beklagte, die ihr darauf – nicht unberechtigt – vorwarf, daß es ihr an der nötigen Geduld mangelte, es zu erlernen. Ellen mußte sich widerstrebend eingestehen, daß die Freundin richtig lag; Geduld war noch nie ihre Stärke gewesen. Somit fristeten die wenigen wirklich hochhackigen Schuhe, die sie sich im Laufe der Zeit angeschafft hatte, in ihrem Schuhschrank ein Schattendasein. Obwohl sie die attraktivere von ihnen war und sich in keiner Weise wie ein Mauerblümchen gab, richtete sich dennoch die Aufmerksamkeit stets auf Isabelle, erschienen beide Frauen gemeinsam irgendwo. Kleider machen halt doch Leute!

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Zitat des Tages #27

’s Moralisieren is leicht, wenn man die Welt vom grünen Talgrund aus betrachtet, ich aber schau’ sie vom Gipfel der kahlsten aller Felsen, vom Kulminationspunkt alles Elends an, und in dieser Vogelperspektiv’ haben die bausbackigen Sentenzen eine hohle, nichtige Gestalt!

Johan Nestroy (1801–1862) aus: Nestroy zum Vergnügen »bei Amazon

Kurzes #23 – Ein Samstagnachmittag

Eine weitere Kurzgeschichte zum Thema »Fetischismus«.

 

Marius fuhr den Rechner hinunter. Er hatte doch länger gearbeitet, als er vorgehabt hatte, war aber fertig geworden. Er stand auf und streckte die vom langen Sitzen steifen Glieder. Er trat auf den Balkon hinaus. Es war ein schöner Spätsommertag. Stimmengemurmel drang von den Nachbarbalkonen zu ihm. Er atmete tief durch und ging wieder ins Wohnzimmer zurück. Er wollte nach Maren sehen. Sie hatte sich vor zwei Stunden ins Schlafzimmer zurückgezogen, um zu lesen.

Er blieb im Türrahmen des Schlafzimmers stehen. Maren lag quer auf dem Bett, ihm den Rücken zugewandt. Sie hatte den Kopf auf den linken Arm aufgestützt, das linke Beine ausgestreckt und das rechte angewinkelt, mit den Fingern der Rechten hielt sie das vor ihr liegende Buch auf der Matratze fest. Sie war derart in ihre Lektüre vertieft, daß sie ihn nicht zu bemerken schien. Er nutzte die Gelegenheit, um sie zu betrachten und lehnte sich mit der Schulter an den Türrahmen.

Sie blätterte eine weitere Seite um und rieb dabei mit dem rechten Bein leicht am linken. Er glaubte zu hören, wie der Stoff ihrer zarten hautfarbenen Strümpfe leise knisterte.

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Kurzes #22 – Begegnung im Café

Die zweite Kurzgeschichte zum Thema Fetischismus.

 

Wohl oder übel würde Tillmann das letzte Stück Weg laufen müssen, wollte er nicht bis auf die Haut durchnäßt werden. Im allgemeinen mochte er den Frühlingsregen, aber nicht unbedingt, wenn er sich mittendrin und ohne Schirm befand. Diese praktische Erfindung lag wieder einmal dort, wo sie in einer solchen Situation nicht liegen sollte: bei ihm zu Hause in der Diele auf dem Schuhschrank. So konnte er ihn unterwegs zwar nirgendwo liegen lassen, doch dafür war ihm jetzt eine kostenlose Dusche sicher.

Natürlich war der Himmel bereits mit dichten grauen Wolken tief verhangen gewesen als er das Haus verlassen hatte. Zeichen genug zu überprüfen, ob man denn nun das tragbare Regendach mitgenommen hatte und wenn nicht, noch einmal bequem umkehren konnte, um es zu holen. Doch wie dem meist so ist; man vertraut naiv auf sein mehr als zweifelhaftes Glück und fordert mit dieser Gleichgültigkeit der Macht der Elemente gegenüber, diese geradezu heraus, einem zum ungezählten Male zu beweisen, daß ihre eindeutigen Vorankündigungen stets ernst zu nehmen sind.

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